Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer
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Ich bin überzeugt, daß Du alles übrige mit der Großzügigkeit, die Dich so sehr auszeichnet, auf die Bühne bringen und dabei nicht knausrig sein wirst. Berücksichtige auch, daß ich Ballerinen brauche, die gegen Ende des dritten Aktes einen kleinen graziösen Tanz aufführen müssen. Scheue keine Kosten (ich sage es Dir noch einmal), Du wirst, so hoffe ich, dafür belohnt werden. Außerdem wirst Du täglich tausendmal von mir gesegnet werden, und merke Dir wohl, daß mein Segen fast ebensoviel wert ist wie der eines Papstes.
Scherz beiseite, aber ich bitte Dich aufrichtig es so einzurichten, daß alles klappt und daß ich mir nicht um die anderen Dinge Sorgen zu machen brauche. Wenn Du übrigens möchtest, daß ich Dir Bühnenbildskizzen und die Figurinen für die Kostüme anfertigen lasse, dann werde ich sie anfertigen lassen, aber erst später, denn jetzt muß ich weitermachen mit dem Komponieren und darf keine Zeit verlieren.[302]
Am selben Tag informiert Muzio wie üblich Barezzi.
Für Florenz schreibt der signor Maestro den Macbeth. Die Sänger werden sein: die Löwe und Varesi, nicht Ferri, denn der signor Maestro hat ihn nicht gewollt: Ferri weiß nicht, daß Varesi engagiert worden ist, und er weiß auch nicht, daß er in den neuen Opern [d.h. in den Aufführungen der neuen Oper] nicht singen wird. Man wird das bis zur Fastenzeit [vor ihm] geheimhalten, und dann wird man ihm eröffnen, daß in der neuen Oper Varesi den Macbeth singen wird. Das Engagement Varesis wird in keiner Zeitung veröffentlicht, solange es Ferri noch nicht weiß.[303]
Um die Idealbesetzung für den Macbeth zu engagieren, haben offenbar weder Verdi noch Lanari oder sonstige Beteiligte bedacht, wie sehr man mit solchen kleinlichen Theaterintrigen der Reputation eines Sängers Schaden zufügen kann. Wie immer am Theater ist Geheimhaltung eine Illusion: Es werden keine zwei Monate vergehen, bis Varesi in halb Italien hörbar kundtut, daß er die Hauptrolle in der neuen Oper Verdis singen wird.
Als Varesi nach Rom abreiste, hat er das Convito [Bankettszene, II,5-7] und die Visione [Erscheinungsszene, III,3] mitgenommen und er hat in ganz Mailand ein ungeheures Getöse veranstaltet, indem er sagte, daß dies die schönste und dramatischeste Musik Verdis sei. In Piacenza hat er noch mehr gesagt. In allen Orten, durch die er kam – in Parma, Bologna, Florenz – trompetete er wie ein Irrer vor allen hinaus, daß er die erhabenste Musik Verdis mit sich führe.[304]
Unbeirrt von solchen Episoden arbeitet Verdi an der Komposition des Macbeth und läßt sich dabei – zum Unterschied von den vorhergegangenen Opern – Zeit. Er lehnt es während dieser Arbeit ab, andere Aufträge anzunehmen oder sich wegen künftiger Projekte auch nur Gedanken zu machen, was nochmals zeigt, daß ihm dieses Werk – seine erste Begegnung mit Shakespeare – mehr bedeutet als frühere Arbeiten.
Elf Tage nach der Uraufführung des Macbeth, als Verdi schon im Begriff ist, seine Zelte in Florenz abzubrechen, wird der Komponist, dem opportunistische Servilität und liebedienerische Unterwürfigkeit ein Greuel sind, einen Akt setzen, der nicht nur den Stellenwert seiner neuen Oper unterstreicht, sondern auch seine aufrichtigen Gefühle seinem Schwiegervater gegenüber unter Beweis stellt.
Schon seit langer Zeit hatte ich vor, Ihnen, der mir Vater, Wohltäter und Freund gewesen ist, eine Oper zu widmen. Das war eine Pflicht, der ich schon früher hätte nachkommen müssen, und ich hätte es auch getan, wenn nicht machtvolle Umtände es verhindert hätten. – Hier ist also dieser Macbeth, den ich mehr als meine anderen Opern liebe und den ich deshalb für würdiger erachte, Ihnen gewidmet zu werden. Er kommt von Herzen: und möge er von Herzen angenommen werden; er sei Ihnen Beweis für ewiges Gedenken, Dankbarkeit und Zuneigung, die Ihnen entgegenbringt Ihr Ihnen herzlichst zugetaner G. Verdi[305]
Die Arbeit am Macbeth schreitet zügig voran. Verdis Einflußnahme auf das versifizierte Libretto, an dem er unter Mithilfe Maffeis[306] selbst arbeitet, ist intensiv wie nie zuvor. Im Oktober teilt Lanari Verdi korrekterweise mit, daß Sofia Loewe[307] in schlechter Verfassung ist. Doch es kommt noch schlimmer:
Die Loewe zieht sich von der Bühne zurück. Der signor Maestro bedauert das sehr, weil von den heutigen Sängerinnen kann keine die Lady im Macbeth mit derselben Wirkung wie die Loewe darstellen. An ihrer Stelle wird die Barbieri singen.[308]
Der Ersatz, den Lanari für die Loewe ausgewählt hat, ist Marianna Barbieri Nini, die sogleich wissen möchte, wie ihre Rolle aussieht.
Gesundheitlich geht es mir gut; doch wie ich Dir in meinem letzten Brief schrieb, bin ich ein bißchen müde. Die Barbieri soll ein wenig Geduld haben; denn wenn ihr dieses Genre zusagt, ist sie recht gut bedient. Addio, Addio.
P.S.: Beachte, daß Bancos Geist aus dem Boden auftauchen muß; es muß derselbe Schauspieler sein, der den Banco im 1. Akt gespielt hat; er muß einen aschfarbenen, aber ziemlich durchsichtigen und feinen Schleier tragen, den man kaum sehen kann, und Banco muß das Haar zerrauft und verschiedene sichtbare Wunden am Hals haben. All diese Ideen habe ich aus London, wo man diese Tragödie seit 200 Jahren und mehr immerzu aufführt.[309]
Eine Woche später wendet sich Verdi erstmals direkt an die für die weibliche Hauptrolle vorgesehene Sängerin:
Ich habe versucht, [...] Musik zu machen, die, so gut ich es vermochte, an das Wort und die Situation gebunden ist; und ich wünsche, daß die Künstler diese meine Idee genau verstehen, ich wünsche also, daß die Künstler mehr dem Dichter als dem Komponisten dienen.[310]
Hier erscheint dieser Wunsch Verdis zum ersten Mal. Dieselben Worte richtet Verdi einige Tage später an den Darsteller des Macbeth.
Es hat etwas gedauert, bis ich Dir die Musik geschickt habe, weil ich ein wenig Ruhe brauchte. Hier hast Du nun ein Duettino, ein großes Duett und ein Finale. Ich werde nie aufhören, Dich zu bitten, die Situation und die Worte gut zu studieren: die Musik kommt von selbst.
Mit einem Wort, mir ist es lieber, wenn Du mehr dem Dichter dienst als dem Komponisten. Aus dem ersten Duettino kannst Du viel herausholen (mehr, als wenn es eine Cavatina wäre). Achte gut auf die Darstellung, wenn er den Hexen begegnet, die ihm den Thron prophezeien. Bei dieser Weissagung bist Du erstaunt und bestürzt; doch im selben Augenblick regt sich in Dir der Ehrgeiz, den Thron zu besteigen. Darum wirst Du den Anfang des Duettinos sotto voce singen, und achte darauf, das ganze Gewicht auf die Worte „Ma perché sento rizzarsi il crine?“ zu legen. Achte wohl auf die Bezeichnungen, auf die Akzente bei pp und f..., die in den Noten stehen. Denke daran, daß Du auch eine weitere Wirkung bei den Noten[311] [es folgt ein kurzes Notenbeispiel] erzielen mußt. [...]
Im großen Duett müssen die ersten Worte Verse des Rezitativs, wenn er dem Diener den Befehl erteilt, ohne Nachdruck gesprochen werden. Aber dann, wenn er allein ist, gerät er nach und nach in Erregung und glaubt, einen Dolch in seinen Händen zu sehen, der ihm den Weg zur Ermordung Duncans weist. Das ist dramatisch und poetisch ein wunderschöner Moment; Du mußt gut darauf achten!
Bedenke, daß es Nacht ist: alles schläft: das ganze Duett muß sotto voce vorgetragen werden, aber mit dumpfer, Schrecken einflößender Stimme. Nur Macbet allein sagt (wie in einem Augenblick der Erregung) einige Sätze laut und mit voller Stimme; aber das alles wirst Du in den Noten erklärt finden. Damit Du meine Ideen recht verstehst, sage ich Dir auch, daß die Instrumentation in diesem ganzen Rezitativ und Duett aus Streichinstrumenten mit Dämpfern,