Der Scout. Karl May

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Der Scout - Karl May

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Ihren treuherzigen Augen sieht man es an, daß Sie in Ihrer Zeitung einen Artikel bringen werden, um den Deutschen niederzuschmettern und die von ihm Gejagten in Schutz zu nehmen.«

      »Wenn ich das thun soll, was ich allerdings sehr gern möchte, so ist es freilich nothwendig, zu erfahren, wo William Ohlert sich befindet. Ich muß ihm jedenfalls schreiben. Hoffentlich sind Sie über seinen gegenwärtigen Aufenthalt unterrichtet?«

      »Wohin er gereist ist, das weiß ich allerdings; aber ich kann nicht sagen, ob er sich noch dort befinden wird, wenn Ihr Brief ankommt. Diesen Deutschen hätte ich nach dem Nordwesten geschickt. Ihnen aber sage ich, daß er nach dem Süden ist, in’s Texas. Er beabsichtigte, nach Mexico zu gehen und in Veracruz zu landen. Aber es war kein Schiff zu haben, welches sofort die Anker lichtete. Die Gefahr drängte zur größten Eile, und so fuhr er mit dem »Delphin«, welcher nach Quintana bestimmt war.«

      »Wissen Sie das genau?«

      »Ganz sicher. Er hatte sich zu beeilen. Es gab grad noch Zeit, das Gepäck an Bord zu bringen. Mein Portier hat das besorgt und ist an Deck gewesen. Dort sprach er mit den Matrosen und erfuhr, daß der »Delphin« wirklich nur bis Quintana gehen, vorher aber noch in Galveston anlegen werde. Mit diesem Dampfer ist Master Ohlert wirklich fort, denn mein Portier hat gewartet, bis das Schiff abfuhr.«

      »Und sein Sekretär und die Miß sind auch mitgereist?«

      »Natürlich. Der Portier hat die Dame indessen nicht gesehen, da sie sich nach der Damenkajüte zurückgezogen hatte. Er hat auch gar nicht nach ihr gefragt, denn meine Bediensteten sind gewöhnt, im höchsten Grade discret und rücksichtsvoll zu sein; aber es versteht sich doch ganz von selbst, daß William nicht seine Braut zurücklassen und der Gefahr aussetzen wird, von dem deutschen Wütherich ergriffen zu werden. Ich freue mich eigentlich auf seine Ankunft bei mir. Es wird eine sehr interessante Scene geben. Zunächst werde ich versuchen, sein Herz zu rühren, und dann, wenn dieses mir nicht gelingt, so werde ich ihm meine Donnerworte in das Gesicht schleudern und in einer Weise mit ihm sprechen, daß er sich unter meiner Verachtung förmlich krümmen muß.«

      Die gute Frau befand sich in wirklicher Aufregung. Sie hatte sich die Angelegenheit sehr zu Herzen genommen. Jetzt war sie von ihrem Sessel aufgestanden, ballte die kleinen, fleischigen Fäuste gegen die Thüre und rief drohend:

      »Ja, komme nur, komme nur, Du diabolischer Dutchman! Meine Blicke sollen Dich durchbohren und meine Worte Dich zerschmettern!«

      Ich hatte nun genug gehört und konnte gehen. Ein Anderer hätte das auch gethan und die Dame einfach in ihrem Irrthum gelassen. Ich aber sagte mir, es sei meine Pflicht, sie aufzuklären. Sie sollte nicht länger einen Schurken für einen ehrlichen Menschen halten. Ein Vortheil erwuchs mir aus dieser Offenherzigkeit gar nicht. Es kam hier eben wieder das – – Greenhorn zur Geltung. Ich machte mir nur weiß, moralisch verpflichtet zu sein, der Dame die Augen zu öffnen, denn der eigentliche Grund, mich zu demaskiren, war, das ich mir das Vergnügen machen wollte, mit einem theatralischen Effecte abzutreten. Darum sagte ich:

      »Ich glaube nicht, daß Sie Gelegenheit haben werden, ihm Ihre Blicke und Worte in so zerschmetternder Weise entgegen zu werfen.«

      »Warum?«

      »Weil er die Sache wohl ganz anders anfangen wird, als Sie meinen. Auch wird es Ihnen nicht gelingen, ihn nach dem Nordwesten zu schicken. Er wird vielmehr direkt nach Quintana fahren, um sich Williams und seines sogenannten Sekretärs zu bemächtigen.«

      »Er kennt ja ihren Aufenthalt gar nicht!«

      »O doch, denn Sie selbst haben ihm denselben mitgetheilt.«

      »Ich? Unmöglich! Das müßte ich doch wissen! Wann sollte das geschehen sein?«

      »Soeben jetzt.«

      »Sir, ich begreife Sie nicht!« rief die Dame höchst erstaunt.

      »Ich werde Ihnen behülflich sein, mich zu verstehen. Erlauben Sie mir nur, eine kleine Veränderung meiner Person vorzunehmen.«

      Bei diesen Worten nahm ich die dunkle Perrücke, den Vollbart und auch die Brille ab. Die Dame trat erschrocken zurück.

      »Um Gotteswillen!« rief sie aus. »Sie sind nicht ein Redacteur, sondern jener Deutsche! Sie haben mich betrogen!«

      »Ich mußte das thun, weil man Sie vorher getäuscht hatte. Die Geschichte mit der Mulattin ist vom Anfang bis zum Ende eine Lüge. Man hat mit Ihrem guten Herzen Mißbrauch und Spott getrieben. Clinton ist gar nicht der Sekretär Williams. Er heißt in Wahrheit Gibson und ist ein gefährlicher Betrüger, den ich allerdings unschädlich machen soll.«

      Sie sank wie ohnmächtig auf den Sessel nieder und rief:

      »Nein, nein! Das ist unmöglich! Dieser liebe, freundliche, prächtige Mann kann kein Betrüger sein. Ich glaube Ihnen nicht.«

      »Sie werden mir glauben, sobald Sie mich angehört haben. Lassen Sie mich Ihnen erzählen!«

      Ich unterrichtete sie über den wirklichen Stand der Angelegenheit und hatte den Erfolg, daß ihre bisherige Sympathie für den »lieben, freundlichen, prächtigen« Sekretär sich in den heftigsten Zorn umwandelte. Sie sah ein, daß sie in schmählichster Weise belogen worden sei, und gab mir schließlich sogar ihre Genugthuung darüber zu erkennen, daß ich in Verkleidung zu ihr gekommen sei.

      »Hätten Sie das nicht gethan,« sagte sie, »so hätten Sie nicht die Wahrheit von mir erfahren und wären meiner Weisung gemäß gen Norden nach Nebraska oder Dakota gedampft. Das Verhalten dieses Gibson-Clinton erfordert die allerstrengste Ahndung. Ich hoffe, daß Sie sofort aufbrechen, um ihn zu verfolgen, und bitte Sie, mir von Quintana aus zu schreiben, ob es Ihnen gelungen ist, ihn dort festzunehmen. Auf dem Transporte nach New-York müssen Sie mir ihn hierher bringen, damit ich ihm sagen kann, wie sehr ich ihn verachte.«

      »Das wird wohl kaum möglich sein. Es ist nicht so leicht, sich in Texas eines Menschen zu bemächtigen und ihn nach New-York zu bringen. Ich würde äußerst zufrieden sein, wenn es mir gelänge, William Ohlert aus den Händen seines Verführers zu befreien und wenigstens einen Theil der Summen zu retten, welche beide unterwegs einkassirt haben. Für jetzt aber würde es mich außerordentlich freuen, von Ihnen vernehmen zu können, daß Sie die Deutschen nicht länger für Barbaren halten, welche nicht lieben können. Es hat mich geschmerzt, meine Landsleute grad von Ihnen so verkannt zu sehen.«

      Die Antwort war eine Entschuldigung ihrerseits und die Versicherung, daß sie sich von ihrem Irrthume bekehrt fühle. Wir schieden in herzlichster Weise von einander, und als ich langsam die Treppe hinabstieg, hatte ich das sehr wohlthuende Gefühl, einen Geniestreich ausgeführt zu haben, welcher in den Analen des ehrenwerthen Master Josy Tailor wohl kaum seines Gleichen fand.

      Darum klang mein Ton wohl etwas sehr von oben herab, als ich den beiden vor dem Hause wartenden Polizisten sagte, daß die Angelegenheit erledigt sei. Ich drückte ihnen ein Trinkgeld in die Hände und bewegte mich in sehr aufrechter Haltung von dannen. Es geht doch nichts über die wohlthuende Erkenntniß, ein Kerl zu sein, mit dem sich Andere nicht vergleichen dürfen!

      Natürlich mußte ich möglichst schnell nach Quintana und suchte zunächst nach einem Schiffe, welches dorthin ging. Die Gelegenheit war mir nicht günstig. Ein Dampfer lag bereit, nach Tampico zu gehen, legte aber auf der Tour nirgends an. Schiffe, welche mich nach Quintana gebracht hätten, gingen erst in einigen Tagen ab. Endlich fand ich einen schnellsegelnden Klipper, welcher Ladung für Galveston hatte und nach Mittag abgehen wollte. Mit ihm konnte ich fahren. In Galveston hoffte ich, schnelle Gelegenheiten

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