Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer

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italienischen Übersetzung wie folgt:

      La vita non è altro che un’ombra in cammino; un povero attore

      che s’agita e pavoneggia per un’ora sul palcoscenico

      e del quale poi non si sa più nulla. È un racconto

      narrato da un idiota, pieno di strepito e di furore,

      e senza alcun significato.

      Piave formt daraus den folgenden dreizeiligen Text (nur 17 Wörter im Vergleich zu den 46 Wörtern der Vorlage), der nichts von der Aussage vermissen läßt:

      La vita!... Che importa?...

      È il racconto di un povero idiota!

      Vento e suono che nulla dinota!

      Das Leben!... was liegt daran?

      Das Märchen eines armen Narren!

      Wind und Schall, der nichts bedeutet!

      Das ist jene Kürze, die Verdi von Piave stets einfordert, als er ihm das – leider nicht erhalten gebliebene – Prosalibretto des Macbeth am 4. September 1846 schickt und dazu schreibt: „Ich lege Dir Kürze und Erhabenheit ans Herz.“

      Vom Shakespeare-Text zum Opernlibretto

      D

      ie Verwandlung des Shakespeare-Textes in ein Opern-Libretto erfordert zahlreiche einschneidende Änderungen. Zwar folgt der Operntext im wesentlichen dem Handlungsverlauf der Shakespeare-Vorlage und übernimmt manche Passagen sogar wörtlich, doch muß vieles gestrichen, gekürzt und verändert werden. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Ein Opernlibretto unterliegt anderen Gesetzen als ein Stück für das Sprechtheater. Das liegt unter anderem an der schwereren akustischen Verständlichkeit des gesungenen Wortes und an der unterschiedlichen Vortragsgeschwindigkeit des Textes sowie daran, daß die Figuren im Prosatheater einander ausreden lassen, um vom Publikum verstanden zu werden, etwas durchaus Unrealistisches, womit die Musik durch die Möglichkeit gleichzeitiger Äußerungen mehrerer Figuren viel besser umgehen kann.

      Das zeigt sich beispielsweise in der Schlafwandelszene der Lady: Verdi setzt wie Shakespeare als Beobachter des Geschehens einen Arzt und eine Kammerfrau ein. Durch deren Anwesenheit und ihr besorgtes Zwiegespräch erscheint die Lady nicht als schlafwandelnder Dämon, sondern als bemitleidenswerte psychisch Kranke, die der

      Zuwendung bedarf. Die Gespräche der beiden, die Piave zum Teil wortgetreu von Shakespeare übernimmt, kommentieren die schaurige Szene. Sie unterbrechen damit immer wieder die Äußerungen der Lady, die auf der Prosabühne währenddessen zu stummer Aktion verhalten ist. Bei Verdi findet nur zu Beginn der Szene ein eigener Dialog der beiden statt. Alle weiteren Bemerkungen fallen gleichzeitig mit dem Gesang der Lady oder in dessen kurzen Pausen, ohne jedoch dessen Fluß zu unterbrechen oder zu behindern.

      Abgesehen von dem speziellen Mechanismus dieses Beispiels muß bei den personenreichen, handlungsmäßig komplexen und rhetorisch ausgefeilten Dramen Shakespeares für eine Oper vieles reduziert werden: von der Anzahl der Akte, der Schauplätze, der Szenen und der handelnden Personen bis hin zum Textvolumen. So werden aus den fünf Akten Shakespeares bei Piave vier Akte, das Bühnenpersonal wird auf fast die Hälfte der handelnden Personen des Dramas reduziert, und der Umfang des Piave-Librettos (in der Fassung von 1865) beträgt nur wenig mehr als ein Viertel des Shakespeare-Textes. Aus drei Hexen und Hekate im Drama wird die Hauptfigur des Hexenchors.[301]

      Nebenhandlungsstränge mit Szenen wie jene zwischen dem Pförtner und Macduff (II,2), die nur in eine Semiseria gepaßt hätten, werden von Verdi und Piave eliminiert, ebenso die Figur der Lady Macduff und die Szene mit ihrem Sohn (IV,2). Lady Macbeth wird noch stärker als bei Shakespeare in das Zentrum der Handlung gestellt, zudem wird bei der Revision der Oper von 1865 ihr Charakter verändert, denn Verdi ersetzt ihr Allegro brillante „Trionfai! securi al fine“ (II,1) durch das Allegro moderato „La luce langue“ (II,2), eine zweiteilige Arie, deren Orchesterbegleitung schon auf sein Spätwerk vorausweist und die musiksprachlichen Errungenschaften der Nachtwandelszene fortsetzt.

      Doch Verdi und Piave reduzieren Shakespeare nicht nur für die Opernbühne, sondern fügen auch Neues hinzu: So schreibt Piave eine neue Hexenszene (I,4), die bei Shakespeare keine Entsprechung hat, läßt Banco die Vorahnung auf seine Ermordung aussprechen, die wohl auch dazu dient, die Arie „Come dal ciel precipita“ (II,4) vorzubereiten (bei Shakespeare ahnt Banquo nichts), erfindet das Trinklied der Lady (II,5), das es bei Shakespeare nicht gibt und schafft die Sterbeszene Macbeths (Scena ultima: „Mal per me che m’affidai“) auf offener Bühne, die es bei Shakespeare nicht gibt und die Verdi in der Revision von 1865 dann wieder streicht.

      All das entspricht den praktischen Erfordernissen der Opernbühne und zeigt, was ein Libretto zu leisten hat: Erstens, dem Zuhörer verbal jene Basisinformationen zu vermitteln, die er zum Verständnis des Handlungsablaufs benötigt, und zweitens, der Musik die Vorbedingungen in Form eines Gerüsts zu liefern, anhand dessen sie sich mit all ihren Möglichkeiten entfalten kann. Vereinfachend kann man sagen: Was das Libretto nicht sagt oder nur andeutet, wird von der Musik gesagt. Oder, überspitzt formuliert: Ein gutes Libretto soll gar keine großen literarischen Qualitäten haben, denn sonst bedürfte es der Musik nicht.

      Die musicabilità

      V

      erdi, der in einem Brief an Piave vom 4. September 1846 den Macbeth als „eine der größten menschlichen Schöpfungen“ bezeichnet hat, weiß das und sucht in seinen Libretti keine literarischen Werte. Für ihn ist einzig und allein der dramatische Wert eines Textbuches von Bedeutung sowie dessen musicabilità, die musikalische und theatralische Funktionalität zum Zwecke der Komposition. Schon als Dreißigjähriger wußte er um die Wirkungen auf der Opernbühne Bescheid: „Oft wirken ein zu langes Rezitativ, eine Phrase, ein Satz, die in einem Buch und auch in einem Prosastück wunderschön wären, in einem gesungenen Drama lächerlich.“

      Das ist einer der Gründe, weshalb in der Oper auf Macbeths innere Monologe und Reflexionen weitgehend verzichtet wird. Während der Protagonist bei Shakespeare detaillierte Einblicke in seine Gedankenwelt preisgibt und dadurch facettenreicher wird, fehlen dem Opernbesucher vom Text her etliche Informationen, die ihn genauer charakterisieren, was aber durch die Musik kompensiert wird.

      Ingesamt folgt Piave an vielen Stellen der Oper getreu der Vorlage Shakespeares. Er zeigt dabei ein gutes Auge für das Wesentliche und eine sichere Hand bei einprägsamen Formulierungen. Allerdings muß er bei der Textgestaltung der Hexenchöre und der Nachtwandelszene ohne sein Wissen Textänderungen durch Andrea Maffei hinnehmen, was dazu führt, daß das Libretto vorerst ohne Namensnennung des Librettisten veröffentlicht wird. Erst 1863 scheint Piaves Name in gedruckter Form auf.

      Kürze und Erhabenheit

      N

      achdem die Entscheidung aus Besetzungsgründen definitiv zugunsten des Macbeth gefallen ist und Lanari der Stoffwahl zugestimmt hat, läßt Verdi die bereits bis zur Hälfte gediehenen Masnadieri, die er im Folgejahr in London fertigstellen will, liegen und schickt seinen Entwurf des Macbeth am 4. September 1846 mit der Anmerkung „Ich lege Dir Kürze und Erhabenheit ans Herz“ zur Ausarbeitung an Piave, der sich sofort an die Arbeit macht. Bereits fünf Wochen später kann Verdi dem Impresario nähere Angaben machen.

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