Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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ist von Hugo, die italienische Fassung von F. Piave, die Harmonien von Verdi, dem liebenswerten Schöpfer der Lombardi und des Nabucco. Seine letzten Noten berauschten gut vier Mal die Gemüter sogar der kleinlichsten Kritiker und der gestrengen Matronen.

      In den Foyers, auf den Straßen, in den Sälen, bei den fröhlichen Zusammenkünften sind die neuen Gesänge auf aller Lippen. Auf dem Triumphwagen hatte der Maestro den Dichter als Begleiter, den Dichter und die Sänger. Es gab Kränze, Blumen, Zurufe, Lorbeer für alle.

      Die Musik ist reich an süßen Melodien, an erlesenen Akkorden, an wundervoller Instrumentation. Das glänzendste Juwel des Diadems, die duftendste Blume im randvollen Korb ist ein Terzett im letzten Teil des Dramas.

      Sofia Loewe, Guasco, Superchi, Selva waren die Hauptdarsteller der neuen Oper. Die erste durch ihre erlesene Kunst, der zweite durch seltene Anmut, der dritte durch meisterhaften Gesang, der letzte, noch nicht vier Lustren[186] zählende junge Mann durch das Verdienst seines Gesanges – alle waren sie unserer Zuhörerschaft würdig.

      Musiker, Choristen, Bühnenmaler trugen das ihre zu der Aufführung bei.

      Die Fama verkündete mit klingenden Trompeten den Ruhm Verdis und wir armseligen und niedrigsten der Bläser können den Unwissenden in der Ferne nur unzulänglich über den neuen Triumph berichten.[187]

      Bei der nächsten Vorstellung geht die neue Oper ohne Schwierigkeiten über die Bühne.

      Gestern abend waren die Sänger passabel, und es war ein wahres Fest vom Anfang bis zum Ende, eine Begeisterung von der ersten bis zur letzten Nummer; zwanzig Hervorrufe, mehr als vierzig oder fünfzig zwischen den Akten. Nun hat sich bewahrheitet, was ich Ihnen schrieb.[188]

      Verdi kann zufrieden sein. Bis zum 24. März, dem Ende der Stagione, wird Ernani zehnmal aufgeführt, bei steigender Begeisterung des Publikums und, für Verdi zeitlebens ein Erfolgsindikator, steigenden Einnahmen.

      In Verhandlungen betreffs Aufführungen in Wien ist von Besetzungs- und Interpretationsfragen die Rede.[189] Zuvor wird Ernani im Mai am Teatro San Benedetto in Venedig nachgespielt, am 29. Mai ist Premiere am Teatro Argentina in Rom, und bereits am 30. Mai wird das von Gaetano Donizetti einstudierte Werk den Wienern im Kärntnertortheater vorgestellt. Bis November wird Ernani an rund zwanzig italienischen Opernhäusern, darunter die Mailänder Scala, gespielt. In Wien fügt Ignazio Marini die von Verdi auf seinen Wunsch für Oberto nachkomponierte Cabaletta „Infin che un brando vindice“ ein. Dasselbe tut er in einer Folgeaufführung im selben Jahr am Teatro alla Scala, wo der Text der Cabaletta im Libretto der Aufführung abgedruckt ist.

      Abb. 12 – Giuseppe Verdi. Photographie, ca. 1844.

      Eine weitere Ergänzung erfährt die Oper, als Verdi für eine Aufführung des Ernani zur Saisoneröffnung des Teatro Ducale in Parma am 26. Dezember 1844 für den russischen Startenor Nicola Ivanoff, einen Protegé Rossinis, eine Arie samt Cabaletta komponiert, die im 2. Akt eingefügt wird. Obwohl sie im musikalischen Ablauf einen Fremdkörper darstellt, ist sie, wie auch die (von Budden als „experimentell“[190] bezeichnete) Cabaletta von beträchtlichem Interesse. Verdi erhielt für seine Arbeit 1.500 österreichische Lire, die ihm der mit Ivanoff befreundete Rossini in Form eines Wechsels per Brief[191] zusendet.

      Irgendwie gelingt es dem berühmten Tenor Gaetano Fraschini[192], der nachkomponierten Arie habhaft zu werden. Er singt sie im Sommer 1846 unautorisiert in Sinigaglia (Senigallia) und wird daraufhin von Ivanoff, der die proprietà assoluta, also sämtliche Rechte daran von Verdi erworben hat, verklagt. Offiziell ist nicht bekannt, wie Fraschini in den Besitz der Arie gekommen ist, Muzio weiß es: Man hat sie in Parma für Fraschini kopiert.[193]

      Am 26. Dezember 1844 eröffnen elf Häuser die Karnevalsaison mit Ernani. Am 1. Jänner 1845 wird die Oper in Lissabon, kurz darauf in Madrid und London gespielt. Bei ihrer Pariser Aufführung am Théâtre Italien muß die Oper samt ihren Figuren wegen heftiger Proteste Victor Hugos, der sie als „plumpe Travestie“ seines Stücks bezeichnet, umbenannt werden: Zu Il proscritto wird der Titel, Ernani heißt Oldrado di Venezia, Don Carlo wird zu Andrea Gritti (eine historische Figur, die Doge von Venedig war), Don Ruy Gomez de Silva heißt einfach Zeno. In wenigen Jahren genießt Ernani internationale Reputation, von New York über Havanna bis Kopenhagen, Stockholm und St. Petersburg, auch wenn er bisweilen unter anderem Titel gespielt werden muß: Elvira d’Aragona oder Il corsaro di Venezia heißt dann das Werk.

      Auch diese Oper bekommt eine politische Dimension: Als 1846 Papst Pius IX. zum Nachfolger des reaktionären Gregor XVI. gewählt wird, ist dies Wasser auf die Mühlen der italienischen Patrioten. Verdis Ernani ist alsbald bei einer Amnestie politischer Gefangener im Spiel, die der neue Papst erläßt, wie Emanuele Muzio berichtet:

      Anläßlich des Amnestie-Erlasses spielte man in der Oper in Bologna das Finale [des 3. Aktes] Ernani, („O sommo Carlo!“) – dabei wurde der Name Carlo durch Pio ersetzt – worauf die Begeisterung so groß war, daß es dreimal wiederholt wurde. Als man zu den Worten „Perdono a tutti“ [Ich vergebe allen] kam, wurden von allen Seiten Hochrufe laut.[194]

      Auch in Aufführungen des Ernani in Ascoli Piceno – also in einer mittelitalienischen Kleinstadt und nicht an einem großen Theater in norditalienischen Städten wie Mailand, Turin oder Venedig – gab es ähnliche Zwischenrufe. Ein anderer Bericht besagt, daß 1848 das Publikum durch Zwischenrufe verhinderte, daß im 3. Akt des Ernani gesungen wurde: „A Carlo Magno sia gloria ed onor“, da man den Habsburger Karl V. mit den Deutschen und somit mit der verhaßten österreichischen Besatzungsmacht identifizierte.

      III

      I due Foscari – Francesco Maria Piave – Emanuele Muzio – Marianna Barbieri Nini – Achille De Bassini – Giacomo Roppa – Mario – Giovanna d’Arco – Antonio Poggi – Filippo Colini – Alzira – Salvadore Cammarano – Eugenia Tadolini – Gaetano Fraschini – Filippo Coletti

      I due Foscari

      N

      ach der erfolgreichen Ernani-Produktion kehrt Verdi nach Mailand zurück. Wie zur Bestätigung seiner Position als Komponist der Zukunft, als Nachfolger des noch aktiven Donizetti, beginnt die Crème de la crème der Mailänder High-Society ihn zu hofieren. Doch Verdi ist nicht zum Salonlöwen geschaffen. Ihn interessieren in diesem Stadium seiner Karriere nur die Arbeit und der Erfolg. Er setzt sich mit den zahlreich einlangenden Angeboten auseinander, sucht und prüft in Betracht kommende Stoffe, und beginnt eine ausführliche Korrespondenz mit Opernhäusern, Impresari und Librettisten. Dabei erkennt er, daß die sich vor ihm auftürmende Menge von Geschäftskontakten organisiert werden muß, und legt im März 1844 die sogenannten Copialettere an, jene Sammlung von Briefentwürfen und Aufzeichnungen verschiedenster Art, die 1913 in einer kommentierten Ausgabe veröffentlicht werden wird und für die Verdi-Forschung unendlich wertvoll ist. Im Anhang der Copialettere findet sich eine Aufstellung von Argomenti d’opera[195], von Opernstoffen, die Verdi für die Komposition geeignet scheinen. Unter ihnen finden sich neben anderen Werken Shakespeares King Lear, Hamlet und The Tempest, Byrons Cain. A Mystery, Hugos Le Roi s’amuse, Marion Delorme und Ruy Blas, Grillparzers Die Ahnfrau, Dumas’ Kean, Racines Phèdre sowie Attala[196]. Einige davon werden verwirklicht, einige bleiben im Planungsstadium stecken, einige werden nie in Angriff genommen.

      Zuerst

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