Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer
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A
m 17. Juli ist noch immer nicht alles restlos fertig. Verdi klagt trotz des Hochsommers über „Rauch, Nebel und dieses teuflische Klima, die mir jede Lust zum Arbeiten nehmen“. Er hat zwei Orchesterproben abgehalten, „und wenn ich in Italien wäre, könnte ich Ihnen ein nüchternes Urteil über die Oper geben, aber hier verstehe ich gar nichts. Schuld des Klimas ... Schuld des Klimas!“[360]
Am 22. Juli gehen die Masnadieri trotz der widrigen Umstände wie geplant zum ersten Mal über die Bühne. Verdi ist der erste große Komponist des 19. Jahrhunderts, der eine Oper eigens für London schreibt, die Erwartungshaltung ist dementsprechend groß und die Premiere wird zum gesellschaftlichen Ereignis: Nicht nur die Königin mit Prinzgemahl Albert nimmt an der Premiere teil, auch der Hochadel ist vertreten, ebenso wie der Herzog von Wellington und die Parlamentsabgeordneten in vollem Ornat. Verdi, der ursprünglich abgeneigt ist, die Premiere selbst zu leiten, wird vom Russischen Botschafter und einer Abordnung englischer Adeliger dazu überredet. Muzio berichtet tags darauf:
Die Oper hat Aufsehen erregt. Vom Vorspiel bis zum letzten Finale gab es nur Applaus, Hochrufe, Rufe nach Wiederholungen. Der Maestro dirigierte das Orchester selbst, auf einem erhöhten Stuhl sitzend, und mit seinem Dirigentenstab in der Hand. Sobald er im Orchester erschien, gab es einen Applaus, der eine Viertelstunde dauerte. Man hatte noch nicht zu applaudieren aufgehört, als die Königin, der Prinzgemahl Alberto, die Königinmutter und der Herzog von Cambridge, der Onkel der Königin, der Prinz von Wales, der Sohn der Königin und die ganze königliche Familie sowie eine unendliche Reihe von Lords und Herzögen eintrafen, die kein Ende nehmen wollte. Die Logen waren voll von Damen in großer Toilette und das Parkett so überfüllt, daß man sich nicht erinnern konnte, jemals so viele Leute gesehen zu haben. Um 4 ½ [Uhr] wurden die Tore geöffnet und die Leute drängten mit nie gesehenem Ungestüm ins Theater. Es war ein neues Erlebnis für London, und Lumley ließ das Publikum teuer dafür bezahlen. Der Eintritt ins Theater kostete 6000 Lire, damit wurde der Preis übertroffen, den man an dem Abend verlangte, als die Königin in großer Gala im Theater erschien. Der Maestro wurde gefeiert, auf die Bühne gerufen, allein und mit den Darstellern, es wurden ihm Blumen zugeworfen, und man hörte nichts als: es lebe Verdi! bietifol[361] ... [...]
Die Oper endete unter Applaus. Alle Sänger wurden hervorgerufen und auch Verdi mußte mitten im frenetischesten Applaus erscheinen. Die Aufführung war gut; das Orchester wunderbar: es konnte nicht anders sein, da Verdi dirigierte. Die Sänger machten ihre Sache alle gut, waren aber sehr aufgeregt. Die Lind und Gardoni hatten noch nie neue Opern gesungen, es war das erste Mal für sie. Lablache war wunderbar und Coletti ebenfalls. Der Maestro war sehr zufrieden; die Impresa war so zufrieden, daß sie ihm durch mich ein Engagement für alle Jahre, die er nur will, anbieten ließ, zu 60.000 Francs pro Oper; und das ist der größte Beweis dafür, ob eine Oper gefallen hat oder nicht.
Die Zeitungen, die Times, die Morning Post, der Morning Chronicle etc. sprechen alle sehr gut von der Musik und auch vom Libretto, das ebenfalls gefallen hat.
Morgen, Samstag, ist die zweite Vorstellung; wenn der Maestro das Orchester nicht auch Dienstag dirigiert, werden wir am Montag abreisen.[362]
Die Presse teilt Muzios Enthusiasmus: Die „Times“ lobt sogar Maffeis Libretto. Nur der bereits erwähnte Henry Chorley fällt wieder aus dem Rahmen und stänkert unqualifiziert: „We take this to be the worst opera which has been given in our time at Her Majesty’s Theatre. Verdi is finally rejected. The field is left open for an Italian composer.“ Auch Queen Victoria, die mehr an Kostümen denn an musikalischer Gestaltung interessiert zu sein scheint, kann die allgemeine Begeisterung nicht teilen:
Wir gingen in die Oper, wo wir die Aufführung von Verdis I masnadieri in vier Akten sahen, die denselben Inhalt wie I briganti von Mercadante hat. In dieser neuen Verdi-Oper nach der Vorlage von Schillers Die Räuber ist die Musik weit schwächer und platter. Lablache spielte den Part des Maximilian Moor, in dem er zwar gut aussah, aber zu fett war für den hungernden alten Mann. Gardoni spielte den Part des Carlo Moor & war wunderschön angezogen. Die Lind als Amalia sang und spielte ganz vorzüglich & sah sehr gut & attraktiv aus in ihren verschiedenen Kostümen. Sie erhielt riesigen Beifall.[363]
Muzio hatte sich bereits vor der Premiere über Lablaches Figur geäußert:
Wenn Sie den alten Lablache mit diesem Bauch, der ein Berg zu sein scheint, sähen, würden Sie sich wundern; er hat aber noch immer die schönste Stimme, die man sich nur vorstellen kann.[364]
D
er Bassist Luigi Lablache (Neapel 1794-1858) war zu seiner Zeit der berühmteste Vertreter des Baßfaches. Er wurde als Sohn eines französischen Kaufmanns und einer Irin in Neapel geboren und begann dort als Zwölfjähriger seine musikalische Ausbildung am Conservatorio della Pietà dei Turchini. 1809 sang er (vor dem Stimmbruch) die Altpartie in Mozarts Requiem bei einer Gedenkfeier anläßlich des Todes von Joseph Haydn. 1812 begann er seine Karriere als Baßbuffo in Fioravantis La molinara. Nach weiteren Studien und einem Engagement als Buffo in Messina debutierte er in Palermo in Pavesis Ser Marc-Antonio und wurde aufgrund seines enormen Erfolges für fünf Jahre als seriöser Baß an das dortige Opernhaus verpflichtet. 1817 debutierte er als Dandini in La cenerentola an der Mailänder Scala, an der er sechs Spielzeiten lang blieb. 1821 sang er in der Uraufführung von Mercadantes Elisa e Claudio die für ihn komponierte Baßpartie.
Abb. 30 – Der Bassist Luigi Lablache (1794-1858), einer der herausragenden Vertreter seines Faches.
Nach Auftritten in Rom, Turin und Venedig wurde er 1824 von dem Impresario Domenico Barbaja nach Wien geholt. Auch hier verzeichnete er triumphale Erfolge. 1827 sang er bei Beethovens Begräbnis, Schubert widmete ihm seine Drei Gesänge[365] op. 83, DV 902 auf Texte von Pietro Metastasio. 1829 eröffnete er das Teatro Regio in Parma mit Bellinis Zaira, 1830 sang er in der Uraufführung von Donizettis Il diluvio universale. Im selben Jahr feierte er sein bejubeltes London-Debut im King’s Theatre als Geronimo in Cimarosas Il matrimonio segreto (in derselben Rolle wurde er, ebenfalls 1830, in Paris gefeiert). 1831 erregte er in London Aufsehen, als er als Enrico VIII in Donizettis Anna Bolena auftrat. Er hatte sein Kostüm nach dem berühmten Holbein-Portrait Heinrichs VIII. anfertigen lassen und seine Maske genau nach dem historischen Vorbild gestaltet. Seine hünenhafte Gestalt und sein bedrohlich dröhnendes Organ machten auf das Publikum einen unauslöschlichen Eindruck. 1836 sang er in der Uraufführung von Mercadantes (von Queen Victoria erwähnten) I briganti. 1843 sang er in Paris in der Uraufführung von Donizettis Don Pasquale die Titelrolle, zusammen mit Grisi, Mario und Tamburini. Als 1847 in London die Royal Italian Opera, Covent Garden, eröffnet wurde, gehörte er zu den wenigen Sängern, die dem Her Majesty’s Theatre treu blieben. An diesem Haus kreierte er 1843 den Podestà in Linda di Chamounix und 1850 den Caliban in Halévys La tempesta. Erst 1854 trat er erstmals an Covent Garden auf. Seine Karriere konzentrierte sich in der Folge hauptsächlich auf London und Paris.
Er gehörte dem berühmten, aus Giulia Grisi, Giovanni Battista Rubini und Antonio Tamburini bestehenden Quartett an, das 1835 (im Todesjahr des Komponisten) in Paris Bellinis I puritani aus der Taufe hob. Diese vier Sänger sangen im selben Jahr bei Bellinis Begräbnis am Pariser Père-Lachaise ein Lacrymosa auf ein Thema aus den Puritani. Lablaches Repertoire umfaßte u.a. Partien wie den Leporello, den Baldassarre in Donizettis La favorita, zahlreiche Baßrollen in Rossini-Opern (Tancredi, La gazza ladra, Mosè in Egitto, La cenerentola, L’italiana in Algeri, La donna del lago, Semiramide, Otello usw., aber auch den Guglielmo Tell, den Figaro[366] und den Dr. Bartolo in Il barbiere di Siviglia), die Titelpartien in