Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer
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A
ntonietta Rainieri-Marini (1815-?) debutierte 1835 in Parma als Giulietta in I Capuleti e i Montecchi, trat 1839 in Rom in derselben Partie auf und war schon im selben Jahr mit Hauptrollen in Turin am Teatro Regio und am Teatro alla Scala in Mailand zu hören. Sie sang die Matilde in Rossinis Guglielmo Tell, die Isabella in L’italiana in Algeri, die Lucia di Lammermoor, die Emilia in Mercadantes La vestale sowie etliche Uraufführungen: 1839 Donizettis Gianni di Parigi und Giacomo Panizzas I ciarlatani, 1840 Otto Nicolais Il Templario und Odoardo e Gildippe sowie Alessandro Ninis Cristina di Svezia. 1840 nahm sie in Mailand als Marchesa del Poggio an der Uraufführung von Verdis Un giorno di regno teil. Sie gastierte in ganz Italien sowie am Kärntnertortheater in Wien (in Mercadantes La vestale und als Pacinis Saffo) und in Barcelona. 1841 sang sie in Neapel in der Uraufführung von Mercadantes Il proscritto. Sie hatte darüber hinaus Opern von Pacini und Bellini ebenso wie von heute wenig bekannten Komponisten im Repertoire und scheint bald ins Mezzosopranfach gewechselt sein. Sie dürfte ihre Karriere bereits 1847 beendet haben. Sie war verheiratet mit dem Bassisten Ignazio Marini, mit dem sie oft auftrat.
Betrachtet man die an ihre stimmlichen Mittel angepaßte Tessitura ihrer Rolle im Oberto, so war sie anscheinend ein „kurzer“ (das heißt: in der Höhe eingeschränkter) Sopran oder ein lyrischer Mezzosopran. Der höchste Ton der Leonora ist ein a², weshalb Verdi sie in seinen Erinnerungen auch als Mezzosopran bezeichnet, obwohl die Leonora als Sopran ausgewiesen ist.
Man bemerkt, daß der oben zitierte Oberto-Rezensent offenbar über die Intonationssicherheit dieser Sängerin mit sich selbst nicht im reinen war: Während er zuerst befand, daß die Sängerin „vortrefflich sang“ und nur die Kollegen „mit Ausnahme der Marini im Falschsingen zu wetteifern“ schienen, urteilte er nur wenige Zeilen später, daß sie „Blindekuh zu spielen“ und „glücklich zu sein“ schien, „wenn sie die Töne traf“. Man sieht, daß Kritiken schon damals Anlaß zu Ärger geben konnten, wie Presseberichte im allgemeinen: Eine andere Zeitung behauptete Jahre später, Oberto sei nur gegen Bezahlung aufgeführt worden. Dazu der Komponist lapidar: „Was mich betrifft, so ist nichts Wahres an dem, was Il Monitore schreibt. Ich habe nie und niemand hat je einen Groschen ausgegeben, um meine Opern aufzuführen.“[99]
I
n der Karnevalssaison 1840 wird Oberto in Turin aufgeführt, wahrscheinlich auf Betreiben der Rainieri-Marini, der die Leonora besonders gut liegt. Die Cuniza wird hier von Luigia Abbadia (Genua 1821 – Rom 1896) gesungen, einer Mezzosopranistin, die eine Kavatine für sich beansprucht, die, wie das Libretto zeigt, tatsächlich hinzugefügt wird. Allerdings stammt die Musik dazu nicht von Verdi, sondern von Saverio Mercadante. Er wiederum hat sie für eine andere Sängerin anstelle einer Romanze in seiner Oper Elena da Feltre komponiert. Der der Situation angepaßte neue Text wird der Musik (Andante und Cabaletta) einfach untergelegt. Die Sängerin debutierte 1836, wurde von Merelli unter Vertrag genommen und unternahm hierauf ausgedehnte Auslandstournéen. Donizetti schrieb für sie die Mezzo-Partie in Maria Padilla (1841). Sie trat hauptsächlich in Opern von Mercadante, Pacini, Rossini, Donizetti und Verdi, hier vereinzelt auch als Sopran (Nabucco, Attila, Ernani) auf. Ab 1870 war sie als gesuchte Gesangslehrerin in Mailand tätig.
Der Oberto wird auch in Genua, Neapel, Barcelona und Malta nachgespielt, hält sich aber nicht im Repertoire.
Un giorno di regno
A
n seinen nächsten Karriereschritt erinnert sich Verdi in seinem Autobiographischen Bericht wie folgt:
Merelli machte mir dann [nach dem Erfolg des Oberto] ein für jene Zeit glänzendes Angebot: nämlich einen Vertrag für drei Opern, die im Abstand von acht Monaten zu schreiben waren und an der Scala oder am [Kärnthnerthor-]Theater in Wien, wo er ebenfalls Impresario war, aufgeführt werden sollten: dafür wollte er mir 4000 österreichische Lire pro Oper bezahlen und dann den Erlös aus dem Verkauf der Partituren zur Hälfte mit mir teilen. Ich nahm den Vertrag sofort an und kurz darauf reiste Merelli nach Wien ab; er beauftragte den Dichter Rossi damit, mir das Libretto zu liefern, und das war der Proscritto: ich war aber damit nicht gänzlich zufrieden und hatte auch noch nicht mit der Komposition begonnen, als Merelli Anfang 1840 nach Mailand zurückkam und mir sagte, daß er für den Herbst unbedingt eine komische Oper benötige, und zwar aus besonderen Repertoiregründen: er würde mir sofort ein Libretto suchen und danach würde ich den Proscritto in Musik setzen. Ich lehnte die Einladung nicht ab und Merelli gab mir verschiedene Libretti von Romani[100] zu lesen, die wegen Mißerfolgen oder aus anderen Gründen in Vergessenheit geraten waren. Ich las sie wieder und wieder, keines gefiel mir, aber da man mich so drängte, wählte ich jenes Libretto aus, das mir am wenigsten mißfiel, und das war Il finto Stanislao, der dann auf Un giorno di Regno umgetauft wurde.[101]
Am 18. Juni 1840 stirbt Verdis Gattin Margherita Barezzi[102] an Enzephalitis. Verdi kehrt mit seinem Schwiegervater nach Busseto zurück und verlangt in seinem Schmerz von Merelli die Auflösung des Vertrages, doch dieser lehnt das Ansinnen ab. Nach zwei Monaten kehrt Verdi nach Mailand zurück:
In diesem furchtbaren Kummer mußte ich, um die eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, eine komische Oper schreiben und fertigstellen!!... Un giorno di Regno gefiel nicht: sicher war die Musik zum Teil daran schuld, zum Teil aber war es die Aufführung.[103]
Verdi schreibt die Oper also aus Pflichtbewußtsein. Obwohl er es vorgezogen hätte, eine opera seria zu schreiben, wie ursprünglich geplant, beugt er sich dem Willen Merellis, der aus Spielplangründen eine buffa benötigt und nimmt eine Arbeit in Angriff, die aufgrund der Form und des Inhalts des alten Romani-Librettos bereits veraltet ist.[104] Er schreibt sie trotz der widrigen Umstände nicht unwillig, aber er schreibt sie im Schatten des übermächtigen Genies für komische Opern, Gioachino Rossini, und im Wissen um die Präsenz eines anderen großen Könners dieses Genres, Gaetano Donizetti, der 1832 das Meisterwerk L’elisir d’amore, ebenfalls auf ein Libretto Romanis, vorgelegt hat. Er schreibt sie mit ersten Ansätzen jener einflußnehmenden Sorgfalt, für die er später berühmt werden sollte: Er verändert, möglicherweise unter Mitarbeit Soleras, die Struktur des Textbuches und setzt Striche und Änderungen durch. Auch die Änderung des Titels von Il finto Stanislao[105] zu Un giorno di regno stammt von ihm.[106]
Die Uraufführung am 5. September 1840 erleidet einen glatten Durchfall. Das Publikum johlt und pfeift, zischt und miaut, obwohl es die Umstände, unter der die Oper entstanden ist, kennt, und geht nach Hause, offenbar zutiefst von dem befriedigenden Bewußtsein durchdrungen, Gerechtigkeit geübt zu haben. Die Ursachen für die Publikumsreaktion, über die man sich aus heutiger Sicht nur wundern kann, sind zwei: einerseits die Lustlosigkeit der Sänger, andererseits starke Konkurrenzopern auf dem Spielplan (allein von Donizetti in dieser Saison: Belisario, Lucrezia Borgia, Marin Faliero, Anna Bolena, La figlia del reggimento sowie die Erfolgsoper der Saison, Nicolais Templario mit 46 Aufführungen.
Un giorno di regno bedeutet kompositonstechnisch einen Fortschritt im Vergleich zu Oberto, und ist wesentlich besser als ihr Ruf. Man kann an ihr nur eines bemängeln: sie ist zu lang. Die Sänger der einzigen Vorstellung dieser Oper, die von Merelli sofort vom Spielplan abgesetzt wird, sind der Bariton Raffaele Ferlotti[107], die Mezzosopranistin Luigia Abbadia sowie die Sopranistin Antonietta Rainieri-Marini und der Tenor Lorenzo Salvi, beide mit Oberto-Erfahrung. Sie tragen eindeutig Mitschuld an dem Mißerfolg.
Mailand,