HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians

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HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians

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Eingriffen entwickeln soll. Der Mensch soll nach seinem Eigennutz leben und nach Profit und Wohlstand streben. Er glaubte, dass aus diesem Egoismus alle Menschen profitieren würden. Seither leben wir nach dem Menschenbild der klassischen Ökonomie, dem „homo oeconomicus.“ Es ist der Mensch mit den unbegrenzten Bedürfnissen. Er denkt nur an sich und deshalb ist diese Ent-scheidung nicht nur für den Markt sondern auch für die Allgemeinheit optimal. Die Tauschakte des Marktes führen immer zum Optimum für alle Partner, weil alle Partner gleichberechtigt sind und streng rational entscheiden. Hieraus entstand die Konsumentensouveränität. Das heißt kein Staat darf in diese Souveränität eingreifen. Der Markt besteht aus lauter Einzelinteressen. Jenseits dieser Einzelinteressen gibt es keine Gesellschaft. Adam Smith hat diese Normen aufgestellt und die Bürger haben mit Freuden diese Vorstellungen umgesetzt. Für neoliberale Ökonomen oder Denker gilt dies mit Abstrichen bis heute. Hier begann der Siegeszug des Individuums, das Selbstinteresse und der Niedergang des Gemeinschaftssinns. Smith war auch Moralphilosoph, hatte auch ethische Vorstellungen und stellte den Gemeinsinn und den Wohlstand für alle über das Einzelinteresse. Einerseits werden diese Ideen von Smith wie Fahnen von den Großkonzernen vorhergetragen, aber die Moral oder der Gemeinschaftssinn ist dabei verloren gegangen. Soziale, gemeinschaftliche, demokratische Werte werden von einigen mächtigen Konzernen und ihrer starken Lobby gemindert oder bekämpft. Raubtierkapitalismus, das heißt eine Marktwirtschaft, die fern von einer allgemeinen Moral, fern von Ethik ist, ist spätestens seit der Globa-lisierung, etwa mit dem Untergang des östlichen Kommunismus, entstanden. Man könnte es auch umdrehen und sagen, es gibt schon eine Moral, nämlich die des Raubtiers. Selbst dieser Vergleich hinkt. Wenn ein Raubtier satt ist, jagt es nicht. Konzerne sind nie satt, ihnen reicht es nie. Sie sind immer auf der Jagd. Demokratie und Raubtierkapitalismus gehen immer weniger zusammen. Der Kapitalismus treibt die Demokratie durch die Macht der Reichen und Techno-kraten immer mehr aus unserem Gesellschaftssystem hinaus. Nicht umsonst ist das Wachstum des Marktes in China am höchsten. Wir kommen immer schneller an einen Punkt, der zeigen wird, was uns wichtiger ist: Diese Art von Konsum, von Ökonomie, von Finanzwirtwirtschaft oder eine demokratische und nachhal-tige Entwicklung, die auch an das Wohl kommender Generationen denkt.

      Im 19. Jahrhundert gab es Kaufleute von Ehre z. B: die Buddenbrooks, schreibt Joachim Röhrig in „Kleine Weltgeschichte.“ Man musste auch knallhart kal-kulieren und abwägen, aber Vertrauen war damals noch die Basis für Geschäfte. Manager wechseln heute alle paar Jahre den Konzern. Verantwortung kann da nicht aufkommen. Der Vorstand will möglichst schnell hohe Gewinne erzielen. Die Gewinne werden an die Aktionäre weitergeleitet und nicht für eine bessere Situation der Lohnarbeiter oder ein nachhaltige Produktionsweise verwendet. Die Arbeiter werden wie Dinge, wie Schachfiguren behandelt. Wenn man sie nicht mehr braucht, dann kann man sie opfern. Hohe Gewinne heißt, wenn es hohe Gewinne geben kann, dann kann es sicher noch höhere Gewinne geben und das heißt fast immer Entlassungen und für die Menschen Arbeitslosigkeit mit all ihren Konsequenzen. Wie bei Nokia. Nokia bekam von der EU und der Bundesregierung mehr als 80 Millionen Euro damit Arbeitsplätze entstehen. Wenige Jahre später 2008 zog Nokia nach Rumänien, trotz guter Auslastung und Gewinne. 2300 Festangestellte und 1000 Leiharbeiter waren betroffen. Grund: Die Lohnkosten seien zehnmal höher als in Rumänien. Es gab Protestaktionen, Demonstrationen, Menschenketten ums Werk, alles blieb erfolglos. Jetzt 2011, knapp drei Jahre später wird auch das Werk in Rumänien geschlossen. Nokia zieht nach Asien, weil dort die Menschen für noch weniger Geld arbeiten. Staaten, ja selbst die EU ist machtlos gegen diese Art Rücksichtslosigkeit, Gewalt und Ignoranz gegenüber der Gemeinschaft. Im Gegenteil, dies sind „Werte“, die dieses System tragen, sie sind immanent und gehören zum System, zu unserem „demokratischen“ System. Die Konzerne ziehen dorthin, wo die Menschen die geringsten Löhne fordern und am längsten arbeiten. Der globale Konzern Zirkus zieht dorthin, wo sich die Menschen am meisten ausbeuten lassen. Der Mensch als Ware. Der Arbeiter wird nicht als soziales Wesen behandelt. Für Nokia und ähnliche Kon-zerne sind Menschen, Ware, Dinge ohne Gesichter, Herz und Gefühl. Das Lebendige, Gefühle werden einfach reduziert. Sie, die Manager haben einen Auftrag, nämlich Gewinne zu machen und was das für die Menschen heißt, wird einfach verdrängt. Dieses emotionslose Verhalten erinnert mich stark an Adolf Eichmann im National-sozialismus, der nur einen Befehl ausgeführt hat und deshalb, so meinte er, dafür auch keine Verantwortung zu übernehmen bräuchte. Wenn durch die Erfüllung des Auftrags dann Millionen Juden sterben müssen dafür kann er nichts. Ein Manager kann auch nichts dafür, dass er einige tausend Menschen auf die Straße schickt, so sind nun einmal die kapitalistischen Gesetze, jeder ist sich selbst der Nächste. Gefühle, ein soziales Gewissen, moralisches Denken ist wie Hannah Arendt bei Eichmann feststellte mit dem „Weltverlust“ verschwunden. Die „Banalität des Bösen“, die Nichtverantwortung ist natürlich nicht vergleichbar, aber das grundsätzliche, emotionslose, inhumanistische, fast maschinenartige Verhalten solcher Menschen erinnert mich an Adolf Eichmann, wie er fast teilnahmslos jede Verantwortung von sich schob und das macht Angst. Die Haltung, dass der Mensch nach den Marktgesetzen nur eine Ware ist, ist systemimmanent. Wenn man genau hinschaut ist der Manager, der die Men-schen entlässt genauso eine Ware, nur mit einem anderen Gehalt ausgestattet. Der Kapitalismus „züchtet“ Menschen das soziale Gewissen weg. Moral, Ethik, Verantwortung für andere, denen man dadurch schadet, haben in der Welt des Kapitals im 21. Jahrhundert keinen Platz.

      Lächerlich würde Andre´ Sponville wahrscheinlich hierzu sagen. Für ihn ist der Kapitalismus weder moralisch noch unmoralisch. Er ist amoralisch, das heißt weder noch. Der Sinn des Kapitalismus ist der Gewinn. Hier wird nicht nach Moral gefragt. Ein Unternehmer, ein Manager hat dafür zu sorgen, dass die Aktionäre, also die Besitzer einen größtmöglichen Gewinn bekommen. Ich kann dazu nur sagen: Er hat recht, ich aber auch.“ Legal, illegal, egal, die Hauptsache Gewinn. Im November 2011 gibt Siemens einen Rekordgewinn bekannt, mit der Mitteilung, dass man die Belegschaft verkleinern muss. Die paar hundert Aktionäre, die in ihrer Gier einfach noch mehr Gewinne möchten, bestimmen dieses Handeln. Und wir, die Occupy- Bewegung spricht von den 99 %, lassen es uns noch gefallen. Wir haben uns längst an diesen Raubtierkapitalismus gewöhnt.

      In den letzten 60 Jahren haben sich Gesellschaft und Wirtschaft im Sinne von Konzernlenkern entwickelt. Die Wirtschaft ist mittlerweile in fast allen Kulturen die stärkste und mächtigste Kraft im Staat geworden. Die weltläufigen Ver-flechtungen der Konzerne treiben die Politik vor sich her. Die Politik ist für die Großkonzerne dazu da, um für die Wirtschaft günstige Bedingungen zum Wachstum zu schaffen. In diesem globalen Spannungsfeld entstehen auch gigantische Migrationsströme mit immer größer werdenden sozialen Konflikten.

      Viele Lenker in der globalen Wirtschaft glauben, dass dies so weiter gehen kann. Warum sollten sie denn ein anderes Denken und Verhalten zeigen, wenn es ihnen doch damit so richtig gut geht und sie auch in ihrem jetzigen Denken so tatkräftig von der Politik unterstützt werden? Der mangelnde Veränderungswille, dieser blinde Glaube, alle Probleme würden sich schon irgendwie durch „die helfende Hand“ (Smith) lösen lassen, wird von den meisten Politikern, trotz besseren Wissens noch mitgetragen. Dieser Glaube herrscht aber auch bei vielen Konsumenten vor.

      2011 werden große Teile der Weltwirtschaft von 147 Konzernen kontrolliert. Besonders dominant sind auch hier die Unternehmen aus dem Finanzbereich, also Banken und Rentenfonds. Die Britische Barclays Bank ist am ein-flussreichsten. Die Deutsche Bank liegt an der 12. Stelle. Bei einer Untersuchung 2007 wurden insgesamt 43 000 Unternehmen untersucht.1318 von ihnen waren an mindestens zwei weiteren Unternehmen beteiligt. Im Durchschnitt waren diese Firmen mit 20 anderen Unternehmungen verbunden. Diese Unternehmen erzielen auf Grund ihrer gegenseitigen Anteilshabe 4/5 der Umsätze von diesen internationalen Konzernen. Die 147 Konzerne bilden ein in sich geschlossenes System und kontrollieren sich über ein ungemein kompliziertes System selbst. Diese 147 Konzerne machen weniger als 0,4 % dieser 43 000 Firmen aus, kontrollieren aber von den 43 000 Firmen über 40 %. Der Kreis der allermäch-tigsten Unternehmen wird dann noch einmal von 50 Unternehmen angeführt: Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. 37 dieser Super-Einheit sind Finanzfirmen. Die Politik kann in dieses Netzwerk kaum eingreifen, weil die Konzerne international vernetzt sind und die Länder gegeneinander ausspielen. Regulierungen und Kontrolle gibt es auch deswegen

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