Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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verurteilt wurde. Quasi als Wiedergutmachung für die Verurteilung des Vaters durfte der kleine Temistocle in Wien unentgeltlich ein k.u.k. Kollegium besuchen, aus dem er 1826 – als Zehnjähriger! – floh. Er verkaufte seine Uniform, schloß sich einer Gruppe fahrender Zigeuner[148] an, für die er Pantomimen schrieb (in denen er auch selbst auftrat) und mit denen er durch Österreich und Ungarn zog, wurde von der Polizei gefangengenommen und nach Wien zurückgebracht. Wieder nach Italien zurückgekehrt, schloß er seine Schulausbildung in Mailand ab. Sein Vater wurde 1827 begnadigt.

      Abb. 7 – Der Librettist Temistocle Solera (1816-1878)

      1837 gibt er eine erste Verssammlung (I miei primi canti) heraus, der 1838 eine zweite (Lettere giocose) folgt. Bartolomeo Merelli nimmt von diesen Versuchen Notiz und vertraut dem Jungliteraten die Überarbeitung des nicht recht geglückten Librettos von Oberto Conte di San Bonifacio aus der Feder des Journalisten Antonio Piazza an.

      In den nächsten fünf Jahren wird Solera nicht nur Verdis Librettist für Nabucco, I lombardi alla prima crociata, Giovanna d’Arco und Attila, sondern komponiert auch selbst Opern auf eigene Libretti, die – allerdings mit geringem Echo – sogar an der Scala aufgeführt wurden: Es sind dies La melodia (1839), Ildegonda (1840), Il contadino d’Agliate (1841). Mitten in der Arbeit am Attila-Libretto, das von Francesco Maria Piave fertiggestellt werden muß, überkommt ihn unvermittelt der Wunsch, nach Spanien zu reisen, wo er als Opernimpresario und, neben zahlreichen anderen Tätigkeiten, als Geheimberater der Königin Isabella (und wahrscheinlich als deren Liebhaber) aktiv wird. Nach seiner (aus unbekannten Gründen) überstürzten Rückkehr nach Mailand 1856 schreibt er Libretti für zweitrangige Komponisten.

      Ab 1859 betätigt er sich als Geheimkurier zwischen Cavour und Napoleon III., um den Kontakt der italienischen Irredentisten[149] mit den französischen Behörden aufrechtzuerhalten, später als Sicherheitsbeauftragter des Innenministeriums gegen das Räuberunwesen in Italien. Er wird Polizeichef in Florenz, damals Hauptstadt des Königreiches Italien, und in verschiedenen anderen italienischen Städten, auch versucht er sich als Antiquitätenhändler in Florenz, wobei er allerdings von der mit Verdi befreundeten Gräfin Clara Maffei[150] und von Verdi selbst (anonym) finanziell unterstützt werden muß. Seine Wohnorte wechseln zwischen Potenza, Florenz, Bologna und Venedig. Er wird vom Khediven von Ägypten zur Reorganisation der ägyptischen Polizei angeworben, kehrt nach getaner Arbeit nach Europa zurück und läßt sich wieder als Antiquitätenhändler nieder, zuerst in Paris, dann in Florenz und schließlich in Mailand, wo er 1878 – dem Stil seines schillernden Bohémien-Daseins gerecht werdend – in völliger Verarmung, aber keineswegs in Vergessenheit stirbt. In allen wichtigen Zeitungen erscheinen umfangreiche Nachrufe, am Begräbnis nehmen „zahlreiche Literaten und Künstler und nicht wenige Sänger und Musiker usw.“ teil. Verdi erinnert sich auch in hohem Alter noch gerne an ihn und spricht von ihm als dem „kraftvollsten meiner Opernlibrettisten“.

      Solera hat für das Nabucco-Libretto die Geschichte des Nebukadnezar einer unergiebigen Quelle (Altes Testament, 2. Könige 24, 25) entnommen und die übrigen Bühnenfiguren dazu frei erfunden. Dies wurde zumindest angenommen: Als Nabucco in Paris zum ersten Mal aufgeführt wird, melden sich Auguste Anicet-Bourgeois und Francis Cornue, die Autoren eines erfolgreichen Theaterstücks mit dem Titel Nabuchodonosor, das 1836 am Pariser Théâtre l’Ambigu-Comique gespielt worden war, und reklamieren, daß Teile des Opernlibrettos ihrem Stück entnommen worden waren. Der Vorwurf besteht zu Recht und Verdis Verleger Ricordi zahlt zähneknirschend 1.000 Francs an Tantiemen aus. Außerdem hat sich Solera auch von Antonio Cortesis Nabucodonosor-Ballett (Teatro alla Scala 1838) inspirieren lassen.

      In die vorliegende definitive Form hat Solera das Libretto aber doch primär aus eigener Phantasie und nur zu ganz geringem Teil unter Verdis Einflußnahme gebracht: Das französische, formal sehr konventionelle Theaterstück war noch in routinierter Scribe-Manier verfaßt und hat mit dem Solera-Text nicht viel gemein. Unter den gegebenen Umständen kann Verdi Solera seinen Gestaltungswillen noch nicht so tyrannisch aufzwingen wie später seinem Freund Francesco Maria Piave. Immerhin bewirkt er Änderungen wie z.B. den Austausch eines bereits komponierten Liebesduetts zwischen Fenena und Ismaele, das ihn selbst nicht überzeugt, gegen die berühmte Prophezeiung des Zaccaria.

      V

      erdi ist mit dem Nabucco über Nacht zur gefeierten Komponistenzelebrität geworden. Er beginnt, im kultivierten literarischen Salon der Gräfin Maffei zu verkehren, die ihm eine Freundin auf Lebenszeit werden soll, ebenso in jenem der Gräfin Giuseppina Appiani[151], und wird trotz seiner noch harschen Umgangsformen rasch von der im Musikmilieu tonangebenden Mailänder Aristokratie akzeptiert. Die vielzitierten anni di galera[152], die von Verdi so bezeichneten Jahre seiner Karriere bis 1858, in denen er wie ein Galeerensträfling bis zum Umfallen arbeitete[153], konnten beginnen.

      Abb. 8 – Gräfin Clara Maffei (1814-1886). Photographie von Alphonse Bernoud.

      I lombardi alla prima crociata

      N

      ach dem in diesem Ausmaß unerwarteten Uraufführungserfolg des Nabucco läßt sich Merelli unverzüglich zu einer Geste hinreißen, die man bei einem als hartgesotten und skrupellos beschriebenen Geschäftsmann nicht erwarten würde:

      Nach dem Nabucco habe ich stets so viele Anfragen bekommen, wie ich nur wollte; bei seiner zweiten Aufführung kam Merelli während des Balletts in die Garderobe der Peppina [Strepponi] mit einem von ihm bereits unterschriebenen Vertrag, in welchem nur noch die Höhe der Gage fehlte, die ich selbst einsetzte. Die Oper war I lombardi.[154]

      Zum ersten Mal nimmt Verdi Zuflucht zu Giuseppina Strepponis diplomatischem Geschick: Der in Honorarfragen bislang wenig erfahrene Maestro bittet sie um ihr Urteil, welches Honorar ihr auf dem Blankovertrag passend erscheine. Giuseppina berät ihn gut, indem sie ihm empfiehlt, nicht mehr als den (beträchtlichen) Betrag zu fordern, den Bellini elf Jahre zuvor für seine Norma verlangt und erhalten hat: achttausend österreichische Lire.

      Wieder wird Solera als Librettist verpflichtet. Die Stoffwahl fällt auf I lombardi alla prima crociata von Tommaso Grossi (1790-1853), ein Versepos, das 1826 in Mailand veröffentlicht wurde. Grossi hatte als Vorlage Gerusalemme Liberata des Torquato Tasso herangezogen, wobei er sich an dem Text nicht nur inspirierte, sondern ihn passagenweise sogar übernahm. Die Handlung spielt zur Zeit der Eroberung (= Befreiung) Jerusalems, also 1099, und schildert die Abenteuer und Wirrnisse einer lombardischen Familie auf dem ersten Kreuzzug. Nach langwierigem Tauziehen zwischen dem Mailänder Erzbischof Gaisruck, der die Aufführung verbieten lassen will, weil es ihm als Sakrileg erscheint, das Sakrament der Taufe auf der Bühne darzustellen, dem Polizeichef Torresani und dem unnachgiebigen Komponisten wird ein Kompromiß gefunden, der allen Beteiligten einen Gesichtsverlust erspart („Ave Maria“ wird auf „Salve Maria“ abgeändert), und die Premiere kann am 11. Februar 1843 in der Mailänder Scala stattfinden.

      Für die Uraufführung der Lombardi verfügt Verdi über hervorragende Künstler: die Sopranistin Erminia Frezzolini-Poggi (Giselda), den Tenor Carlo Guasco (Oronte) und den Bassisten Prosper Dérivis (Pagano).

      D

      er Tenor Carlo Guasco (Solero 1813-1876) wurde aufgrund seines Talents für Mathematik ursprünglich zum Ingenieur ausgebildet. Obwohl er schon als Kind große musikalische Begabung gezeigt hatte und verschiedene Instrumente spielte, wurde seine Stimme erst relativ spät entdeckt und bei dem Komponisten, Dirigenten und Gesangslehrer

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