Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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Wien 1844 unter dem Titel Die Heimkehr des Verbannten aufgeführt). Wie Verdi verlangt er von Merelli die Auflösung seines Vertrages. Seinem Wunsch wird entsprochen und er geht nach Wien. Dort hört er zähneknirschend vom Erfolg des Nabucco. Zu seinen italienischen Kollegen und zu Verdi fällt ihm nichts besseres ein als:

      Wie sehr ist aber auch Italien in den letzten fünf Jahren gesunken?! Donizetti lebt fast immer in Paris oder Wien, in welch letzterer Stadt er jetzt als k.k. Kammerkapellmeister und Hofkompositeur mit 4000 fl. Gehalt auf Lebenszeit engagiert ist – und thut nichts mehr für Italien. Rossini ist ganz verstummt. Wer jetzt in Italien Opern schreibt ist Verdi. Er hat auch den von mir verworfenen Operntext Nabucodonosor komponiert und damit großes Glück gemacht. Seine Opern sind aber wahrhaft scheußlich und bringen Italien völlig ganz herunter. – Ich denke unter diese Leistungen kann Italien nicht mehr sinken – und jetzt möchte ich dort keine Opern schreiben.[122]

      Über Verdi soll Otto Nicolai auch geäußert haben: „Seine Instrumentation ist die eines Wahnsinnigen – seine Technik ist nicht einmal professionell – und er muß das Feingefühl eines Esels haben. In meinen Augen ist er ein miserabler, verabscheuenswürdiger Musiker.“[123] Diese immer wieder durch die Literatur geisternde Äußerung, die, liest man Nicolais Tagebücher und Briefe, durchaus glaubhaft ist, hat nur einen Fehler: Sie ist nicht belegbar. Was sich jedenfalls wie bösartige Kritikerinkompetenz liest, ist der Ärger über den Erfolg der Oper des fast gleichaltrigen Kollegen. Es scheint aber weniger Erfolgsneid zu sein als vielmehr die Einsicht über die Beschränktheit der eigenen musikdramatischen Mittel:

      Das für Mailand bestimmte neue Buch von Temistocle Solera „Nabuco“ war durchaus unmöglich in Musik zu setzen – ich mußte es refüsieren, überzeugt, daß ein einziges Wüten, Blutvergießen, Schimpfen, Schlagen und Morden kein Sujet für mich sei. – Der Nabuco taugte nicht. Der Proscritto taugte nicht.[124]

      Seinen einzigen bleibenden Erfolg kann Nicolai erst wenige Monate vor seinem frühen Tod mit Die lustigen Weiber von Windsor (Berlin 1849) erzielen. Diese nette, musikalisch biedere Vertonung des Shakespeare-Stoffes ist – Ironie des Schicksals – nach demselben Stoff komponiert, aus dem Verdi, jener „miserable und verabscheuenswürdige Musiker“, zum Abschluß seiner unvergleichlichen Karriere 1893 den Falstaff formen wird.

      Über die Aufführungspraxis an italienischen Opernhäusern weiß Nicolai im März 1834 Interessantes zu berichten:

      Empörend, niederträchtig finde ich die Art, wie das italienische Publikum seine Opern anhört! Sie unterhalten sich dabei; die Logen werden immer von einer Gesellschaft zusammen genommen, so daß man nie einzelne Billetts zu Logen bekommt, und die Familie, die nun eine Loge für den Abend genommen hat, betrachtet diese wie ein Zimmer, nimmt Visiten darin an usw. und hört nur dann und wann en passant ein bischen Musik an. Nun kann ich begreifen, warum der Rossini es über sich gewinnen kann, diesen Säuen etwas anders als nur Perlen vorzuwerfen! Es ist ein Spektakel in der Oper, daß man nur mit Mühe die Musik hören kann. Das ist Stil in ganz Italien! – Hier in Rom aber etwas weniger! – An diesem Abend nun also hörte ich eine Signora Manzocchi als Anna Bolena, welche ganz vortrefflich sang! überhaupt italienische Gesangschule! ist etwas Göttliches! und dies der einzige Zweig in der Musik, worin dies faule Volk etwas leistet! [...]

      Das Orchester spielt ohne Direktor, nur der Vorgeiger gibt zuweilen den Takt an; das geschieht aber in den meisten Theatern auf eine wahrhaft empörende Weise; denn so ein Tölpel von Vorgeiger stampft alsdann mit den Füßen aufs lauteste den Boden, sodaß man den Taktschlag desselben wie bei uns die große Pauke vernimmt! Er ist gewöhnlich lauter als die ganze übrige Musik. [...] Der Souffleur sitzt in der Regel ohne Kasten mit der Mütze auf dem Kopfe in seinem Loche und schreit lauter als die Sänger, wobei auch er den Takt schlägt, sich aus seinem Loche so weit als möglich heraushebt und den Sängern auf so auffallende Weise als möglich die Worte zuruft. – Am liebsten würde er gleich aus seinem Loche herausspringen und die Hauptrolle selbst agieren. [...] Kurz alles ist empörend! was äußere Einrichtung anbetrifft. – Die Sänger aber singen herrlich! Welche Stimmen! welche Fertigkeit! welche Schule! Die Italiener werden schon als Sänger geboren! In den Kaffeehäusen hört man von herumvagabondierenden mauvais sujets Rossinische Arien viel geläufiger singen, als unsere Sänger es möglich machen können. [...]

      Das Theater dauert daher 4 bis 5 Stunden, fängt um 8 an und schließt nach Mitternacht. Oft führt man einen Akt aus der Oper auf und einen aus einer anderen und macht so ein Mischmasch aus allem zusammen: denn dem Italiener liegt ja nicht daran, einen Eindruck mit nach Hause zu nehmen; er will nur Töne hören, Menschen sich bewegen und Kulisen sehen, die Zeit totschlagen und sich unterhalten. Das ist der Zustand des Theaters.[125]

      Bevor der im Frühherbst 1841 fertiggestellte Nabucodonosor, wie die Oper damals noch heißt (die Abkürzung zu Nabucco kommt erst 1844 anläßlich einer Aufführung in Korfù zustande), uraufgeführt werden kann, gilt es noch einige Schwierigkeiten zu überwinden, denn Merelli will die Oper vorderhand zurückstellen. Er kann sich nicht zu einer Uraufführung in der Karnevals-Stagione 1842 entschließen. Von seinem Standpunkt aus ist dies verständlich, weil er bereits drei andere neue Opern von erfolgreichen Komponisten im Programm hat. Eine weitere Neuheit eines bereits einmal durchgefallenen Komponisten scheint ihm ein unnötiges Risiko zu sein. Als Verdis neue Oper im Dezember nicht auf dem Spielplan der Scala aufscheint, stellt der jugendlich-hitzköpfige Verdi Merelli ein Ultimatum: Nabucco entweder in der Karnevals-Stagione oder gar nicht.

      Und dann beschloß er [Verdi], Merelli einen etwas scharfen Brief zu schreiben. Merellis ist darob erbost und zeigt den Brief Pasetti[126] mit den Worten: „Schau Dir nur an, wie Verdi das mißverstanden hat, aber das ist gar nicht meine Absicht[127]: Ich habe es nur getan, weil ich am Ende des Karnevals einen anderen Spielplan aushängen wollte, auf dem ich seine Oper angekündigt und so den Abonnenten einen Gefallen getan hätte; sag jedoch Verdi, er solle der Strepponi ihre Rolle zeigen, und wenn sie sie singen will, dann werde ich sie ihr gern geben.“

      Pasetti läßt Verdi rufen, und beide gehen zur Strepponi. Sie berichten über das Vorgefallene; sie ist gern bereit, die Oper zu singen und fügt hinzu: „Kommt morgen um halb zwei, damit ich mir die Rolle durchsehen kann.“ Tags darauf, am 23. Oktober 1841, gehen Verdi und Pasetti zur vereinbarten Zeit zur Strepponi; sie geht die Partie mit Verdi am Klavier durch und sagt dann zu ihm: „Diese Musik gefällt mir sehr, ich will sie als mein Debut[128] singen“ und fügt ohne zu zögern hinzu: „Gehen wir zu Ronconi.“ Sie steigen in Pasettis Wagen, der vor der Tür wartet, und fahren zu Ronconi. Die Strepponi weist ihn auf die Schönheiten der Oper hin, und Verdi erzählt ihm die Handlung. Nachdem sich Ronconi alles angehört hat, antwortet er: „Gut, heute abend werde ich mit dem Impresario reden und ihm sagen, daß ich nicht in Ninis[129] Oper auftreten will, sondern daß ich die Eure singen will.“[130]

      Gemeinsam überreden die Strepponi und Ronconi, der der glänzende Interpret der Titelrolle sein wird, Merelli dazu, sich zur Uraufführung des Nabucco unter Einschränkungen durchzuringen. Es soll keine neue Inszenierung geschaffen werden, man greift vielmehr auf Bühnenbilder und Kostüme eines Nabucodonosor-Balletts von Antonio Cortesi aus dem Jahre 1838 zurück. Diese Notlösung erweist sich aber nach Verdis eigenen Worten als mehr als zufriedenstellend. Ohne Merellis Verdienste schmälern zu wollen: Die Überzeugungskraft der Strepponi kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Verdi scheint es ihr vorerst nicht zu danken. Aus einem Brief Donizettis an seinen Schwager erfahren wir, daß er die Strepponi nach einigen Proben – wohl wegen ihrer überforderungsbedingten Stimmprobleme – nicht mehr in der Besetzung des Nabucco haben will:

      Nun zur Strepponi. Sag ihm, daß diese Sängerin hier im Belisario derart Furore gemacht hat, daß sie die einzige ist, die nie Applaus bekommen hat, daß ihr Verdi[131] sie nicht in seiner Oper haben wollte, daß die Impresa ihn jedoch dazu gezwungen hat.[132]

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