Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer
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„Maestro“, sagte ich entsetzt zu ihm, „wir haben doch schon die schottischen Kostüme an: wie soll das gehen?“
„Ihr werdet euch einen Mantel überziehen.“
Und der Bariton Varesi, der verärgert über das ungewöhnliche Ansinnen war, wagte die Stimme zu erheben und sagte:
„Aber wir haben es schon hundertfünfzig Mal geprobt, Herrgott noch einmal!“
„In einer halben Stunde wirst Du anders reden: da werden es hunderteinundfünfzig Mal sein.“
Man mußte dem Tyrannen gezwungenermaßen gehorchen. Ich erinnere mich noch an die bösen Blicke, die Varesi ihm auf dem Weg ins Foyer zuwarf; er hielt die Hand am Knauf seines Schwerts und schien zu überlegen, ob er Verdi ermorden sollte, so wie er später König Duncan ermorden würde. Doch letztlich gab auch er resigniert nach; und das hunderteinundfünfzigste Mal fand statt, während das ungeduldige Publikum im Parkett lärmte.
Und Ihr wißt, daß es eine Untertreibung wäre, wenn man sagen wollte, daß dieses Duett nur Enthusiasmus und Fanatismus erzeugt hat: es war etwas Unglaubliches, Neues, nie Dagewesenes. Überall, wo ich in Macbeth gesungen habe, und an allen Abenden der Stagione im Teatro della Pergola, mußte das Duett drei Mal, sogar vier Mal wiederholt werden: an einem Abend mußten wir es sogar fünf Mal wiederholen!
Ich werde nie vergessen, wie am Abend der Uraufführung vor der Nachtwandelszene, die eine der letzten Szenen der Oper ist, Verdi um mich herumschlich, unruhig, ohne etwas zu sagen: Man konnte deutlich erkennen, daß der Erfolg, der zu diesem Zeitpunkt bereits groß war, für ihn erst nach dieser Szene endgültig sein würde. Ich bekreuzigte mich (das ist eine Gewohnheit, die auch heute noch auf der Bühne vor schwierigen Momenten üblich ist) und trat auf. Die Zeitungen von damals werden Ihnen sagen, ob ich den dramatischen und musikalischen Gedanken des großen Verdi in der Nachtwandelszene richtig interpretiert habe. Ich weiß nur das: Nachdem sich der tosende Applaus gelegt hatte und ich ganz bewegt, zitternd und aufgelöst in die Garderobe zurückgegangen war, sah ich, wie die Tür aufgerissen wurde (ich war schon halb entkleidet) und Verdi eintrat; er fuchtelte mit den Händen und bewegte die Lippen, als ob er eine große Rede halten wollte, aber er brachte kein einziges Wort heraus. Ich lachte und weinte, und konnte ebenfalls nichts sagen: Aber als ich dem Maestro ins Gesicht schaute, bemerkte ich, daß auch er gerötete Augen hatte. Wir drückten einander fest die Hände, dann stürzte er wortlos hinaus. Diese bewegende Szene der Rührung entschädigte mich für die Anstrengung so vieler Monate fleißiger Arbeit und beständiger Ängste.
Die Premiere ist ein voller Erfolg. Verdi wird fünfundzwanzig Mal hervorgerufen und von einer begeisterten Menge in seine Unterkunft eskortiert. Muzio berichtet an die in Busseto gebliebene Familie Barezzi (nur Antonio Barezzi war zur Premiere angereist) von achtunddreißig Hervorrufen Verdis[334]. Er spricht von einer „Sensation“ und von „fanatischer“ Begeisterung des Publikums für diese „großartige und wunderbare“ Oper. Andere, wie zum Beispiel der Kritiker Abramo Basevi[335], schließen sich dieser Einschätzung nicht an: „Wohlwollende Aufnahme; jedoch mehr in Hinsicht auf den Komponisten als auf seine Musik, die nur zur Hälfte gefiel.“[336] Ein Besucher der Premiere läßt einen an die Florentiner Zeitung „Il Ricoglitore“ gerichteten giftigen Leserbrief los: „Die Oper Verdis, die gestern abend im [Teatro della] Pergola aufgeführt wurde, ist eine echte Schweinerei, machen Sie uns in Ihrem Artikel also nicht weis, daß es ein wahrer Triumph für den Maestro war, weil er 25 Mal hervorgerufen wurde. Die, die ihn hervorriefen, waren Anhänger, Personen, die dafür bezahlt wurden.“[337]
I
n den Jahren, die auf die Uraufführung des Macbeth folgen, hält sich Verdi immer auf dem laufenden darüber, was mit seiner Oper geschieht. Als er 1848 wegen La battaglia di Legnano mit seinem Librettisten Salvadore Cammarano in Kontakt steht, teilt er ihm auch zahlreiche Ratschläge zu einer Aufführung des Macbeth am Teatro San Carlo in Neapel mit, die er ihn bittet, an die Theaterdirektion weiterzuleiten.
Ich weiß, daß Ihr im Begriff seid, Macbet einzustudieren, und da das eine Oper ist, die mich mehr als die anderen interessiert, gestattet mir, daß ich Euch ein paar Worte darüber sage. Man hat der Tadolini die Partie der Lady Macbeth anvertraut, und ich bin überrascht, daß sie zugestimmt hat, diese Partie zu übernehmen. Ihr wißt, wie sehr ich die Tadolini schätze; sie selbst weiß das auch; aber im Interesse aller halte ich es für angebracht, Euch einige Überlegungen mitzuteilen.
Die Tadolini hat zu große Qualitäten für diese Partie! Ihr werdet das für absurd halten, aber das ist es nicht. Die Tadolini hat eine schöne, gute Erscheinung, und ich möchte die Lady Macbet häßlich und böse haben. Die Tadolini singt vollendet, und ich möchte, daß die Lady nicht singt. Die Tadolini hat eine klare, reine, kräftige Stimme, und ich möchte für die Lady eine rauhe, erstickte, hohle Stimme haben. Die Stimme der Tadolini hat etwas Engelhaftes, ich aber möchte, daß die Stimme der Lady etwas Teuflisches hat.
Unterbreitet diese Gedankengänge der Impresa, dem Maestro Mercadante, der diesen meinen Ideen mehr als jeder andere beipflichten wird, und der Tadolini selbst; dann macht, was Euch nach Eurem Verstand am besten erscheint.
Denkt daran, daß die Oper zwei Hauptnummern hat: das Duett zwischen der Lady und ihrem Mann und die Nachtwandelszene: Wenn diese Stücke nicht gelingen, ist die Oper dahin: und diese Stücke dürfen auf keinen Fall gesungen werden:
man muß sie mit einer recht hohlen
und verschleierten Stimme
darstellen und deklamieren: ohne das
kann es keine Wirkung geben.
Das Orchester mit Dämpfern.
Die Bühne äußerst dunkel. - Im dritten Akt muß man die Erscheinungen der Könige (ich habe das in London gesehen) hinter einem Ausschnitt im Bühnenbild machen, mit einem nicht zu dichten, aschenfarbigen Schleier davor. Die Könige sollen keine Puppen sein, sondern acht Männer von Fleisch und Blut: die Stelle, über die sie gehen müssen, soll wie ein kleiner Hügel sein, und man muß sie deutlich hinauf- und hinabsteigen sehen. Die Bühne muß vollkommen dunkel sein, besonders wenn der Kessel verschwindet, und hell nur dort, wo die Könige vorüberschreiten. Das Orchester unterhalb der Bühne muß (für das große Teatro San Carlo) verstärkt werden, achtet aber gut darauf, daß es da weder Trompeten noch Posaunen gibt. Der Klang muß wie aus der Ferne und gedämpft erscheinen, er muß daher aus Baßklarinetten, Fagotten, Kontrafagotten und sonst nichts bestehen.[338]
Letzterer Hinweis zeigt, wie sehr es Usus war, daß sich die Theater entgegen der von der Partitur vorgegebenen Instrumentierung gerne Eigenmächtigkeiten bei der Besetzung der Bühnenmusik herausnahmen.
Verdis Bemerkungen über die Tadolini sind selbstverständlich nicht wörtlich zu nehmen, schon gar nicht aus heutiger Sicht. Zum richtigen Verständnis dieser wohlbekannten Hinweise, die Interpretation der Rolle der Lady Macbeth durch die Sopranistin Eugenia Tadolini betreffend, sind zwei Hintergrundinformationen vonnöten.
Erstens: Der Kern von Verdis – oft mißbräuchlich zitiertem und absichtsvoll falsch verstandenem – Wunsch ist, daß zur Interpretation der Rolle der Lady weniger rein gesangliche, sondern vor allem musikdramatische Mittel notwendig sind. Eugenia Tadolini war eine gefeierte Donizetti-Spezialistin. Zwei Opern hat Donizetti eigens für sie komponiert: Linda di Chamounix (Wien 1842) und Maria di Rohan (Wien 1843). Sie sang die italienische Erstaufführung des Poliuto (Neapel 1848) und hatte Donizetti-Opern wie Don Pasquale, Maria Padilla,