Mausetot auf hoher See. Inge Hirschmann
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Читать онлайн книгу Mausetot auf hoher See - Inge Hirschmann страница 6
Schon irgendwie seltsam, oder?
»Ist das oft so?«, fragte Adam nach unten. Als Neuzugang hatte er selbstverständlich das obere Bett nehmen müssen. War ihm aber angesichts der größeren Masse seines Zimmergenossen im Grunde auch lieber, und mit Höhenangst oder Schlafwandeln - fatal im oberen Stockbett - hatte er keine Probleme.
»Was?«, murmelte Jochen schläfrig. Adam hatte die Information zuvor offenbar ein wenig zu lange sacken lassen, sein Partner war am Einnicken.
»Ja, dass die Kacke am Dampfen ist, das halt.«
»Pffhhh... ja, eigentlich schon. Allerdings letztens schon länger nicht mehr. Dauert schon ganz schön lang, die ereignislose Zeit, wenn ich überleg. Vielleicht liegt's ja an dir.«
»An mir?«, fragte Adam leicht fassungslos, setzte sich abrupt auf und fluchte irgendwas daher, weil er sich den Kopf an der stählernen Decke gestoßen hatte.
»Schimpf nicht so laut, sei lieber froh, dass du zehn Zentimeter kleiner bist als ich!«, lachte Jochen. »Was meinst du, wie gut das tut, wenn man sich da oben genau die Augenbrauen anhaut?«
Adam tastete seinen Scheitel ab, der zu seinem Glück recht dicht behaart war. Ja, in seinem ersten Leben, da hatte er eine wahre Löwenmähne sein eigen genannt und auch ausgiebig kultiviert, selbst als Polizist. Aber seit dem Schiff waren sie kurz, die überbordenden Locken, weil man als Sicherheitsmann doch eine gewisse Seriosität transportieren sollte an Bord.
Wie auch immer: kein Blut, schon mal gut! Hirn wieder hochfahren, zuletzt gestellte Frage abrufen... »Also nochmal: Was liegt an mir?«
»Hm, scheinbar ist mit dir eine ordnende Kraft an Bord gekommen, die unseren Klabautermann bezähmt. Glaub mir, ich hab früher auch darüber gelacht - aber das Schiff ist tatsächlich seltsam, weißt du.«
»Seltsam?«, fragte Adam und versuchte, sich auf dem schmalen Bett bequem auszustrecken. Er war gut einsfünfundsiebzig groß und hatte selbst bei der Länge schon Probleme. »Ich finde bloß, dass es ein wenig kneift unter den Achseln...«
»Hahaha!«, lachte Jochen. »Gut gebrüllt, Löwe! Unter den Achseln kneift's, und irgendwo zwischen Schornsteinkante und Kiel ist immer der Teufel los. So war's jedenfalls bisher. Es gibt Leute hier, wirklich, die behaupten steif und fest, unsere ›Symphony‹ wär von einer rothaarigen Frau in einem grünen Kleid getauft worden.«
»Hah?«
»Das sind exakt die zwei Farben, die der Klabautermann total überhaupt nicht mag, angeblich. Wenn du ein Schiff taufen möchtest, nimm bloß keine rothaarige Frau! Da wär womöglich sogar der Prinz Harry schon ein Problem, obwohl er ein Kerl ist. Einfach wegen der Haarfarbe.«
»Wieso, hat der schon mal ein Schiff getauft? Oder womöglich gar die Fergie?«
»Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber das bringt uns auch schon zu weit vom Thema ab. Tatsache ist, dass mit unserer ›Symphony‹ was nicht stimmen kann. Die Verbrechensrate ist extrem hoch hier an Bord.«
»Wie willst du das beurteilen - wenn doch die anderen Reedereien auch alle mauern, was das Zeug hält? Oder meinst du, bei denen muss man keine Schweigeklauseln unterschreiben?«
»Ist vielleicht mehr ein Bauchgefühl. Aber was soll's, unsereiner muss ja froh sein, wenn er was zu tun hat, nicht wahr?«
»Ja, klar. Geht mir auch so. Ist aber wirklich nicht viel los bisher.«
»Kommt schon noch«, meinte Jochen. »Kommt garantiert noch. Warum meinst du, dass unser Sandtner schon die ganze Zeit so nervös ist? Weil nichts Nennenswertes passiert, deswegen ist er nervös. Der wartet längst auf den Big Bang!«
Im Sichtschutz seiner Matratze hielt sich Adam den Zeigefinger an die Schläfe und drehte ihn leise hin und her. Die »Symphony« - ein Schiff mit Klabautermann? Und morgen Abend, fragte er sich, kommt dann die Geschichte vom Monsterkraken und von den untoten Seelen und von dem Piratenkapitän, der von seinen Leuten aus dem Jenseits zurückgeholt wird, indem sie einfach das Schiff zu einer magischen Stunde zum Kentern bringen? Und dann die Sirenen? Auf die freute er sich schon direkt...
Über dem Gedanken, dass ja wohl kein Geringerer als der alte Homer mit seiner Odyssee das Seemannsgarn erfunden hatte, schlief er ein.
Kapitel 3
Dann, ein paar Wochen später, also die Sache mit dem Litauer...
»Ist das wahr, dass du heute einen Toten gefunden hast, Adam?« Jochen Kornreder war der erste, der ihn das fragte, als sie sich zur Mittagspause in der Personalmesse trafen. So hieß die Betriebskantine in der Sprache der Nautik, wo offenbar alles anders bezeichnet wurde als an Land.
Die Messe bot Platz für ungefähr zweihundert Mann, was sich nicht nach besonders viel anhört in Anbetracht einer Besatzungsgröße von nahezu neunhundert Leuten, in der Praxis aber vollkommen ausreichte. Zum einen waren die Essenszeiten in feste Schichten eingeteilt, weil es ein Ding der Unmöglichkeit war, die gesamte Schiffsbesatzung auf einen Sitz vom Service oder gar von der Bordtechnik abzuziehen. Und zum anderen war diese Messe offenbar nur für die Servicekräfte bis hinauf zum Kapitän und seinen Offizieren. Für die Mechaniker, Ingenieure, Maschinisten, Bootsleute und so weiter, die tief im Bauch des Schiffes arbeiteten, war wohl irgendwo da unten eine separate Futterstelle eingerichtet. Jedenfalls hatte Adam bisher noch keinen Kerl im Blaumann hier heroben auf Deck drei gesichtet. Der Grund für die Trennung lag auf der Hand: Man wollte vermeiden, dass schneeweiße Stewardhosen oder Zimmermädchenuniformen sich in Ölflecken setzten, die die Blaumänner auf den Stühlen hinterlassen hatten. Die weißen Uniformen wurden praktisch täglich in die Wäscherei gegeben, jeder Weißträger besaß vier Garnituren. Aber nach jeder Mahlzeit Ölflecken auf der Hose - das würde selbst die Kapazitäten der Bordwäscherei gewiss überfordern.
Die war übrigens - wie das ganze Schiff - stark auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Kreuzfahrtschiffe hatten ja in dieser Hinsicht einen etwas schillernden Ruf, aber zumindest bei Joster und Colani bemühte man sich, etwas für den Umweltschutz zu tun. Kam bei den Aktionären wahrscheinlich besser an. Laut der Broschüre, die in jeder Kabine auslag und die Adam selbstverständlich längst aus einem Papierkorb gefischt hatte, um sich gründlichst über seine neue Wirkungsstätte und deren Philosophie zu informieren, wurden die riesigen Waschmaschinen mit heißem Wasser aus dem Maschinenraum versorgt, das wiederum über eine Art Wärmetauscher aus der Kühlflüssigkeit der hausgroßen Motoren erhitzt wurde. Abwärme produzierte darüber hinaus auch die Müllverbrennungsanlage, aus der wiederum speiste sich die Heizung für die Kabinen und öffentlichen Räume. Rund um Feuerland, bei der Passage der Magellanstraße, hatte man eine Zeit lang ordentlich heizen müssen, auch wenn das Wetter an sich schön war und auf der Südhalbkugel gerade Sommer herrschte. Außerdem galt es, den bei kalter Witterung überdachbaren Poolbereich angenehm zu temperieren.
»Stimmt, ja«, beantwortete Adam die Frage seines Zimmergenossen und neuen Freundes bezüglich der Leiche. »Das heißt, eigentlich nicht ich, sondern ein Kabinensteward - wie heißt er noch? Bayani?« Ein Filipino wie die meisten Zimmerreiniger. Die Bewohner der Philippinen waren ein Volk von Seefahrern. »Er hat mich dann geholt, weil ich auf dem Rundgang am nächsten dran war. Und ich hab den Doc geholt wegen der Todesursache. Wahrscheinlich ein Dosierfehler mit Marcumar, sagt er. Aber etwas war schon komisch...«
Täuschte er sich,