Nachtmahre. Christian Friedrich Schultze

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Nachtmahre - Christian Friedrich Schultze Trilogie

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erwiderte ich. „Nur ob wir zwei beiden die objektive Wahrheit herausfinden, ist eben die Frage. Jedenfalls muss ich mir jetzt langsam klar werden, was ich mache.“

      „Was ist Wahrheit?“ meinte er, ein uraltes Bibelwort zitierend. „Und was ist kaputt bei dir? Nur das Gemäuer oder sind es bereits die Fundamente?“

      „Wer sagt dir denn, dass ich in alten Löchern graben will? Ich will was vollkommen Neues machen, wenn du verstehst, was ich meine.“

      „Das ist der Irrtum, den alle begehen. Sie glauben, aus ihrem Schatten springen zu können.“

      „Besteht nicht darin der Sinn des Lebens, im unentwegten Versuch, über den eigenen Schatten zu springen?“

      „Wollen und können ist ein gewaltiger Unterschied. Die meisten vergeuden mit solcherlei Übungen nur ihre Zeit, mit der sie was Nützlicheres anfangen könnten.“

      „Das ist ja gut“, ereiferte ich mich, „lassen wir`s also lieber gleich bleiben und den Dingen ihren Lauf! He, Alter, bist du müde geworden oder faul, etwas Neues anzufangen, gelegentlich?“

      „Ich denke, heute geht`s um dich??“

      „Na gut, ich hab mein Problem. Aber wie sollst du mir helfen, wenn du nicht verstehst, wenn du überhaupt nicht so empfindest?“

      „Ich hab was dagegen, wenn versucht wird, Mauern umzurennen, wenn man drübersteigen kann.“

      „Aber das ist doch genau, was ich will! Es hat gar keinen Zweck, gegen all diese Mauern zu rennen. Da geht man nur kaputt dabei, manche früher, andere später.“

      „Wir reden aneinander vorbei, leider. Was dich betrifft, ist es der alte Traum vom Fliegen, der dich erfasst hat. Jeder träumt ihn mal, bis er bemerkt, dass er nicht dafür geschaffen ist. Wir sind anders determiniert, mein Freund. Lässt du mal alles Drumherum weg, bleibt die Pflicht, deine Pflicht zu erfüllen, übrig. Vorausgesetzt, du erkennst endlich, worin sie besteht. Wenn es gut gewesen ist, dein Leben, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen, glaub`s endlich!“

      „Solltest du wirklich nicht sehen, in welch ausweglose Lage manche gedrängt werden; wie sinnlos es für viele geworden ist? Ich gebe meinen Traum von etwas Besserem nicht auf. Auch Männer, die ihre Pflicht erfüllten, haben ihren Flug gehabt, und die Welt spricht mit Bewunderung von ihnen. Es kann doch nicht falsch sein, aus diesem mittelmäßigen Trott heraus zu wollen.“

      „Dazu braucht man Talent, und wir wissen nicht, ob wir genügend davon haben. Du willst, dass etwas Besseres für dich dabei herausschaut, das ist dir die Hauptsache. Dabei übersiehst du, dass es viel wichtiger ist, das richtige Verhältnis zu den Verhältnissen zu finden. Zuerst musst du mit dir selbst ins Reine kommen, dann kommst du auch zurecht mit dem Übrigen.“

      „Das ist ganz beschissen fatalistisch. Warum soll ich aufhören, nach meinem Glück zu suchen? Da kann ich mich ja gleich neben Camus beerdigen lassen!“

      „Je mehr du einem Glück, von dem du nicht weißt, was es ist, hinterher rennst, desto unzufriedener wirst du, desto mehr Leuten um dich herum wirst du auf die Nerven fallen. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus.“

      „Na gut, möglicherweise ist was dran an dem, was du sagst. Trotzdem bleibt dann für mich der Widerspruch, dass es anscheinend vollkommen wurscht ist, wie herum ich mich drehe, ändern kann ich doch nichts.“

      „Das ist die falsche Diskussion. Es geht doch zuerst nicht darum, dass außen sich etwas bessert. Du selbst musst dich ändern, musst eine vernünftige Einstellung zu dir selbst finden. Sicher ist das eine Charakterfrage. Aber manche sehen ihr Ziel bereits, für manche ist es sogar schon zum Greifen nahe, und trotzdem wollen sie nicht glauben, dass es das ihre ist.“

      „Und du kennst dein Ziel?“

      „Der Weg ist das Ziel, sagt Zarathustra.“

      „Wie tröstlich!“

      „Hör mal, du kommst so mir nichts dir nichts aus deinem Berlin“ – er sagte wirklich „aus deinem Berlin“ - „machst Annemarie nervös, weil sie denkt, dass ich wieder zuviel saufe mit dir und belästigst mich mit deinen Problemen. Versuche also bitte mal, ein bisschen ernsthaft zu sein und nicht auszuweichen.“

      „Also, ich finde nicht, dass ich ausweiche. Gestatte aber bitte, dass ich versuche, dir meine Sicht der Dinge zu offenbaren. Dass Annemarie ein wenig unruhig ist, schadet übrigens nichts. Da merkt sie wenigstens, was sie an dir verlieren würde.“

      „Du willst nicht fliegen, sondern FLIEHEN“, sage er, ohne auf meine Neckereien einzugehen.

      „Zu Behauptungen gehörten früher Beweise“, entgegnete ich ziemlich schwach.

      „Nicht weil du abhaun willst. Vor dir selber und deinen Problemen fliehst du, wenn du das nur mal begreifen wolltest. Meinst du, du wirst dich los, wenn du dich in eine andere Gegend begibst? Du weigerst dich, der Situation treu zu bleiben. Schon damals warst du auf der Flucht, als du dich von deiner Familie trenntest.“

      „Mann, wie willst du das beurteilen? Hast du vielleicht drin gesteckt?“ Ich spürte, wie recht er hatte.

      „Nein, aber ich kenne allmählich deinen Charakter. Dir fehlt die Schau. Und noch etwas: Immer, wenn du etwas hast, willst du etwas anderes. Immer, wenn du auf einem Weg bist, möchtest du lieber einen anderen gehen. Immer, wenn du dich wo niedergelassen hast, möchtest du bereits weiter.

      „Geht das nicht allen so? Geht`s dir nicht so?“

      „Das sind Empfindungen. Man bleibt aber bei seiner Aufgabe, falls man von einem Träumer zum Realisten geworden ist.“

      „Und vorausgesetzt, dass man überzeugt ist, im richtigen Loch zu graben.“

      „Willst du entscheiden, was wichtiger oder besser ist als das andere? Jeder hat seine Aufgabe. Nur wenn er sich nicht mit ihr identifiziert, fühlt er sich von ihr bedrückt. Ich halte nichts von Selbstverwirklichung.“

      „Praktisch sieht es aber so aus, dass es einerseits eine Menge Posten gibt, die für die Menschheit absolut unnötig sind, und dass andererseits eine Menge Leute Stellen besetzt halten, für die ihnen sowohl die Eignung als auch das Verantwortungsbewusstsein fehlen. Gehören die ebenfalls in dein Bild?“

      „Sicher. Aber ich hätte vielleicht sagen sollen: Jeder hätte seine Aufgabe, wenn er nur wollte. Du musst eben versuchen, innerhalb deines Einflussbereiches etwas zu tun. Oder willst du lieber eine neue Revolution organisieren?“

      „Das ist doch eine Illusion, Mann, dass man auf seinem Gebiet mehr Vernunft durchsetzen könnte! Man arrangiert sich und verkündet, dass man ja zumindest für sich selbst versucht, das Gute zu tun. Das riecht mir verdammt nach deiner idealistischen Weltanschauung, die dich lehrt, in Demut stillzuhalten und nicht wider den Stachel zu löcken. Der Marx hatte wirklich recht: Die Christen sind für die Machthaber die bequemsten Leute. Sie geben immer dem Kaiser, was des Kaisers ist.“

      „Du zitierst nur die Hälfte, mein Freund. Der Schluss lautet: ´...und Gott was Gottes ist´. Und das ist entscheidend für den Christen. Aber wenigstens sind wir wieder beim Thema. Es sind ja auch wirklich diese Fragen, die man sich stellen muss, wenn man noch einen Sinn sehen soll. Übrigens bestreite ich, dass Menschen, die vorm Tod keine Angst haben, weil sie glauben, dass sie damit von allen ihren Widersprüchen erlöst werden,

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