Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer
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er Bariton Giorgio Ronconi (Mailand 1810 – Madrid 1890) wurde von seinem Vater, dem Tenor und Gesangslehrer Domenico Ronconi (1772-1839) ausgebildet. Er debutierte 1831 in Pavia in Bellinis La straniera. Donizetti erfuhr von der außergewöhnlichen stimmlichen Begabung des jungen Sängers: Ronconi wurde zwar dem Fach des basso cantante zugeordnet, doch verfügte er über eine ausgezeichnete, fast tenorale Höhe und fühlte sich auch in einer hohen Tessitura wohl. Diese Qualitäten kamen Donizettis Vorstellungen entgegen und er komponierte für Ronconi den Cardenio, die Titelrolle in Il furioso all’isola di San Domingo (Rom 1833), eine Rolle, die hinsichtlich der Tessitura dem Rigoletto vergleichbar und eineinhalb Mal so lang wie diese Partie, wenn auch weniger dramatisch ist.[133]
Abb. 4 – Giorgio Ronconi (1810-1890), der erste echte Bariton in der italienischen Oper. Unbezeichnete Photographie, 1866.
Ab 1839 singt Ronconi an der Mailänder Scala[134], wo Giuseppe Verdi seine Stimme schätzen lernt und für ihn den Nabucco schreibt (nach den ersten acht Nabucco-Vorstellungen wird Ronconi übrigens nicht mehr an die Scala zurückkkehren). Im Jahr des Nabucco (1842) debutiert Ronconi in London: Er singt zuerst am Her Majesty’s Theatre (Lucia di Lammermoor und Belcore in L’elisir d’amore), von 1847 bis 1866 ist er ein gern gesehener Gast an Covent Garden, wo er in den englischen Erstaufführungen von Donizettis Maria di Rohan (1847) und Poliuto (1852) sowie von Rigoletto (1853) auftritt.
Verdi, von dessen Baritonpartien Ronconi auch die Hauptrollen in Ernani und I due Foscari singt, beschreibt den Sänger nicht nur als ausdrucksstark[135], sondern auch als „Baritono artista“[136], als Bariton und Künstler.
In einem Brief aus dem Jahr 1843 sprach Verdi, als es um die Wahl eines Stoffes für Venedig ging, von einem „Künstler mit der Kraft eines Ronconi“[137]. Das wurde von Gesangshistorikern bislang vorwiegend mit der „Ausdruckskraft“ des Baritons interpretiert, da die Stimme von eher kleinem Volumen gewesen sein soll, wie man aus zeitgenössischen Berichten zu entnehmen glaubte. Ein Beitrag in The Musical World berichtet aber vom Debut des Sängers am Royal Italian Opera House, Covent Garden, in London etwas ganz anderes:
His voice is not particularly melodious, nor is the intonation strictly true [...] nevertheless [...] its power is immense, and its extent extraordinary for a baritone. In forte passages its volume fills the house like a thunder-peal; and in passionate phrases, when the artist comes out with an upper G, or sometimes an A, with all his power, the effect is quite electrical.[138]
Aufgrund dieses Stimmumfanges kann man ihn als den ersten echten Bariton der Geschichte der italienischen Oper bezeichnen. Ronconi, der auch in Opern von Rossini auftrat (La gazza ladra, Il barbiere di Siviglia), gastierte in Wien und Budapest, Barcelona und Paris, St. Petersburg und New York. Nach dem Ende seiner Karriere war er ab 1874 als Gesangspädagoge in Madrid tätig.
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er Bassist Prosper Dérivis (Paris 1808-1880) debutierte 1831 als Titelheld in Rossinis Moïse an der Pariser Opéra, an der er in den ersten zehn Jahren seiner Karriere in zahlreichen Uraufführungen[139] mitwirkte. Ab 1842 ist er im Ausland tätig, u.a. an der Mailänder Scala in den Uraufführungen von Nabucco (er ist der einzige Premierensänger, der auch in der zweiten Aufführungsserie des Nabucco auftritt) und I lombardi sowie am Wiener Kärntnertortheater in der Uraufführung von Donizettis Linda di Chamounix (1842). Er gastiert in Genua, Triest, Turin, Parma und Rom und ist auf Spaniens Bühnen sehr präsent. 1854 kehrt er an die Pariser Opéra zurück, 1857 beendet er seine Karriere und ist danach am Pariser Conservatoire als Gesangslehrer tätig. Er wird von zeitgenössischen Kritikern als der bedeutendste Bassist seiner Zeit neben Nicolas Levasseur eingestuft.
Abb. 5 – Prosper Dérivis (1808-1880), einer der bedeutendsten Bassisten seiner Zeit.
Man hat sich Dérivis als hohen Baß mit guter Tiefe, Koloraturfähigkeit, Legato- und Pianokultur vorzustellen: In der Vorschau[140] der an den Impresario Alessandro Lanari[141] in Pacht vergebenen Aufführungen des Teatro La Fenice in der Stagione 1845-46 wird Dérivis für das Fach des Primo Basso Baritono neben Sängern wie Colini, De Bassini[142] und Varesi[143] namhaft gemacht. Dies erklärt auch einen Ausflug Dérivis’ ins reine Baritonfach (in Mercadantes Il reggente).
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iuseppina Strepponi[144], von der noch ausführlich die Rede sein wird, hat mit der schwierigen Rolle der Abigaille redliche Mühe und erzielt nur einen Achtungserfolg. In einigen Zeitungen erntet sie deutliche Verrisse. Es wurde vielfach die Frage erhoben, wieso diese lyrische Sängerin in der hochdramatischen Partie der Abigaille besetzt werden konnte. Eine der denkbaren Antworten ist, daß Verdi ursprünglich die in dieser Saison an der Scala engagierte Sofia Loewe für die Partie im Sinne hatte und die Strepponi aus unbekannten Gründen im letzten Moment eine Notlösung für die Rolle ist. Allerdings scheint sie im Macht- und Intrigengefüge der Scala ein Wörtchen mitzureden zu haben, nicht nur aufgrund ihrer sängerischen Erfolge in ihrem angestammten Repertoire, sondern auch wegen ihrer ausgewogenen Urteilsfähigkeit und Intelligenz. Nabucco mit oder trotz der für ihre Stimme ungeeigneten Rolle der Abigaille ist für die Strepponi und ihre private Zukunft jedenfalls so etwas wie eine Schicksalsoper. Sie singt die Abigaille an der Scala in nur acht Vorstellungen.
Abb. 6 – Giuseppina Strepponi (1815-1897). Dieses Gemälde eines unbekannten Malers hängt wie zu Verdis Lebzeiten in seinem Schlafzimmer in Sant’Agata.
Bei der Wiederaufnahme der Oper im August wird sie von Teresa De Giuli ersetzt. Sie singt die Rolle allerdings später noch in Bologna, Verona, Alessandria und Modena. 1843 wird der Nabucco in Parma aufgeführt, wieder mit der Strepponi als Abigaille, diesmal mit Verdi als Dirigent.
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er aus Palermo stammende Tenor Corrado Miraglia, (ca. 1817-1882) der die Rolle des Ismaele singt, dürfte 1841 in Mantua als Ivanhoe in Nicolais Il templario debutiert haben. Nach seiner Teilnahme an der Nabucco-Uraufführung trat er an diesem Haus noch als Emanuele in La testa di bronzo von Mercadante auf, und kehrte 1848 als Nemorino und 1857 als Ernani und Idreno in Rossinis Semiramide an dieses Haus zurück. Danach kam es zu Engagements an den Opernhäusern von Fiume, Vicenza und Genua, wo er ein breites Repertoire an Rollen des lyrischen Fachs und des Zwischenfachs sang. Ab den 1850er Jahren folgte eine Karriere an größeren Bühnen in Genua, Neapel, Venedig, Palermo und Turin sowie im Ausland.
So sang er 1850 am Real Teatro San Carlo di Napoli in Stradella il trovatore, einer Opera seria von Vincenzo Moscuzza, die Titelpartie, ebenfalls an diesem Haus in Rossinis L’italiana in Algeri den Lindoro, weiters die Tenorhauptrolle in Caterina Howard, einer Opera seria von Giuseppe Lillo, und den Ernesto in Don Pasquale.
1853 trat er am Teatro Regio in Turin als Titelheld in Pacinis Buondelmonte auf und sang dort auch in Rossinis Mosè e Faraone o Il passaggio del mar rosso den Amenofi.