Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Produzenten erlebt, auch da war keine Kontinuität. Es gibt auch keine Kontinuität in dem Sinne, daß junge Sänger in aller Ruhe aufgebaut werden. Auch war die exklusive Zugehörigkeit eines Künstlers zur DG früher eine hohe Auszeichnung. Das kann ich nicht mehr entdecken. Da werden Leute schnell hochgepuscht, die den Status gar nicht verdienen. [...] Die Zeiten haben sich geändert. Wenn ich mir heute von einem 30jährigen Wirtschaftsmenschen sagen lassen soll, wie das Musikgeschäft funktionieren muss – dazu habe ich mit 52 keine Lust. Ein Beispiel: Als ich meine erste Jazz-CD plante, kam tatsächlich ein Marktanalytiker zu mir und meinte, sie hätten eine Untersuchung durchgeführt und diese hätte ergeben, die CD würde überhaupt niemanden interessieren, würde nicht laufen! Wie konnten die eine Analyse machen, wo sie doch das Produkt nicht wirklich kannten, überhaupt nicht wussten, was für Repertoire geplant war? Das kann es doch nicht sein! Die Tatsache dazu: Das Jazzprojekt führte zur zweiterfolgreichsten CD in meiner DG-Karriere, verkauft wurden fast 100.000 Stück. So sieht das heute aus. Da sitzen Leute, die glauben, mir etwas über Musik und Management erzählen zu können – da lache ich mich kaputt!“[11]

      W

      ie der folgende Zitatenquerschnitt zeigt, setzte der Niedergang der Gesangskunst bald nach der Etablierung der Kunstform Oper ein. Schon 1723 beklagte Pier Francesco Tosi dies in einem Werk[12], das auch heute noch immer wieder neu aufgelegt wird: „Meine Herren Maestri, in Italien hört man nicht mehr die Stimmen der vergangenen Zeiten!“ Fünfzig Jahre später schlug Giovanni Battista Mancini in dieselbe Kerbe: „Viele meiner Leser werden sich fragen, weshalb nach einer so großen Anzahl von tüchtigen Sängern seit einiger Zeit nicht nur bei den Italienern selbst, sondern sogar bei den Menschen jenseits der Alpen die Meinung entstanden ist, daß unsere Musik völlig in Verfall geraten ist und daß es an guten Schulen und guten Sängern mangelt. [...] Man muß jedoch zugeben, daß diese Meinung hinsichtlich der Sänger leider der Wahrheit entspricht, bei denen man fast niemanden nachkommen sieht, der die Leere, die [das Abtreten der] alten Künstler hinterlassen hat, auffüllt.“[13] Man sieht, daß es selbst in der damaligen Hochblüte der Gesangskunst – die Oper wurde zu jener Zeit von virtuosen Kastraten und Primadonnen dominiert – Anlaß zu nostalgischen Klagen gab.

      Apropos Kastraten: Sie und ihre unversehrten Sängerkollegen waren im 18. Jahrhundert die geradezu mythischen Vertreter des bel canto[14]. Gesangsexperten wie Pacini[15], der in seiner Jugend noch den Kastraten Pacchiarotti[16] gehört hatte, erinnerte sich nostalgisch: „Ach, wo sind nur die Sänger geblieben, die mit einem einfachen Rezitativ [dem Publikum] einen allgemeinen Aufschrei der Bewunderung entlockten? Wo sind die Töne geblieben, die einem zu Herzen gingen?“

      Auch Rossini, in seiner Jugend selbst sängerisch aktiv, schloß sich dem Chor der Gesangspessimisten an. An Florimo[17] schrieb er: „Heutzutage ist die Kunst auf die Straße gegangen; das alte Genre mit seinen Verzierungen wird durch Hektik ersetzt, der getragene Vortrag durch Gebrüll [...] und schließlich das lieblich Empfindsame durch geifernde Tollwut. Wie Ihr seht, lieber Florimo, wird die Sache heute gänzlich von den Lungen bestimmt; der Gesang, der einem zu Herzen geht[18], und die Pracht des Gesanges stehen auf dem Index.“[19]

      1826 arbeitete Rossini seinen Maometto II für die Pariser Opéra zu Le Siège de Corinthe um, im Jahr darauf den Mosè in Egitto zu Moïse et Pharaon, ou Le passage de la Mer Rouge. Bei der Ausgestaltung der Gesangspartien nahm er auf die Virtuositätsfeindlichkeit des an die Gluck-Interpreten gewöhnten Pariser Publikums Rücksicht: Die Rollen sind in den französischen Neufassungen weit weniger ausgeziert als in den italienischen Fassungen. Die französischen Kritiker reagierten darauf begeistert: „Endlich“, so der Tenor einiger Besprechungen, „hat sich jemand [nämlich Rossini] gefunden, der die aboyements [Gekeife, Geschrei] der Gluck-Interpreten aus der Opéra verbannt und die Sänger zu stimmlichem Wohlverhalten erzieht“. Gemeint waren jene Sänger, die der sogenannten école du cri [Schule des Schreiens] der Gluck-Tradition angehörten. Nicht einmal Napoleon Bonaparte höchstselbst war es gelungen, den ihm verhaßten cri der Gluckisten auszurotten, obwohl er einmal einige Sängerinnen ebenso unverblümt wie vergeblich aufgefordert hatte: „Meine Damen, würden Sie heute abend etwas weniger schreien als sonst?“

      Einem spanischen Musiker, der Rossini 1845 in Bologna besucht hatte und bei dieser Gelegenheit über den Niedergang des Musiktheaters geklagt hatte, schrieb der Meister: „Ihr habt recht, heute geht es nicht mehr darum, wer besser singt, sondern wer mehr schreit. In ein paar Jahren werden wir in Italien keinen einzigen Sänger mehr haben.“[20] Diese Äußerung trifft aus Rossinis Sicht insofern zu, als der kultivierte falsettone-Gesang[21], den Rossini über alles liebte und in seiner Jugend selbst erlernt und betrieben hatte, ausstarb. Auf Rossinis hypersensibles Gehör wirkten die mit Vollstimme gesungenen hohen Töne wie der „Schrei eines Kapauns, dem die Gurgel durchgeschnitten wird“.[22] Als der mit einer ausgezeichneten Höhe gesegnete Tenor Enrico Tamberlick einmal zu Rossini auf Besuch kam, sagte letzterer zu seinem Diener: „Er soll eintreten, aber sein Cis in der Garderobe ablegen. Er kann es dann wieder mitnehmen, wenn er geht.“

      1858 hatte sich die Situation für Rossinis Ohren nicht gebessert, im Gegenteil. Bei einem Essen in seiner Villa in Passy, zu dem auch Edmond Michotte[23] eingeladen war, äußerte Rossini zu dem leidigen Thema folgendes:

      Leider ist der bel canto nun vollkommen verloren: Es besteht keine Hoffnung mehr auf seine Wiederkehr. Für die Künstler unserer Tage besteht der Gesang in einer konvulsivischen Verzerrung der Lippen, aus denen, besonders bei den Baritonen, tremolierende Töne herauskommen, die dem Dröhnen sehr ähnlich sind, das in meinen Ohren das Schwanken des Fußbodens beim Eintreffen des Karrens meines Bierlieferanten verursacht; gleichzeitig ergehen sich die Tenöre in lautem Geschrei und die Primadonnen in gurgelnden Geräuschen, die mit der wahren Stimmgebung und den Roulades außer den Reimen[24] nichts gemein haben. Ich spreche gar nicht von den Portamenti der Stimme, von dieser Art Eselsgeschrei, das von der Höhe in die Tiefe gleitet, und von dem Trompeten der Elefanten, das von der Tiefe in die Höhe fährt. Die Natur erschafft bedauerlicherweise kein ganz vollkommenes Organ, es ist deshalb erforderlich, daß der künftige Sänger das Instrument, dessen er sich bedienen muß, selbst aufbaut. Und wie lang und schwierig ist diese Arbeit! In vergangenen Zeiten half man dem Fehler der Natur dadurch ab, daß man Kastraten herstellte. Diese Methode erforderte zwar Heldenmut, aber die Ergebnisse waren wunderbar. Ich erinnere mich, den einen oder anderen in meiner Jugend gehört zu haben: Die Reinheit, die ans Wunderbare grenzende Flexibilität dieser Stimmen, und vor allem die zu Herzen gehenden Töne bewegten und faszinierten mich so sehr, daß ich es gar nicht auszudrücken vermag.[25]

      Beinahe zur gleichen Zeit meldete sich Giuseppe Verdi zu dem Thema zu Wort: „Die Frauen wie die Männer sollen singen und nicht schreien: Sie sollen daran denken, daß vortragen nicht brüllen bedeutet! Wenn man in meiner Musik nicht viele Vokalisen findet, darf man sich deswegen nicht die Haare raufen und wie Besessene toben.“[26]

      Außer den Beschwerden über schreiende Sänger gab es teilweise recht deftig formulierte Klagen über andere Sängermankos, geäußert von unbezweifelbar kompetenten Experten wie zum Beispiel Gaetano Donizetti. Als er im Juni 1844 am Wiener Kärntnertortheater die Generalprobe seines Roberto Devereux besuchte, mußte er nolens volens das Weite suchen: „Ich habe mir bei der letzten Probe zwei Akte in einer Loge angehört, den dritten hielt ich nicht mehr aus – es gab zu viele falsche Noten, Rollenunkenntnis, mangelndes Spiel etc. Man sagt mir, daß gestern alles noch schlimmer gewesen sein soll.“ Und über die Premiere: „Die Montenegro[27] hatte jedes nur erdenkliche Pech: Sie begann sogar eine Phrase eine Terz zu tief, unterbrach sich in der Mitte und setzte eine Terz höher wieder ein. Die falschen Noten, die gestern von ihr, von Ronconi und von Varesi produziert wurden, sind unbeschreibbar.“[28] Und, im selben Brief: „Es tut mir leid wegen der Montenegro. [...] Aber, bei Gott!, wenn diese arme Frau beim Singen nicht richtiger intoniert und dabei einen weniger schiefen Mund macht, wird es schwer sein, daß sie gefällt. Sie hat kein Solfège studiert und hat kein gutes Gedächtnis; sie hat Gefühl, aber ihr Gefühl kann sich keinem Rhythmus anpassen.“

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