Im Reich des silbernen Löwen I. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Reich des silbernen Löwen I - Karl May страница 4
»Warum?«
»Weil er sich droben in den Gros Ventre-Bergen befindet.«
»Das könnt Ihr so fest behaupten?«
»Ja. Ihr wißt natürlich gar nicht, was da droben geschehen ist. Habt Ihr einmal von Winnetou gehört?«
»Dem Häuptling der Apatschen? Was wißt Ihr von ihm?«
»Daß er tot ist. Ja, denkt Euch, dieser herrliche Mann ist tot! Die Sioux-Ogellalah haben ihn im Hancockberge erschossen, und Old Shatterhand ist natürlich hinter ihnen her, um den Tod seines berühmten Freundes und Bruders blutig zu rächen. Ich sage Euch, daß kein einziger von ihnen mit dem Leben davonkommen wird! Old Shatterhand vergießt nie unnütz Blut; in diesem Falle aber wird er nicht ruhen und rasten, bis diese Kerls bis zum letzten Manne ausgelöscht sind. Wollt Ihr nun noch immer behaupten, Old Shatterhand zu sein?«
»Ja.«
»So erzählt uns doch einmal, was dort am und im Hancockberge geschehen ist!«
»Habe genug daran, es erlebt zu haben; mag nicht auch noch Worte darüber machen.«
»Well! Immer eine Ausrede, die nicht übel klingt! Mann, Ihr gefallt mir sehr. Entweder seid Ihr übergeschnappt und haltet Euch für einen, der Ihr gar nicht seid; da müssen wir uns Euer annehmen, damit Ihr Euch nicht zuletzt gar noch für den Sultan der Türken oder für den Kaiser von China haltet. Oder Ihr treibt nur so Euern Scherz, und da seid Ihr ein Gesellschafter, der sehr gut zu uns paßt, da wir Leute sind, die sich auch gern einen Spaß machen. Wenn Ihr gleichen Weg mit uns hättet, würden wir Euch mitnehmen.«
»Wirklich? Wolltet Ihr mir diese Ehre erweisen?«
»Ehre oder nicht; wir lachen gern. Woher kommt Ihr?«
Von den Gros Ventre-Bergen herunter.«
»Well! Ihr bleibt in Eurer Rolle. Und wo wollt Ihr hin?«
»Zu den Apatschen.«
»Wetter! Was wollt Ihr bei ihnen?«
»Ihnen den Tod Winnetous melden.«
»Mann, Ihr fallt wirklich nicht aus Eurer Rolle! Aber wenn Ihr diese Absicht wirklich hättet, so würdet Ihr diesen gefährlichen Weg umsonst machen, denn die Apatschen wissen jedenfalls schon, daß Winnetou tot ist.«
»Sehr richtig! Ich konnte nicht gleich fort, sondern wurde durch die Umstände zurückgehalten, und so ist mir die Fama weit vorausgeflogen; man weiß ja, wie schnell sich hier im Westen ein Gerücht oder eine Nachricht verbreitet. Aber trotzdem muß ich hin. Die Apatschen müssen einen Augenzeugen hören.«
»Augenzeugen! Ihr seid wirklich ein kostbarer Kerl! Wenn Ihr bei uns bleiben wolltet, das wäre für uns das Höchste der Gefühle. Wir wollen nämlich über den Canadian hinüber und dann nach Santa Fé hinauf. Das ist für einige Zeit auch Eure Richtung. Wollt Ihr Euch zu uns gesellen?«
»Ja, denn Ihr gefallt mir auch.«
»Well! So ist die Sache abgemacht. Aber vorher müssen wir Eins wissen: Wie sollen wir Euch nennen?«
»Bei meinem Namen.«
»Etwa Old Shatterhand?«
»Ja.«
»Mann, das dürft Ihr nicht von uns verlangen! Diesen Namen werden wir nicht zum Scherz im Munde führen.«
»Bei mir ist es Ernst.«
»Aber bei uns nicht, Sagt uns also gefälligst einen anderen Namen!«
»Ich bleibe bei diesem.«
»So zwingt Ihr uns, einen zu suchen. Ihr seid ein Deutscher; wir werden Euch also, bis es Euch beliebt, uns Euern richtigen Namen zu sagen, Mr. German nennen. Ist's Euch so recht?«
»Hab' nichts dagegen.«
»Du bist doch auch einverstanden, alter Tim?«
»Nenne ihn, wie du willst, kurz oder lang, ich bin dabei. jetzt ist er Old Shatterhand; will doch sehen, was noch alles aus ihm wird!«
»Ein Westmann jedenfalls nicht. Also, Mr. German, Ihr reitet mit uns. Wißt Ihr denn aber auch, was das zu bedeuten hat?«
»Etwas Außerordentliches jedenfalls nicht.«
»Oho! Wir müssen durch das Gebiet der Comantschen, welche sich gerade jetzt wieder einmal gegen die Weißen zusammenrotten. Sie behaupten nämlich, wieder einmal um gewisse Lieferungen betrogen worden zu sein. Haben vielleicht auch recht. Wenn sie uns erwischen, sind wir verloren.«
»Das ist wahr, aber falsch ausgedrückt.«
»So drückt es richtiger aus!«
»Wenn sie uns erwischen, sind wir dumm.«
»Well, nicht übel! Hoffentlich seid Ihr in Wahrheit so gescheit, wie Eure Worte klug klingen, und laßt Euch nicht erwischen. Jetzt haben wir ausgeruht und wollen aufbrechen. Holt Euer Pferd, Sir!«
»Ist nicht nötig; es kommt von selbst.«
Ich pfiff; da kam es um das Gebüsch herbeigetrabt. Als die beiden Snuffles den prächtigen Schwarzschimmel sahen, staunten sie ihn eine ganze Weile wortlos an, und dann rief Jim aus.
»Alle Wetter, ist das ein Pferd! Wie kommt Ihr zu einem solchen Tiere?«
»Es ist ein Geschenk.«
»Von wem?«
»Von Winnetou.«
»Haltet einmal den Schnabel! Winnetou wird Euch ein solches Pferd schenken! So weit werdet Ihr doch nicht in Eurer Rolle gehen! Ich will Euch offen sagen, daß Ihr mir jetzt verdächtig vorkommt! Ein Mann wie Ihr, und dieses kostbare Tier! Hoffentlich begegnet uns keiner, dem es gehört und der eine Jury zusammenruft, um uns aufhängen zu lassen!«
»Keine Sorge, Mr. Snuffle! Ich bin kein Pferdedieb. Daß es mir gehört, erseht Ihr daraus, daß es mir so schnell und willig gehorcht. Es gehörte früher einem Sioux-Häuptling, von dem es Winnetou erbeutet hat.«
»Wenn dies so ist, so werde ich wirklich irre. Wer ein solches Pferd reitet, kann kein ordinärer Landläufer sein; aber ein richtiger Westmann steckt seinen Körper doch nicht in Leinwanddüten, wie Ihr an Euern Gliedern hängen habt! Ihr seid mir ein Rätsel.«
»Mag sein; aber zerbrecht Euch nicht den Kopf; die Lösung kommt von selbst.«
»Aber möglichst bald, wenn ich bitten darf, Mr. German! Ich habe Euch für einen Spaßvogel gehalten; aber dieses Pferd macht mir Gedanken. Glücklicherweise