Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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musikalisch völlig wertloser Erscheinungen wie Crossover führen, eine Art verlogen-verkitschter Schunkel-Klassik-Pop, dargeboten von exzellent gemanagten Instrumentalisten, denen bestenfalls ein Platz an einem hinteren Pult eines Provinzorchesters zustände, oder Sängern, die bei manchem Vorsingen für eine Choristenstelle abgewiesen würden. Das Begriffspaar „Qualität“ und „Erfolg“ sollte, wie man naiverweise anzunehmen geneigt ist, im Idealfall in einer untrennbaren Verbindung leben. In der Praxis ist dies allerdings immer seltener der Fall: Die Partner folgen der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, denn es kommt immer öfter zu Trennungen und Scheidungen, wonach die beiden als unabhängige Singles auftreten. Während das Single „Qualität“ oft ein Mauernblümchendasein fristet und aggressiv beworben werden muß, um überhaupt wahrgenommen zu werden und überleben zu können, feiert das Single „Erfolg“ fröhliche Urständ, indem es ein luxuriöses Dasein, vielfach ohne jeglichen nachvollziehbaren Anlaß, führt. Die Folgen dieses Phänomens sind jedenfalls geeignet, die Situation nachhaltig zu verschlimmern[66], denn wer wollte es strikt wirtschaftlich agierenden Operndirektoren verübeln, daß sie folgerichtig reagieren und zweitklassige Künstler engagieren (die wesentlich billiger einzukaufen sind als ihre erstklassigen Kollegen), da sie doch die gleiche ungeteilte Zustimmung erhalten?

      All das sind Phänomene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und des 21. Jahrhunderts. Wie zu sehen sein wird, war auch im 19. Jahrhundert – eine der interessantesten Epochen, was Musik in ihren verschiedensten Erscheinungsformen anlangt, und gleichzeitig eine Endzeit – auf diesem Gebiet nicht alles Gold, was da glänzte, doch stand, auch abseits herausragender Erscheinungen wie Verdi, das handwerkliche Können bei produzierenden wie reproduzierenden Künstlern auf hohem Niveau. Aus diesem Grund schien es mir gerechtfertigt, den Protagonisten des vorliegenden Buches, wie auch seine Mitarbeiter und Interpreten, so oft wie möglich in erster Person zu Wort kommen zu lassen.

      Wie zu sehen sein wird, war Verdi kein Theoretiker der Musikästhetik, sondern ein genialer Theaterpraktiker („Im Theater ist lang ein Synonym für langweilig, und Langeweile ist das schlimmste aller Übel“[67]), der es vorzog, Musik zu schreiben und sie für sich selbst sprechen zu lassen anstatt sich verbal über sie zu verbreitern. Er gehörte darüber hinaus zu den wenigen Komponisten, die die eigenen Arbeiten nicht für die besten von allen hielten und die imstande waren, ihre Werke zumeist richtig einzuschätzen, und nicht zu jener großen Gruppe, die von Musik nicht mehr verstehen als ein Vogel von der Ornithologie.[68] Die Bühnenwerke dieses populärsten Opernkomponisten der Musikgeschichte sprachen und sprechen das Publikum unvermittelt an, kein Zuhörer befand sich bei Verdi je in dem von Joseph Hellmesberger[69] in Wiener Dialekt formulierten Dilemma: „Was geberten die då drunt jetzt drum, wånn’s wisserten, wia’s ihna gfoi’n håt.“[70]

      Um Verdis Größe zu verdeutlichen, wurde darauf hingewiesen, daß der Komponist, wäre er aus irgendeinem Grund nicht Musiker geworden, dem Italien des neunzehnten Jahrhunderts wohl auf einem anderen Gebiet seinen Stempel aufgedrückt hätte: Im Falle eines (von Verdis Vater ursprünglich gewünschten) Jusstudiums möglicherweise als Politiker, vielleicht als fortschrittlicher Agronom oder als Kunstkritiker.[71]

      I

      Jugend und Studienzeit – RocesterSei romanzeOberto conte di San Bonifacio – Ignazio Marini – Lorenzo Salvi – Mary Shaw – Antonietta Rainieri-Marini – Luigia Abbadia – Un giorno di regno – Bartolomeo Merelli

      V

      erdis bekannte Reserviertheit zu definieren ist so manchem Biographen besser gelungen als in seine Persönlichkeit vorzudringen:

      Wenn wir wissen wollen, was dieser Mensch in seinem Kopf dachte, sieht es schlecht aus. [...] Es ist wesentlich leichter, in die militärischen Geheimnisse des Pentagons oder des Kremls oder in die Klausur eines Trappistenklosters einzudringen als in die Seele Verdis.[72]

      Wenngleich es gilt, diese Aussage des eminenten Verdikenners Massimo Mila im Zeitalter gewitzter jugendlicher Computerhacker zu relativieren, trifft sie in ihrem Kern nach wie vor zu, denn es „ist Verdi immer gelungen, sich seinen Biographen zu entziehen. Die bekannten Fakten seiner langen, arbeitsreichen Karriere wurden unzählige Male erzählt, als Mensch aber bleibt er immer auf Distanz, bis heute geschützt durch seine ihm eigene Reserviertheit und sein Mißtrauen.“

      Damit hat der Verdi-Biograph Frank Walker[73] das Problem auf den Punkt gebracht, dem man bei dem Versuch begegnet, sich Verdi biographisch zu nähern. Doch auch die vermeintlichen Fakten besitzen einen erst in den letzten Jahrzehnten langsam schwindenden Unsicherheitsfaktor, denn unzählige Legenden und nicht fundierte Interpretationen durchwucherten Verdis Biographie schon zu seinen Lebzeiten, von ihm unerwünscht oder unwidersprochen, zum Teil aber auch bewußt oder unbewußt gefördert. So liebte Verdi in späteren Jahren nicht nur die Legendenbildung um sich selbst als Kind analphabetischer Bauern aus allerärmsten Verhältnissen, das sich gegen widrigste Umstände aus eigener Kraft hochgearbeitet und autodidaktisch zum Komponisten ausgebildet hatte und niemandem etwas schuldete, sondern auch die Darstellung seiner Person als jemand, dem es völlig gleichgültig war, was Dritte über ihn denken mochten. Über seinen ausgeprägten Sinn für soziale Verantwortung, über die von ihm gestifteten Stipendien, Krankenhäuser und Altersheime oder die anonyme Unterstützung von in Not geratenen Mitarbeitern oder deren Familien äußerte er sich nicht oder höchstens widerwillig.[74]

      Gewisse Episoden seiner Biographie, wie beispielsweise das Zustandekommen des Nabucco, wurden mit seinem Wissen und Zutun geradezu auf Groschenromanebene trivialisiert und hierauf unüberprüft von einer Biographengeneration zur nächsten übernommen.

      Doch auch der Griff zu Dokumenten, die solche Unsicherheiten beseitigen sollten, erweist sich manchmal als tückisch: In einem Autobiographischen Bericht, den er am 19. Oktober 1879 seinem Verleger Giulio Ricordi diktierte und der zur Richtigstellung verschiedener Anwürfe die Uraufführung des Oberto betreffend dienen sollte, der aber eher als subjektivistisches Selbstportrait denn als Chronologie von Fakten und Daten zu werten ist und als Ergänzung einer Biographie[75] gedacht war, komprimiert Verdi beispielsweise den Zeitablauf des Todes seiner ersten Frau und seiner beiden Kinder – „Innerhalb eines Zeitraums von nur zwei Monaten[76] hatte ich drei geliebte Wesen verloren. Meine ganze Familie war dahin!“ – und vertauscht auch die Reihenfolge der Todesfälle, die sich in den Jahren 1838, 1839 und 1840 ereigneten.

      Zeitlebens legte der Komponist jeglicher Art von Publicity sowie unqualifizierter Lobhudelei gegenüber eine heftige Abneigung an den Tag und liebäugelte auch nicht wie viele seiner ihm nachfolgenden Komponistenkollegen mit der Veröffentlichung seiner Korrespondenz, wie er seinem Freund Arrivabene[77] schrieb:

      Wozu ist es nötig, die Briefe eines Komponisten hervorzuholen? Briefe, die immer in Eile geschrieben wurden, ohne Sorgfalt und ohne ihnen Bedeutung beizumessen, weil der Musiker weiß, daß er keinen literarischen Ruf wahren muß. Reicht es nicht, daß man ihn wegen seiner Musik auspfeift? Nein, mein Herr! Jetzt auch noch die Briefe! Ach! Die Berühmtheit ist eine große Plage! Die armen kleinen großen Männer bezahlen teuer für ihre Popularität! Nie ist ihnen eine Stunde der Ruhe vergönnt, weder im Leben noch im Tod![78]

      Bei dieser auf die Veröffentlichung von Briefen Vincenzo Bellinis gemünzten Aussage dachte Verdi wohl auch an seine eigenen, in die Tausende gehenden Briefe, die für den Biographen auch gegen den Willen des Betroffenen die wichtigsten Quellen darstellen. Sie sind nach wie vor über die ganze Welt verstreut und bei weitem nicht zur Gänze erfaßt und wissenschaftlich aufgearbeitet.

      Jugend und Studienzeit

      H

      ier die gesicherten Fakten

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