Fremd- oder Selbstbestimmung?. Frank Föder
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Auch demokratisch gewählte Regierungen bleiben auf Erweiterung des Gebiets ihres Staates erpicht. Die USA rissen sich Alaska und Puerto Rico unter den Nagel. Pakistan und Indien kämpfen um Kaschmir. Japan erhebt Anspruch auf die südlichen Kurilen. Dänemark und Kanada streiten um die eisige Insel Hans.
Gegenwärtig reklamieren China, Vietnam, die Philippinen, Malaysia und Taiwan den Besitz winziger unbewohnter Eilande im Ozean, die nur die wenigsten Atlanten kennen, wie die Paracel, die Spratley, die Senkaku Inseln, das Scarborough-Riff. Denn mit der Inhabe dieser Schären ist rechtlich eine Menge Meer verbunden. Und auf dessem Grund sind Bodenschätze aufgeklärt. Hier schmort die Lunte an einem Pulverfaß.
Auch an den arktischen und antarktischen Gebieten melden Demokratien Besitz- oder Ausbeutungsrechte an, darunter die USA und Rußland. Der Streit um die Regionen auf Mond und Mars ist abzusehen.
Im Juni 2016 beschlossen Senat und Kongress der USA, ihrem Land das alleinige Schürfrecht im Weltraum zuzubilligen – im Gegensatz zum UN-Weltraumvertrag von 1967, der dies ausdrücklich verbietet.
Allgemein geht es bei der Landnahme ungerecht zu. Denn die Großmächte haben, allein von ihrer materiellen Substanz her, die besseren Möglichkeiten, sich an den Polen, im Weltmeer, im Weltraum zu bedienen. Den Kleinstaaten bleibt der Schmelz der Genügsamkeit.
Kein Staat kann den Anspruch auf nutzbares Areal aufgeben. Das kann sich keiner seinen Bürgern gegenüber leisten. Vollends unbillig, wenn nicht widersinnig ist es, von einem Staat zu verlangen, daß er sich eines Stücks seines Gebiets entäußere.
Die Ukraine kann die Gebietsverluste, die ihr abverlangt werden, ohne Gegenwehr nicht hinnehmen. Spanien fordert die Angliederung von Gibraltar, denkt aber nicht im entferntesten daran, seine nordafrikanischen Besitzungen, Ceuta und Melilla, an Marokko zurückzugeben.
So, wie die Dinge liegen, muß es den Staaten darum gehen, ihren Gebietsumfang zu erhalten. Deshalb haben sie das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das sie sich nach dem zweiten Weltkrieg mühsam abrangen, durch Beschluß der UN-Vollversammlung von 1970, der sogenannten Prinzipienerklärung, wieder außer Kraft gesetzt.
Denn beibehalten hätte dieses Recht bedeutet, daß Separationsbestrebungen hätte nachgegeben werden müssen. Es hätte verlangt, Tibetern und Tschetschenen, Korsen und Kurden die Selbständigkeit nicht zu verweigern.
Gerade der demokratische Staat kommt nicht ohne Bevormundung und Beglückung aus. Die Erweiterung seiner Zuständigkeit auf alles Vorkommende entzieht mehr Freiheit als jede andere Modalität dieser Agentur. Fremdbestimmung aber sowie die Dominanz eines anderen Volkes, das wird von vielen Angehörigen weniger bevorzugter Gruppen als drückend empfunden. Häufiger als in den alten Monarchien, die ihren Landesteilen oft weitgehend Eigenständigkeit zugestanden, kommt es in der modernen Demokratie zum Bürgerkrieg.
Es gibt kaum eine Demokratie der Neuzeit, die es nicht mit einem Volksteil zu tun hätte, in dem der Gedanke der Unabhängigkeit schmort. Und den Diktatoren gleich ist jede demokratische Regierung gehalten, ihre aufsässigen Minderheiten mit Gewalt wieder unter ihre Botmäßigkeit zu bringen.
Dabei ist für Demokratie die Widerwehr gegen Selbständigkeitsbestrebungen besonders fragwürdig. Ist doch dieser Beschaffenheit vorgeschrieben zu respektieren, was ihre Bürger wollen. Demgemäß müßte sie über Volksabstimmungen in den betroffenen Landesteilen klären, ob die dortige Mehrheit im Staatsverbund bleiben will oder nicht. Darüber indessen befragen die Regierungen, wenn überhaupt, nur die Gesamtheit ihrer Bürger. Hier bewahrheitet sich, was Benjamin Franklin vermutete: Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf über die nächste Mahlzeit abstimmen.
Ein Gebietsverlust ist keinem Staat zuzumuten. In einer Welt, in der selbst die unwirtlichste Gegend und der Meeresboden voller wertvoller Güter stecken, ist der Verzicht auf einen Flecken Erde, den er besitzt oder dessen er habhaft werden kann, für keinen Staat akzeptabel.
Auf die Bewohner kann Staat keine Rücksicht nehmen. Deren Wunsch und Wollen, allemal wenn es um Eigenständigkeit geht, rührt an seine fundamentalen Belange. Staat kann naturgemäß nicht anders, als den Vorteil der Mehrheit seines Volks zu suchen. Wer folglich auf dem jeweiligen Stück Land zuhause ist, diese lästige Beigabe, hat keinen Ärger zu machen. Der Besitz von viel Gebiet ist ein Trumpf, der jede andere Begehr sticht. In einer Zukunft, die den Staaten gehört, gilt dieses Politikgesetz ohne jeden Abstrich.
Ende August 2018 erklärten der serbische und der kosovarische Präsident sich bereit für eine „Grenzkorrektur“. Serbien würde seine kosovarisch bewohnten Gebiete an den Kosovo, dieser seine serbisch bewohnten Gebiete an Serbien abtreten. Diese Absicht fand im politischen Bereich keine Unterstützung, teilweise wurde sie als „extrem unverantwortlich“ qualifiziert. Schließlich könnte das Schule machen.
Für die Zukunft ist bedeutsam, ob jedes der eingegliederten Völker bereit sein wird, seine Identität und das Verlangen nach Selbstbestimmung aufzugeben.
Zur Zeit muß eine Minderheit, die hartnäckig ihre Selbständigkeit einfordert, in Kauf nehmen, ausgerottet zu werden. Mehreren Völkern ist dies schon widerfahren. Die Bedingungen der Zukunft werden den Staatsgewaltigen noch weniger eine andere Wahl lassen.
Staatliche Kleinflächigkeit wohlgemerkt erweist sich zunehmend als bedeutsamer Nachteil. Die Bewohner der kleinen Staaten haben gegenüber denen der großen fernerhin unvermeidlich geringere Aussichten auf gutes Auskommen.
Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Bedarfsdeckung, die der divergierende Gebietsbesitz zur Folge hat, werden die Staaten unvermeidlich gegeneinander aufbringen. Dauerhaftes Zufriedengeben mit geringeren Chancen, gar mit drückender Not wird kein Staat, kein Volk durchstehen. Das gibt dem äußeren Frieden keine Chance.
Eine Zukunft daher, die die Staaten bestehen lassen wollte, müßte sie zunächst einmal alle gleich groß machen mit gleich viel Küsten- und Meeresanteil.
Die Staaten sind darüber hinaus Wirtschaftsenthusiasten.
Nur, wenn Handel und Wandel florieren, kann Staat seinen Säckel füllen. Das ist wesentlicher Grund dafür, daß dessen Amtsträger der Wirtschaft ihr besonderes Augenmerk widmen.
Diese überdies sind abhängig von Wahl und Wiederwahl. Sie können sich nur am Ruder halten, wenn sie die Bedingungen im Land fortgesetzt verbessern. Merkmal der zeitgenössischen Demokratien daher ist der ihren Regierungen auferlegte Zwang, die eigenen Unternehmen stützen zu müssen, vor allem die großen unter ihnen.
Dazu gehört vorrangig, sie vor der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu schützen. Das hinwiederum läßt sich wirksam nur vollziehen, indem man Wälle und Zäune baut, wie Trump dies exklusiv vorführt.
Bleiben die Grenzen offen, muß ein Handelsüberschuß erzielt werden. Den eigenen Betrieben muß es gelingen, mehr Waren ins Ausland zu verkaufen als sie gezwungen sind, von außerhalb einzuführen.
Wird dieser Vorzug verfehlt, bietet sich an, den Import zu begrenzen. Die dazu errichteten Zollschranken jedoch erweisen sich oft auch für die eigene Wirtschaft als nachteilig. Und die Einfuhrbestimmungen der anderen Staaten blockieren den eigenen Export. Gelingt es im Hin und Her, im Für und Wider, die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen zwischen zwei oder mehreren Staaten zu beseitigen, wird die entstandene Freihandelszone frenetisch gefeiert.
Ein freier Welthandel wäre wahrscheinlich für alle Volkswirtschaften von Nutzen. Die Staaten aber können von