Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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titulieren ließ, hielt sich bei seinen Unternehmungen gerne an bereits etablierte Komponisten und populäre Interpreten: Diese „gehörten“ dem Impresario geradezu, waren ihm in vieler Hinsicht ausgeliefert und wurden an andere Impresari verliehen, wobei die Machtposition des Impresario dazu führte, daß er in Fragen der Besetzungs- und Auftragspolitik konsultiert wurde. Gerade bei Verdi zeigte Merelli eine glückliche Hand, denn der große Erfolg von Nabucco und Lombardi wäre ohne Merellis Vertrauensvorschuß dem unbeschriebenen Blatt Verdi gegenüber nicht möglich gewesen. Dieser äußerte sich jedoch bald polemisch über Merelli, was zu jener Zeit vorwiegend auf die vermutete intime Beziehung zwischen dem Impresario und Giuseppina Strepponi zurückgeführt wurde.

      Den hohen Ausgaben, die Merelli in seinen Budgets für Komponisten und Interpreten vorsah, stand ein ausgeprägter Sparkurs bei den Ausgaben für Orchester und Inszenierungen gegenüber, was ihm immer wieder Kritik[113] eintrug. Es sollte nicht lange dauern, bis es aus diesem Grund zum Bruch Verdis mit Merelli kam, was dazu führte, daß Verdi die Scala ein Vierteljahrhundert lang nicht mehr betrat. Nachdem Merelli, wie andere Impresari, in der Zeit der Revolutionen und Kriege 1848-49 große Verluste erlitten hatte, übernahm er von 1853 bis 1859 nochmals die Leitung der Spielzeiten am Kärntnertortheater. Er wurde verdächtigt, für Österreich zu spionieren, was aber niemals bewiesen wurde. Er war mit Sicherheit österreichfreundlich, eine für die Welt der Oper vor 1848 typische Haltung: man gab sich apolitisch und regierungsfreundlich, um ungehindert seinen Geschäften nachgehen zu können.

      1859 leitete er eine Stagione am Teatro Regio in Turin, 1861 kehrte er als Direktor an die Scala zurück, wo er allerdings binnen zwei Jahren in ein finanzielles Debakel schlitterte und den Großteil seines Vermögens verlor. Sein Ruf in der Branche war alles andere als gut: Als die Verlegerin Giovannina Lucca dem Komponisten De Giosa[114] vorschlug, er solle eine Oper für Merelli komponieren, antwortete dieser: „Ich hoffe, mit diesem Impresario nie etwas zu tun zu haben, ich weiß, was für eine Sorte Mensch er ist, ich möchte lieber in Armut verfaulen, als in seine Fänge zu geraten.“[115] Merelli beendete nach diesem Finanzdebakel seine Karriere und zog sich in der Nähe von Bergamo ins Privatleben zurück. Von dort nahm er noch am Rande am Musikleben der Donizetti-Stadt Bergamo teil und wurde in eine beratende Kommission der örtlichen Musikschule berufen. Er veröffentlichte seine Memoiren anonym unter dem Titel Cenni biografici di Donizetti e Mayr raccolti dalle memorie di un vecchio ottuagenario dilettante di musica (Biographische Notizen zu Donizetti und Mayr nach den Erinnerungen eines alten achtzigjährigen Musikdilettanten[116]) (Bergamo 1875), dem Anschein nach den frühen Jahren Donizettis und seinem Lehrer Simone Mayr gewidmet, zum Teil aber die Glorifizierung der eigenen „gigantischen Theaterunternehmungen, mit denen zahlreiche wichtige und für die Musikkunst Italiens glorreiche Ereignisse verbunden waren“.[117] Sein ältester Sohn Eugenio (1825-1882) versuchte sich nach dem Vorbild seines Vaters als Impresario und richtete Opernspielzeiten in Wien (1864) und St. Petersburg (1868) aus. Sein zweiter Sohn Luigi (1828-1879), ein Rechtsanwalt, verübte, zusammen mit seiner einunddreißigjährigen Tochter Cristina, wenige Tage nach dem Tod seines Vaters in Mailand unter merkwürdigen Umständen Selbstmord.

      In die Musikgeschichte eingegangen ist Merelli wegen des Vertrauens, das er in Verdi setzte und das zur Komposition des Nabucco führen sollte, ein Umstand, auf den er zeitlebens stolz war.

      II

      Nabucco – Otto Nicolai – Giorgio Ronconi – Prosper Dérivis – GIUSEPPINA STREPPONI – CORRADO MIRAGLIA – Verdi, ein politischer Komponist? – Temistocle Solera – I Lombardi alla prima crociata – Carlo Guasco – Erminia Frezzolini –– Ernani – Sofia Loewe

      D

      ie – in Italien vorwiegend auf Oper konzentrierten – Musikkonsumenten von 1841 erwarten vom Musikbetrieb nicht beständige Wiederholungen von seit Generationen allgemein anerkannten Meisterwerken, wie dies heute der Fall ist, sondern Neuheiten. Sie ähneln darin dem heutigen Publikum der Pop- und Rockszene, das schnellebige Produkte konsumiert und bis auf wenige Ausnahmen rasch wieder vergißt. Auch wird Oper primär als Unterhaltungstheater und nicht als Bildungs- oder Erbauungstheater erlebt.

      Die Welt der Lieferanten italienischer Opernneuheiten und deren Ästhetik befindet sich 1841 im Umbruch – ein Generationenwechsel ist im Gange: Bellini ist 1835 gestorben, Rossini lebt in Paris und komponiert seit Guillaume Tell (1829) keine Opern mehr, allein Donizetti, der nur mehr sieben Jahre zu leben hat, ist noch aktiv: Er wird 1842 in Wien Beifallsstürme für seine Linda di Chamounix einheimsen und mit Ehrungen und Titeln überhäuft werden. Verdis Kollegen Pacini, Mercadante und Ricci erfreuen sich zwar großer Popularität, doch wird die Wirkung ihrer Werke nicht so nachhaltig sein wie die Verdis, der sich mit dem Nabucco als führender italienischer Opernkomponist etablieren und diese Position unangefochten bis zum Ende seines Jahrhunderts, ja bis heute innehaben wird.

      Nabucco

      Z

      u abgenützt ist die von Verdi 1879 Ricordi erzählte Anekdote, wie der Impresario Merelli dem nach dem Verlust seiner Familie und nach dem Desaster von Un giorno di regno schwer depressiven, kompositionsunwilligen Komponisten im Winter 1840-41 in Mailand den Nabucco-Text aufnötigt und wie dieser zu Hause mürrisch das Libretto hinwirft, das sich wie durch eine Schicksalsfügung auf dem Gefangenenchor („Va, pensiero, sull’ali dorate“) öffnet, er nach einem Blick auf diesen Chor in einer einzigen Nacht das ganze Libretto auswendig lernt und sich sofort in die Komposition stürzt, als daß sie hier ausführlich wiedergegeben werden müßte.

      Ganz anders und wesentlich realitätsnäher klingt die Version, die Verdi 1869 – also zehn Jahre vor dem Autobiographischen Bericht – Michele Lessona erzählt, der sie in seinem Buch Volere è potere (Wo ein Wille ist, dort ist auch ein Weg) veröffentlicht:

      Der junge Maestro ging mit seinem Drama [das ihm Merelli aufgedrängt hatte] nach Hause, warf das Libretto in eine Ecke, ohne es eines Blickes zu würdigen und fuhr die nächsten fünf Monate fort, Groschenromane[118] zu lesen.

      Eines schönen Tages, gegen Ende Mai [1841], kam ihm das vermaledeite Drama wieder in die Hände: Er überflog die letzte Szene, die Todesszene der Abigaille (die später gestrichen wurde), setzte sich fast mechanisch ans Klavier, das so lange stumm geblieben war, und komponierte die Szene.

      Das Eis war gebrochen.

      Wie jemand, der aus einem schwülen, dunklen Gefängnis kommt und wieder die reine Luft der Felder atmet, befand sich Verdi plötzlich wieder in seinem Element. Innerhalb von drei Monaten war Nabucco fertig komponiert und in jeder Hinsicht so, wie wir ihn heute kennen.[119]

      Verdi selbst bestätigt diese Version seinem Freund Arrivabene gegenüber, als Lessonas Buch erscheint: „Eccoti la storia mia vera vera vera“ [„Hier hast Du die hundertprozentig wahre Geschichte meines Lebens“][120], auch wenn das Klavier nicht „so lange stumm geblieben“ sein kann, wie Verdi erzählt, hatte er doch in der Zwischenzeit für Oberto etliche Nummern nachkomponiert und die Hauptrolle für einen Bariton adaptiert.

      D

      as Nabucco-Libretto von Temistocle Solera ist kein für Verdi oder in dessen Auftrag geschriebener Operntext. Merelli hat es zuerst dem Preußen Otto Nicolai (Königsberg 1810 – Berlin 1849) angeboten, der sich mit seiner italienischen Erfolgsoper Il templario[121] (nach Walter Scotts Roman Ivanhoe; Turin 1840) neben den Erfolgskomponisten des Tages behaupten konnte. Nicolai lehnt es ab, den Nabucco zu vertonen und entscheidet sich für Il proscritto, der ursprünglich Verdi angeboten worden war und den dieser nicht komponierte. Diese Oper

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