Kreuzfahrt-Neulinge. Jens Wahl
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Dass dies aber befolgt wurde, konnten wir am darauf folgenden Tag selbst erleben. Als wir unsere Poolhandtücher tauschen wollten, stand vor uns ein Herr, der die Mitarbeiterin der Handtuchausgabe auf zwei reservierte Liegen hinwies. Und kurz vor Rio bekamen wir auch mit, dass joOp (unser joggender Opa) sich bei seinem Rundendrehen sehr genau reservierte Liegen merkte, aber wohl nicht weiter meldete. Für mich kommt die Situation, dass zum Beispiel Spätaufsteher keine Liegen mehr finden, nur dadurch zustande, dass nicht genügend Platz für Liegen vorhanden ist. Und wenn das schon bei unserer zu etwa nur 75% ausgelasteten Reise vorkam, wie soll das dann bei „vollem Haus“ aussehen? Wie steht es so schön sinngemäß im AIDA-Katalog: Jeder wird sein Lieblingsplätzchen finden. Dann fügt bitte noch hinzu: aber nicht unbedingt auf einer Liege auf dem Sonnendeck.
Vor allem finde ich die 20 Minuten unmöglich. Wer zum Mittagessen geht, müsste das Essen in Windeseile hinunterwürgen, um den Zeitraum einzuhalten. Und weshalb soll ich alle Sachen erst mal in die Kabine bringen, dann zum Essen gehen, dann wieder alle Sachen aus der Kabine holen und danach beginnen, eine Liege zu suchen? Hier bedarf es unbedingt Änderungen seitens AIDA. Das Gleiche trifft auch zu, wenn man an einer der Infoveranstaltungen teilnehmen möchte, die ja 30 - 45 Minuten dauern.
Für die kommende Nacht war gegen 1:30 Uhr die Äquatorüberquerung angekündigt und der Kapitän hatte in seiner Morgenandacht etwas von im Wasser schwimmenden Balken gefaselt - sein Seemannsgarn konnte er ruhig woanders abspulen.
Ich weiß auch nicht mehr, wie oft wir auf der Reise die Uhren umstellen mussten: einmal wegen der unterschiedlichen Zeitzonen, und da andererseits einige brasilianische Staaten Sommerzeit hatten und andere nicht. Es war ein ständiges „an-der-Uhr-drehen“ und bei der Kamera vergaß ich dies ab und zu, sodass dann teilweise falsche Uhrzeiten bei den Fotos und Videos angezeigt werden.
Einmal hatte ich wohl vergessen, die Uhr zurückzudrehen und so standen wir schon 6 Uhr morgens vor dem Calypso-Restaurant, also 1 Stunde zu früh. Um die Zeit zu überbrücken, setzten wir uns in die nahe Bibliothek. Bald gesellte sich eine ältere Dame zu uns, mit der wir ins Gespräch kamen. Wie sich herausstellte, wohnte sie keine Autostunde von uns entfernt in München und war geschätzt ca. 65 - 70 Jahre alt. Sie war früher mit ihrem Mann viel im Camper unterwegs gewesen, aber seit einigen Jahren verwitwet und hatte wohl viel Langeweile. So hatte sie die Reise „Weltenbummler 1“ von Hamburg bis Buenos Aires in einer Einzelkabine gebucht und meinte zu uns: „Dass ich diese Reise gebucht habe, werde ich mir nie verzeihen!“ Die Gründe dafür nannte sie uns leider nicht (wir vermuten mal, dass sich diese Aussage auf die Überfahrt von Hamburg bis Gran Canaria bezog, da die wohl nicht sehr ruhig gewesen sein sollte). Sie war heute schon 5 Uhr aufgestanden, um einen Platz auf einem der Fitness-Radl-Geräte zu bekommen. Tagsüber mag sie das nicht so, wenn da einige „Jugendliche“ hinter ihr stehen und warten, dass sie endlich fertig wird. Da wir unsere Namen nicht austauschten, nannten wir sie einfach „die Oma“. Mit ihr sollten wir uns noch des Öfteren unterhalten.
Am Abend besuchten wir die Vorstellung im Theater: Songs von Michael Jackson war das Thema. Während der Anfang mit dem Earth-Song sehr schön und gefühlsmäßig war, steigerte sich dann alles sehr schnell in überlaute Schreierei. Wir waren nicht die Einzigen, die an diesem Abend dem Show- (oder besser Schrei-) Ensemble vorzeitig den Rücken kehrten. Und noch eines lehrte uns das: Nimm nie eine Kabine direkt unter dem Theater, sonst has(s)t du das Theater!
Von der Äquatorüberquerung (oder besser dem wilden Gehupe deswegen) gegen 1:30 nachts hatten wir in unserer Innenkabine nichts mitbekommen. So hatten wir uns nördlich des Äquators zum Schlafen hingelegt und wachten morgens südlich des Äquators wieder auf. Anders war uns deswegen nicht.
Am dritten Seetag (01.11.12) wurde es sehr heiß: Die Meeresbrise hob sich exakt mit dem Fahrtwind auf, die Luft stand.
Noch am Vormittag wurde die erste Möwe gesichtet - ein Hinweis auf (noch relativ weit entferntes) Land.
Am Nachmittag zogen dichte Wolken auf und ein kurzer, aber heftiger Tropenschauer prasselte auf das Schiff nieder. Wir suchten Schutz in der Anytime-Bar, wo während der Überfahrt täglich ein kostenpflichtiger Samba-Trommel-Kurs stattfand. So rasch der Wolkenbruch gekommen war, war er auch vorbei. Danach hatten wir eine dickere Wolkendecke zwischen der Sonne und uns und es wurde nicht mehr ganz so heiß.
Das war bis jetzt das erste schlechtere Wetter, ansonsten hatte es die Schiffsführung immer wieder verstanden, solche Gebiete zu umfahren - sie hatten also Schönwetter-Navigation betrieben, welche aber nur bedingt möglich ist.
Am Abend wurden wir dann noch mit einem schönen Sonnenuntergang belohnt.
Sonnenuntergang am 01.11.12, schon südlich des Äquators.
02.11.12: Recife: Ausflug auf die Halbinsel Itamaracá
Heute sollte es nach 6 Tagen Schiff am Stück endlich wieder mal festen Boden unter den Füßen geben. Auch wenn wir bis jetzt maximal See 4 hatten, schwankte das Schiff zwar nur gemächlich, aber ständig. Ein fester Standpunkt wäre da mal wieder vorteilhaft.
Gegen 8 Uhr kamen die nördlichen Ausläufer von Recife in Sicht - Wolkenkratzer hinter türkisblauem Meer.
Skyline des nördlichen Teiles von Recife.
Laut meinem Brasilianisch-Lehrbuch wird Recife als „Hessifie“ ausgesprochen - in Deutschland und auch an Bord würde aber wohl kaum einer damit etwas anfangen können. Nach dem Frühstück kam uns das Lotsenboot „entgegengeschwankt“ und unser „Atlantik-Busfahrer“ Mey parkte sein Fahrzeug pünktlich 10 Uhr am Passagierkai.
Die Tour zur Halbinsel Itamaracá sollte von 2 Bussen gefahren werden: Im großen Bus saß eine deutsch sprechende Brasilianerin als Reiseleiter, im kleineren ein englisch sprechender Brasilianer als Reiseleiter zusammen mit einem AIDA-Scout zum Übersetzen.
Aus dem Hafen kam unser Bus (wir saßen im großen Bus) relativ schnell und dann wurde es zäh: Stau. Es war der 2.11., damit der Feiertag Finados (Allerseelen) und alles wollte aus der Stadt. Da wir sehr langsam vorankamen, konnten wir Straßen, Häuser und Menschen in Ruhe betrachten. Unsere Reiseleiterin Rosa erklärte uns, dass die Brasilianer keinen Wert auf ein schönes Haus legen, selbst schön sein und feiern ist wichtiger. Aus Steuergründen sind die meisten Häuser zur Straßenseite hin sehr schmal und dafür nach hinten lang gebaut.
So etwas wie Mülltonnen gibt es nicht in Recife: Der Müll wird in Plastikbeuteln an den Straßenrand gestellt, wo er abgeholt werden sollte - wenn da nicht die streunenden Hunde schneller wären, die die Beutel aufreißen und den Müll wieder auf dem Bürgersteig und der Straße verteilen.
Und noch etwas erfuhren wir: Für größere Entfernungen nimmt man in Brasilien einen Flieger oder den Bus - das Netz der Bahn ist für den Personenverkehr sehr schlecht ausgebaut. Dafür das Fernbussystem sehr gut.
Inzwischen schlichen wir durch Olinda (auf Deutsch: wie schön) mit seinen Kirchen und Klöstern. Irgendwann erreichten wir dann Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens aus dem Jahre 1535.