Die Schlangentrommel. Ole R. Börgdahl

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Die Schlangentrommel - Ole R. Börgdahl Tillman-Halls-Reihe

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sein«, erklärte ich Bruckner.

      »Meinen Sie?«, kommentierte er. »Warum Schlangentrommel, weil damit Schlangen beschworen werden?«

      Ich holte mein Smartphone aus der Jackentasche. Im Café Brinckshafen hatte man natürlich einen hervorragenden WLAN-Empfang.

      »Ich werde das mal googeln, damit Sie mir auch glauben«, informierte ich Bruckner. Ich tippte den Begriff ein und es kam blitzschnell eine Antwort. »So, hier haben wir es. Ich zitiere: Die vasenförmige, im Mittelteil verjüngt abgerundete skoom kpuo ist ungefähr fünfzig Zentimeter hoch und wird von Hand aus dem Kernholz des Jack-Fruchtbaumes geschnitzt.« Ich deutete auf unseren sitzenden Musiker und fuhr fort. »Das gelbliche Holz besitzt hohe Resonanzfähigkeit. Die Außenseite wird mit vielfältigen Ornamenten verziert, und die Trommelöffnung erhält eine Bespannung aus getrockneter Schlangenhaut.« Ich sah Bruckner an. »Daher der Name Schlangentrommel, verstehen Sie?«

      »Der Mann spielt aber auf einer roten Trommel«, entgegnete Bruckner.

      Ich zuckte mit den Schultern. »Wollen Sie die Geschichte jetzt hören oder nicht.«

      Bruckner nickte heftig.

      »Es ist natürlich nichts für Ihren nächsten Stammtisch«, sagte ich beiläufig.

      »Das ist doch selbstverständlich.« Bruckner beugte sich wieder vor und stütze die Ellbogen auf die Tischplatte, um mir seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

      »Was wissen Sie über Kambodscha?«, fragte ich, natürlich rein rhetorisch, ohne eine Antwort von Bruckner zu erwarten. Und dann begann ich von den Verwicklungen zu erzählen, die sich vor zwölf, dreizehn Jahren abgespielt hatten und an denen ich nur beteiligt war, weil das Militär einen Analytiker dabeihaben wollte, der auch noch Deutsch sprach. Es war mein erster Aufenthalt in Quantico.

      Kambodscha 1990

      Das Walkie-Talkie knackte. Arun fuhr mit der Hand unter seinen Sarong und gab Antwort. Er drückte die Taste einmal lang. Das vereinbarte Zeichen. In der Fabrik wurde schon seit dem frühen Morgen gearbeitet. Hinter der Mauer, die das Gelände vollständig umgab, rauchte es aus zwei Schornsteinen. Das Tor auf der gegenüberliegenden Straßenseite war aber noch geschlossen. Seit ein paar Tagen beobachteten sie diesen Ort, und es wurde Zeit, dass sie handelten. Nach dem westlichen Kalender endete das Jahr der Schlange am 26. Januar 1990, und obwohl Arun sich schon lange nicht mehr an die alten Traditionen hielt, wollte er dieses Datum auf keinen Fall verstreichen lassen.

      Er löffelte wieder aus dem Napf mit Gemüse und Hühnerfleisch. Er hatte sich unter das Zelt der Garküche gestellt. Entlang der Straße hatten Händler und Bauern ihre Stände aufgebaut. Das Viertel am Stadtrand von Sisophon war belebt. Lastwagen rumpelten über den brüchigen Asphalt, Motorräder schossen aus Seitengassen, die wenigen Autos hupten, Fahrräder schlängelten sich an den Fußgängern vorbei. Die Menschen drängten sich unter den bunten Stoffdächern der Markstände, die ihre Waren auf Schildern in geschwungener Khmer-Schrift anpriesen.

      Sisophon war die Hauptstadt der Provinz Bantey Meanchey im Nordwesten Kambodschas nahe dem Grenzgebiet zu Thailand. Es ging auf Mittag zu, die Hitze war erträglich. Im Januar stiegen die Temperaturen selten über die Dreißiggradmarke. Das Militär zog sich dennoch am Mittag für ein paar Stunden zurück. Ein Mannschaftswagen hatte die patrouillierenden Soldaten eingesammelt. Arun sah sich noch einmal um, konnte aber an den Straßenecken keine Uniformen mehr sehen.

      Ein Karren war auf der Straße, unmittelbar vor der Garküche, stehen geblieben. Arun trat unter dem Zeltdach hervor und suchte wieder den Blick auf das Tor. In diesem Moment schwangen die Torflügel auf. Zwei Arbeiter öffneten sie bis zum Anschlag. Ein weißer Toyota Hilux schoss aus dem Torbogen. Arun griff sofort zum Walkie-Talkie. Vier kurze Schläge auf die Signaltaste. Das Zeichen, dass sie unterwegs waren. Ein Sprechkontakt war nur für den Notfall vereinbart, doch bis hierhin lief alles wie geplant. Arun stellte den noch halb vollen Napf auf den Boden und ging ruhig die Straße hinauf. In der nächsten Seitengasse stand sein Motorrad. Er stieg auf, trat den Kickstarter durch, der Motor sprang an. Arun fuhr bis an die Einmündung zur Hauptstraße und hielt dort. Er zog seinen blau karierten Krama unter dem Hemd hervor und band sich den Baumwollschal vor Mund und Nase. Er zupfte das Tuch zurecht, reihte sich dann in den Verkehr ein.

      Der weiße Hilux hatte keinen großen Vorsprung. Arun hielt den Abstand. Sie verließen Sisophon, folgten dem National Highway. Der Toyota beschleunigte auf dem trockenen Asphalt. Arun hielt seine Geschwindigkeit, ließ sich etwas zurückfallen. Ein Militärjeep überholte, setzte sich zwischen ihn und den Hilux. Der Jeep besaß eine Lafette mit einem Maschinengewehr, das aber unbesetzt war. Arun ließ sich noch ein Stück zurückfallen. Die Patrouille beunruhigte ihn noch nicht, mit dem Walkie-Talkie gab er wieder Signal.

      *

      »Moment!«, unterbrach mich Bruckner. »Sie erzählen das so, als wenn Sie selbst dabei gewesen seien, also in Kambodscha meine ich.«

      »Berichte«, antwortete ich. »Das, was ich Ihnen gerade erzählt habe, weiß ich natürlich aus den Berichten und aus den Verhören, an denen ich später beteiligt war.« Ich lächelte. »Sie müssen mir gestatten, dass ich die Geschichte ein wenig ausschmücke und auch etwas aushole. Nur so werden Sie verstehen, was wirklich hinter diesem Fall steckte.« Ich nahm noch einen Schluck Kaffee. »Also, dann darf ich weiter erzählen?«

      Bruckner lehnte sich in seinen Stuhl zurück und nickte.

      *

      Rin Muras Hände zitterten. Er hatte fast zwei Tage nicht geschlafen. Seit einer Woche befand er sich auf der Flucht. Er war vor sieben Monaten nach Kambodscha zurückgekehrt, hatte sich in Pailin den Brüdern wieder angeschlossen. Das Ende der vietnamesischen Besatzung würde dem Bürgerkrieg noch einmal Antrieb geben. Es war eine Chance, die Macht zurückzugewinnen. Sie hatten Pailin und Battambang eingenommen. Rin Mura gehörte zu einer Gruppe, die weitere Invasionen in anderen Landesteilen vorbereitete. Wenige Tage zuvor war seine Kampfgruppe aufgerieben worden. Die Rückkehr nach Battambang war versperrt, südlich von Sisophon standen Regierungstruppen. Rin Mura war in der kleinen Gießerei untergekommen, hatte Kontakt zu seinen Leuten aufgenommen. Vor einer halben Stunde hatte er den Anruf bekommen. Die Flucht nach Thailand war vorbereitet, obwohl auch dort der Feind wartete.

      Rin Mura wurde aus seinen Gedanken gerissen. Auf der Rückbank saß sein Leibwächter und lud die Waffen. Er reichte Rin Mura eine Pistole nach vorne, gab dem Fahrer die Zweite. Der Mann war einer der Helfer, ihm gehörte der Toyota. Die Straße führte geradeaus. Links und rechts der Piste befanden sich Reisfelder, die sich bis weit zum gebirgigen Horizont erstreckten. Gruppen von Frauen und Männern arbeiteten auf den grünen Flächen. Immer wieder tauchten Höfe oder kleinere Ansammlungen von Hütten entlang der Straße auf. Bis nach Svay Chék waren es fünfzehn Meilen. Rin Mura klappte die Sonnenblende herunter und richtete den kleinen Spiegel aus. Der Militärjeep gehörte zu ihnen. Die Leute würden nach Verfolgern Ausschau halten.

      *

      Hinter einer Lagerhalle im Zentrum von Svay Chék wartete Nhean mit dem alten Pritschenwagen. Er saß am Steuer, hielt das Walkie-Talkie in der rechten Hand und sah gebannt auf das rote Signallämpchen. Arun gab Zeichen, dass sie sich näherten. Nhean startet den Motor. Das Chassis des Pritschenwagens vibrierte. Die Aufbauten der Ladefläche waren mit einer Plane überdeckt und verbargen die zehn Männer, die dort auf Holzbänken hockten. Arun und Nhean hatten die Leute vor ein paar Tagen angeworben. Fast alle waren ehemalige Kämpfer irgendeiner Bürgerkriegspartei, bewaffnet mit Sturmgewehren, Pistolen und Messern.

      Der weiße Hilux näherte sich, wurde langsamer

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