HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians
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Auf dem Markt setzen sich nicht die Tugendhaften und Großzügigen, sondern die Effizientesten durch. Man kann sich dort in aller Regel nur als Egoist zurechtfinden. Eine Gesellschaft braucht aber Werte, eine Moral, um Bestand ha-ben zu können. Um sich auf dem Markt durchzusetzen, muss man den an-deren als Konkurrent sehen, um mit ihm aber in einem Gesellschaftssystem zusam-menzuleben, brauche ich Tugenden und moralisch bindende Werte. Durch diese Polaritäten und Widersprüche entsteht eine unauflösbare Spannung. Diese Polarität, diese unauflösbaren Widersprüche haben im 21. Jahrhundert spürbar zugenommen. Die Menschen in unserer Gesellschaft müssen deshalb einerseits eine egoistische Haltung und andererseits eine soziale Haltung entwickeln, wenn sie in diesem System zurechtkommen wollen. Dies führt zwangsweise zu einer schizophrenen Haltung, die unser ganzes soziales Leben durchzieht und entweder zur psychischen oder physischen Gewalt, oder in die Depression führen kann. Da dieser Widerspruch durch die Globalisierung beständig zunimmt, nehmen auch die Gewalt und die Depression in den kapitalistischen Gesellschaftsformen zu. Dieser Gegensatz ist so extrem polarisierend, dass er das gesamte gesellschaft-liche System Demokratie zunehmend zerreißt. In dieser Zerrissenheit steckt ein kaum zu überschätzendes Gefahrenpotential. Diese Zerrissenheit ist in jedem von uns zu finden, weil das System alle Menschen, alle Strukturen, Institutionen, Organisationen erfasst. Überall ist diese Spaltung zu erkennen. In arm und reich, in oben und unten, in mächtig und ohnmächtig, in abhängig und unabhängig, in befehlen und gehorchen, in Natur und Mensch, in Ökonomie und Ökologie, in Mann und Frau... Durch den demographischen Wandel, in viele alte und weniger junge Menschen zeigt sich auch hier die Gefahr einer Spaltung, vor allem dann wenn die jungen Menschen feststellen müssen, dass ihre Zukunftschancen ungleich weniger rosig und fair sind.
Wenn wir auf Dauer unsere Demokratie erhalten wollen, vielmehr eine wirkliche Demokratie errichten wollen, dann muss sich die Ökonomie, wie Sponville auf-zeigt, in (unter) die demokratischen und sozialen Werte des Grundgesetzes einordnen. Der Kapitalismus muss ein moralisches Antlitz erhalten. Lässt er dies zu und wie soll das gehen? Kann es hier einen Ausweg geben?
Der Demokratie und ihren Institutionen in ihrer heutigen Form gelingt es immer weniger Chancengleichheit und Gerechtigkeit unter den Menschen herzustellen. Der Soziologe und Leiter des Institutes für interdisziplinäre Konfliktforschung an der Universität Bielefeld, Wilhelm Heitmeyer spricht von „schleichenden Prozes-sen“, die sich zu einer „Demokratie- Entleerung“, zu einer „Ökonomisierung des Sozialen“ und zu einer „spezifischen Orientierungslosigkeit“ entwickeln.
Das Fundament der Demokratie und unsere Existenz sehe ich aus folgenden Gründen gefährdet.
Die Macht der großen Konzerne, die zudem untereinander globalisierend vielfach vernetzt sind, sodass eine Kontrolle kaum noch möglich ist.
Die Verfilzung des Marktes durch Ökonomie und Politik, die sich vor allem in der Lobbyarbeit zeigt
Die unkontrollierte, pervertierte Finanzwelt, die sich vom realen Marktgeschehen nahezu abgekoppelt hat.
Das immer weiter auseinandertriften zwischen wenigen Reichen und immer mehr Armen. In Deutschland sind 9 Billionen an Vermögen vorhanden. Die reichsten 2 Prozent der Bevölkerung besitzen 50 Prozent dieses Vermögens.
Der Klimaerwärmung durch Treibhausgase (THG), der nicht erneuerbaren Energien: Öl, Gas, Kohle, Methan
Das Wachstum Prinzip, das die Ökosysteme, die Arten und die Land-schaftsvielfalt vor allem durch die Ausbeutung der Rohstoffe zunehmend zerstört.
Die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch zunehmende Schadstoffe, Strahlen, Lärm.
Überbevölkerung
Staatsschulden: Allein Deutschland hat mehr als 2 Billionen Schulden. Auf jeden Bundesbürger kommen etwa 26 000 Euro Schulden. Wenn wir die versteckten Schulden durch zukünftige Renten und Pensionslasten hinzu-nehmen, kommen wir etwa auf 5 Billionen Euro Schulden.
1.3 Nach uns die Sintflut
Der Begriff stammt aus dem Alten Testament. Als Strafe für die Sünden der Menschen hat Gott das Leben auf der Erde durch die Sintflut vernichtet, indem er es wochenlang regnen ließ. Nur der gute Noah mit seiner Familie und je zwei Tiere von jeder Gattung, ein Männchen und ein Weibchen, sollten durch die Arche gerettet werden. Die Sintflut kann man also als ein Symbol für eine furchtbare Strafe durch: Gier, Neid, Zerstörung der Natur und alles das, was wir als Böses ansehen, bezeichnen. Allerdings mit dem Unterschied, dass wir uns durch Zerstörung und Gleichgültigkeit zur restlichen Natur die „Sintflut“ oder Strafe selbst bescheren.
Es ist schmerzhaft für mich mit nüchternen Zahlen Bilder entstehen zu lassen, die ich und offensichtlich nicht nur ich, lieber verdrängen würden. Möglichst in die Allerunterste Schublade des Gedächtnisses. Vor allem die jüngeren Men-schen, diejenigen, die mit diesem Schlamassel noch umgehen werden müssen. Sie haben dieses Schlamassel eigentlich auch nicht zu verantworten. Aber wer fühlt sich denn dafür verantwortlich? Die 60 %, die sich als Bürger ansehen und die alle auf Kosten ihrer Kinder gelebt haben? Die Banker, die Reichen, die Politiker? Wie gehen wir noch heute mit den Opfern in den „sogenannten Ent-wicklungsstaaten“ um? Den Staaten, die lange Kolonien von England, Frankreich, Spanien, Deutschland... waren? Die Afrikaner leiden heute an Hunger und auch an Krieg, weil wir durch unsere Wirtschaftskreisläufe ihre Ressourcen immer noch zerstören.
1.3.1 Macht der Konzerne
Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme weltweit, stand der Markt, vor allem der spekulative Finanzmarkt über den legitimierten demokra-tischen Systemen. Die Märkte versprachen durch ihre Globalisierung: Wohlstand, Wohlfahrt, bessere Lebensqualität, neue Arbeitsplätze und die demo-kratisch legitimierten Politiker unterstützten sie, wo immer sie konnten. Was ist aus diesen Sprüchen geworden? Stattdessen leben wir in einer immer mehr ver-unsicherten und gespaltenen Gesellschaft. Millionen können sich ihres Arbeits-platzes nicht mehr sicher sein. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Seit 2008 stecken wir in einer Krise, deren Ende nicht zu erkennen ist. Sie begann als Immobilien und Finanzmarktkrise. Es folgten die Bankenkrise, die Konjunkturkrise, die Schuldenkrise und jetzt wieder die Ban-kenkrise. Ganz nebenbei hat sie ganze Länder ergriffen, die vor dem Bankrott stehen: Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Belgien, selbst Frankreich wackelt.
Die traditionellen Wirtschaftswissenschaften haben nicht zu dem allgemeinen Wohlstand geführt, den uns die Herren Locke und Smith versprochen haben. Weder haben sich die Armut und der Hunger in der Welt entscheidend verringert, noch ist die Verteilungsungerechtigkeit beseitigt worden. Aber es gelingt den wirtschaftlich Mächtigen uns immer wieder einzureden, dass das Paradies für alle auf Erden durch diese Art der Ökonomie noch kommen wird. Wir bräuchten nur Geduld...
Aristoteles von dem der Begriff „oikonomia“ stammt, verurteilte noch das Streben nach Reichtum und Profit, da es dem Glück des Menschen im Wege steht. Die oikonomia sollte eine dienende Rolle haben und dem Staat und dem Gemeinwesen dienen. Auch Thomas von Aquin hat im 13. Jahrhundert die Ökonomie eng mit Moral, Tugend und Gerechtigkeit verbunden, weil sie sonst den Frieden