HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians

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HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians

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ausgebaut. Mittlerweile gibt es da Ecken, die kennen sie selbst nicht mehr. Ich kann mich noch erinnern, als man in der Foxtönenden Wochenschau in den 60er Jahren Männer in der Börse gezeigt hat, wo jeder versuchte noch lauter als der andere zu schreien. Dabei gaben sie, so denke ich kund, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Für mich sah das aus, als wären hier halbstarke, zumindest leicht ver- rückte Männer am Werk, wo der eine ruft: Ich will auch das rote Bonbon haben, das der da hat. Und wenn es geht, soll es ein bisschen größer als das des anderen sein. Und wer am lautesten brüllte hat es dann auch gekriegt, das rote Bonbon. Deshalb war es dort lauter als in jeder Schulklasse. Ich weiß wovon ich rede. Zumindest was die Schulklasse betrifft. Die Börse als Kinderspielplatz, als Abenteuerspielplatz, weil sonst das Leben einfach zu langweilig wäre. Mit der Minne, das würde heute nicht mehr so ganz passen. Wir wissen mittlerweile, bei ihnen bin ich mir noch nicht mal sicher, ob sie dies wirklich wissen, wie gefährlich ihre abenteuerlichen Spiele geworden sind. Der Besitz des roten Bonbons lässt Menschen verhungern, oder hebelt gleich einen Staat aus den Angeln und bald vielleicht sogar ganz Europa. Das heißt, dass der Spielplatz ganz schön gefährlich geworden ist, zumindest für die, die nicht um das rote Bonbon streiten.

      Wir wissen nun aber auch, dass alle, die da auf dem Abenteuerspielplatz Finanzmarkt sind, gar nicht so sonderlich glücklich sind. Es ist ja auch wirklich anstrengend und stressig jeden Tag mit den anderen, um das rote Bonbon zu streiten. Die Neuropsychologie hat festgestellt, dass man glücklicher wird, wenn man etwas gibt, statt etwas nimmt. Wir müssten diese armen Spekulanten hier einfach ein bisschen unterstützen, wenn wir möchten, dass sie etwas glücklicher werden. Ich denke, wir sollten uns überlegen, wie wir ihnen einen anderen Spielplatz, eine andere Herausforderung verschaffen können. Einen Spielplatz, bei dem sie so richtig zeigen können, was für tolle Männer sie sind. Man muss ihnen nur das Gefühl geben, dass sie ganz toll sind. Was für ein Spiel wäre denn für sie angemessen? Sie reisen ja alle gern. Also könnten sie z.B. nach Acra reisen, nach Ghana, zu den Menschen, die Tag für Tag auf einer riesigen Fläche Elektroschrott aus Europa verbrennen, um an das begehrte Aluminium, Kupfer und Eisen zu kommen. Leider müssen sie deshalb die Kunststoffbehälter dabei verbrennen, dabei die Abgase schlucken und den Boden verseuchen. Das wäre doch wirklich mal eine echte spannungsgeladene Situation, wo sie sich überlegen könnten, was wohl für diese Menschen sinnvoller wäre, wie sie ihre Familien ernähren könnten. Da hätten sie doch wirklich mal eine Aufgabe, bei der sie nicht zerstören sondern etwas aufbauen könnten und damit glücklicher werden. Es gibt dort ganz viele Spielplätze, Flüchtlingscamps in Kenia, oder Äthiopien... Wir wollen sie nicht gleich überfordern, indem wir sie sofort an Orte schicken, wo sie direkt sehen können, was sie auf ihrem Abenteuerspielplatz alles anstellen. Und zur Belohnung, solange sie das brauchen, könnte man ihnen ja rote Bonbons geben. Wir müssen für diese Verirrten ein soziales Netzwerk schaffen, um sie in die Gemeinschaft wieder zu integrieren und dafür sorgen, dass sie glücklicher werden. Es könnte sich für alle lohnen!

      Vor drei Jahren stellte die Königin von England in der „School of Economics“ (LSE) die simple Frage: „Warum hat niemand den Finanzcrash kommen sehen?“ Der Abteilungsleiter Luis Garicano antwortete genau so simpel: „ Zu jedem Zeitpunkt verließ sich irgendjemand auf irgendjemand anderen und alle dachten, sie würden das Richtige tun.“ So einfach tickt die sogenannte Elite! Es gab einige Ökonomen, die die Krise vorhersagten. Es waren diejenigen, die in der Branche als Außenseiter galten: „ Das Problem sind die Dinge, die wir wissen und die nicht stimmen“, sagt der US Komiker Will Rogers. In einer Welt, in der die Wirt-schaft und mit ihr die Politiker glauben, dass die Wirtschaft selbstständig zu sta-bilen Gleichgewichten findet solange der Staat sie in Ruhe wursteln lässt, sind keine Krisen vorgesehen. Leijonhuvwud schertzt, dass die ökonomischen Wis-senschaftler ihren Studenten solange erzählen, dass die Menschen die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse kennen, bis die Studenten verstehen, dass sie erst ihren Abschluss machen können, wenn sie dies ebenfalls glauben. ( Berliner Zeitung, 16. April 2012 Verlorenes Paradies)

      Auf dem Finanzmarkt werden täglich viele Billionen Dollar umgeschichtet. Dieses Geld ist weitgehend entkoppelt von dem was auf dem Gütermarkt wirklich ge-schieht. Der Arbeitsmarkt hat 2011 weltweit einen Wert von 45 Billionen Euro geschaffen. Das gesamte Verdienst aller Menschen betrug 42 Billionen Euro. Die gesamten Spekulationen weltweit „1500 Billionen Euro“!! Etwa das 33 fache des gesamten Güterverkehrs. Während in den letzten 20 Jahren die Weltwirtschaft um das 3 fache zunahm, wuchsen die Spekulationen um das „300 fache“!!. (Berliner Zeitung, 14.März 2012). Alle Spekulationen greifen trotzdem tief in die Wirklichkeit ein, wenn sie auf die Pleite von Staaten wetten oder darauf, dass Lebensmittel teurer werden. Alles, was auf dem Finanzmarkt geschieht, muss irgendjemand bezahlen. Alles hat seinen Preis. Entweder, indem Menschen Lebensmittel nicht mehr kaufen können, weil sie zu teuer sind, oder Wälder abgeholzt oder Meere leer gefischt werden. Immer verliert irgendjemand oder etwas, wenn Spekulanten Gewinne machen. Die Entkopplung des Geldes von den objektiv wirklich vorhandenen Gütern hat den Staat, die Staaten, wie man sieht nahezu entmachtet. Warum lassen sie und wir uns das gefallen?

      1.3.5 Keine Satire

      Was ist das eigentlich, das wir als Finanzpolitik bezeichnen? Mittlerweile wird in allen Nachrichten über die Börse berichtet. Genau genommen berichten die Nachrichten dann für 3,5 Millionen Menschen, denn so viel Aktionäre soll es in Deutschland geben, bei mehr als 80 Millionen Menschen insgesamt. Wenn dann die Spezialisten über das, was da an Zahlen abgelesen wird, sprechen, machen sie einem immer wieder deutlich, dass auch sie nicht so genau wissen, was da vor sich geht, oder wie man sich verhalten soll. Man weiß auch nicht, mit wem man es eigentlich zu tun hat, wenn von Märkten geredet wird, die einmal die Geduld und dann wieder jedes Vertrauen verloren haben, die man wieder beeindrucken muss, dass wieder etwas geht! Da gibt es Devisenmärkte, Aktien-märkte, Anleihemärkte, Derivate. Wo sind die und wem gehören die? Wer lenkt im 21. Jahrhundert die Welt? Händler, Makler, Fondsmanager, Finanzspekulan-ten? Wer kennt die? Wo kann man mit denen kommunizieren, die in Se-kundenbruchteilen Milliardenwerte mal da und dann wieder nach da schieben? Kann man die in einer Demokratie wieder abwählen, oder leben wir, ohne dass ich das mitbekommen habe, wieder in einer Erbmonarchie? Dann sagt ein wichtiger Politiker ein Satz, wie: mit Griechenland sieht das gar nicht gut aus und schon verändern sich die Zahlen an der Tafel und die Menschen an der Börse schauen sehr ernst, werden hektisch und sagen dann, dass dies der Politiker besser nicht gesagt hätte. Von einer großen Angst ist dann die Rede und es könnte diesmal richtig schlimm werden und alles wäre auch psychologisch bedingt. Aber wir wollen doch gegen Griechenland keinen Krieg führen, wovor muss ich mich jetzt fürchten? Das Orakel von Delphi gab klarere Informationen als das tägliche Börsenorakel. Geheimnisvoll, gruselig, schaudernd. Brauchen wir diese spekulative Geisterbahn? Über das Schicksal von tausenden von Menschen wird über Nacht außerhalb des Betriebes entschieden. Arbeitskraft, Ersparnisse, können plötzlich wertlos sein. Nicht die Qualität der Arbeit, die Kompetenz, nicht die Integrität zählen, sondern eine „Casino-Mentalität“. Ray Dalio von der größ-ten Hedgefonds Gesellschaft Bridgewater Associates hat im Jahr 2011 insge-samt die Kleinigkeit von 3,9 Milliarden Dollar als Brooker verdient. (Berliner Zei-tung, 10. Mai 2012, Klaus Staeck.) Wer und wie viel Leidtragende befinden sich ver-steckt hinter dieser „Wahnsinnssumme.“

      Rudolf Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen fordert, dass die Banken wieder der Realwirtschaft dienen müssen. Den Unter-nehmen Kapital für Investitionen bereitstellen. Die Banken müssen dezentraler und demokratischer geführt werden. Keine Bank darf so groß werden, dass sie im Falle einer Pleite vom Steuerzahler gerettet werden muss. Die Europäer haben bisher 1700 Milliarden Dollar für die Rettung der Banken ausgegeben. Auf Grund ihrer Größe konnten sie die Politiker dazu zwingen. Wenn die Banken kleiner sind können sie in einer Finanzkrise diesen Einfluss auf die Politik nicht ausüben. Banken müssen vom Staat beaufsichtigt und als Übergang wäre es auch denkbar sie, bis sie umstrukturiert sind, zu verstaatlichen. (Berliner Zeitung, 28. April 2012.) Die Politik hätte die Macht einzugreifen und diese Ideen umzusetzen. Warum tut sie es nicht?

      1.3.6

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