Wenn Rache süchtig macht. Heidi Oehlmann
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Natürlich habe ich mich seit damals sehr verändert. Mein Körperumfang hat sich inzwischen halbiert. Voller Stolz kann ich sagen, nun kein Gramm Fett mehr zu viel auf den Hüften zu haben. Es war ein langer Weg voller harter Arbeit und Disziplin. Vor acht Jahren stellte ich von einem auf den anderen Tag meine Ernährung um. Auf Kohlenhydrate und Zucker verzichte ich seitdem komplett. Als die ersten Pfunde gepurzelt waren und ich mich besser bewegen konnte, begann ich Sport zu machen. Erst begrenzte sich meine körperliche Ertüchtigung auf fünfzehn Minuten pro Tag. Umso mehr Ballast wich, desto mehr trainierte ich. Heute mache ich meine Leibesübungen drei Stunden pro Tag und verzichte weitgehend auf alle Lebensmittel, die dick machen.
Anfangs musste ich mich jedes Mal aufs Neue überwinden. Inzwischen bin ich süchtig nach Bewegung. Es fühlt sich hinterher immer so gut an. Man weiß einfach, was man geleistet hat. Und ganz nebenbei verändert sich der Körper in eine positive Richtung. Das Fett weicht dem Muskelgewebe. Mit meinem neuen Ich muss ich mir nie wieder solche Sprüche, wie Betty ist ein Fetti anhören.
Nach diesem Abend in der Diskothek verabredeten wir uns für das darauf folgende Wochenende in dem gleichen Laden. Auch dieses Treffen verlief gut. Wenn ich nicht wüsste, was mir Marc damals angetan hatte, hätten wir vielleicht so etwas wie Freunde werden können. So genoss ich einfach den Abend mit ihm. Wir hatten eine Menge Spaß. In meinem Hinterkopf reifte aber der Plan, mich zu rächen. Meine Vorstellung der Tat wurde immer konkreter. Umso mehr freute ich mich, als Marc mich für heute zum Essen einlud. Ich schlug ihm sofort ein gemeinsames Kochen vor. Marc willigte ein.
Als ich bei ihm eintraf, bot ich ihm an, allein zu kochen und bat ihn den Tisch zu decken. So unüberlegt, wie ich tat, war mein Vorschlag nicht. Ich machte mir vorher schon jede Menge Gedanken darüber, wie ich meine Spezialzutat in sein Essen bekommen könnte. Da war die Idee, allein zu kochen und die Küche somit für mich zu haben, die beste Lösung.
Ich setzte also Wasser für die Nudeln auf und bereitete die Soße zu. In Marcs Küche gab es, wie ich es erwartete, keine frischen Zutaten. Also bestand das Kochen daraus, ein Tetrapack Fertigsoße in einen Topf zu füllen und zu verfeinern. Genau auf das Verfeinern war ich vorbereitet. Als ich mich auf den Weg zu Marc machte, steckte ich ein Tütchen der todesbringenden Substanz in meine Tasche, die ich nur noch der Soße zuführen musste. Kurz bevor ich an der Wohnungstür klingelte, verstaute ich das kleine Päckchen im Ärmel.
Den Tüteninhalt hatte ich bereits vor Wochen besorgt. Dafür bin ich raus in die Natur gegangen und habe die Blätter des Blauen Eisenhuts gesammelt, sie getrocknet und liebevoll zerkleinert. Anschließend füllte ich sie portionsweise in die kleinen Tütchen ab.
Ich greife in die Tasche meiner Jeanshose und ziehe einen Zettel raus. Nachdem ich ihn auseinandergefaltet habe, schnappe ich mir den Kugelschreiber, der auf dem Couchtisch liegt, und streiche den zweiten Namen von oben durch. Der erste Name ist bereits durchgestrichen. Dies geschah bereits vor zweieinhalb Jahren. Nun sind nur noch zwei Namen auf meiner Liste, die darauf warten, gestrichen zu werden.
Ich verstaue den Zettel wieder in der Hosentasche und stecke den Kugelschreiber in meine Handtasche. Einen kurzen Moment lang überlege ich, wie ich weiter vorgehe. Ich weiß, dass ich alle Spuren beseitigen muss, um nicht in Verdacht zu geraten. Also nehme ich die beiden Weingläser, die noch auf dem Tisch stehen, und gehe mit ihnen in die Küche. Ich stelle sie neben die Teller und greife nach dem Topf, in dem sich noch ein Rest der Nudelsoße befindet.
Er muss weg! Darin kann das Gift, welches ich Marc verabreicht hatte, eindeutig nachgewiesen werden. Ich möchte keinesfalls mit dem Mord in Verbindung gebracht werden. Den Soßenrest schütte ich in die Toilette und spüle das dreckige Geschirr ab. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Geschirrhandtuch. Als ich fündig werde, trockne ich das Geschirr ab und verstaue es in den Schränken.
Nun überlege ich, was ich in der Wohnung alles angefasst habe. Ich gehe durch die Räume und wische jeden Zentimeter, den ich berührt habe mit dem gleichen Geschirrtuch ab, mit dem ich eben noch das Geschirr abtrocknete. Mit kräftigen Bewegungen reibe ich die Oberflächen ab, bis ich einen leichten Schmerz in der rechten Hand verspüre. Es hilft nichts. Ich muss weitermachen! Also wechsele ich die Hand. In der linken Hand habe ich nicht so viel Kraft wie in der rechten, sodass ich das Tuch nach kurzer Zeit wieder in der rechten Hand halte.
Ich bin etwas durcheinander und kann mich nicht mehr erinnern, was ich alles mit meinen Händen berührte. Um ganz sicher zu gehen, wische ich alle Schränke und Türgriffe ab.
Der Esstisch!, kommt es mir in den Sinn. Ich muss den Esstisch abwischen! Dort saß ich, als ich auf die Wirkung des Giftes wartete. Mit großer Sicherheit wird man auf der Tischplatte meine Fingerabdrücke finden. Ich gehe zu dem Tisch und schrubbe ihn regelrecht sauber. Danach gehe ich nochmals durch alle Zimmer. Ich will nichts übersehen. Sobald ich Marcs Wohnung verlassen habe, gibt es kein zurück. Dann habe ich keinen Zugang mehr zu diesen Räumlichkeiten.
Nach kurzer Überlegung bin ich mir sicher, alle meine Spuren beseitigt zu haben. Ein letztes Mal gehe ich zu Marc. Ich schaue ihn an und weiß, er wird nie wieder eine Frau wegen ihres Gewichts fertigmachen. Bei dem Gedanken fühle ich mich erleichtert und muss lächeln.
Ich gehe zur Wohnungstür, wische die Türklinke von beiden Seiten ab. Dann wickele ich das Tuch um meine rechte Hand und ziehe die Tür hinter mir, mit der umwickelten Hand, ins Schloss.
Während ich das Haus verlasse, überlege ich mir, zur Feier des Tages noch etwas trinken zu gehen. Auf den heutigen Erfolg muss ich einfach anstoßen und wenn es nur mit mir selbst ist. Pfeifend mache ich mich auf die Suche nach einer geeigneten Location.
2. Kapitel – Betty
Ich halte vor einer Bar namens Blackbox. Von außen sieht der Schuppen nicht besonders einladend aus. Bei dem Namen wundert es mich nicht weiter. Es ist mir nicht so wichtig, es war der erste Laden, den ich entdeckte. Ich wüsste auch nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Normalerweise gehe ich nicht aus. Den Genuss von Alkohol und das Einatmen von Zigarettenrauch versuche ich zu meiden. Beides ist nicht wirklich gesundheitsfördernd und passt somit nicht zu meinem Lebensstil. Viel zu lange habe ich meinen Körper mit Fett und unnötigen Kalorien traktiert. Das ist jetzt endlich vorbei. Heute ist es allerdings etwas anderes. Schließlich habe ich einen Grund zum Feiern. Da kann ich mir schon mal ein Glas Sekt genehmigen.
In der Kneipe ist noch nicht allzu viel los. Es liegt aber weniger an dem Laden als an der Uhrzeit. Immerhin ist es gerade Mal kurz vor neun. Die Bar wird sich in den nächsten Stunden bestimmt noch ordentlich füllen. Dann werde ich nicht mehr hier sein.
Ich gehe an die Bar und bestelle mir ein Glas Sekt.
»Gibt es was zu feiern?«, fragt mich der Barkeeper neugierig.
Ich antworte nur mit einem »Ja« und drehe meinen Kopf in eine andere Richtung. Obwohl ich gut gelaunt bin, habe ich keine Lust auf eine Konversation. Noch viel weniger bin ich in der Stimmung für einen Small Talk. Ich will nicht darüber reden, warum ich in Feierlaune bin. Wie sollte ich auch den Grund für meine gute Laune erklären? Es reicht doch, wenn ich weiß, warum ich mir ein Glas Sekt gönne.
Der Barkeeper scheint es zu akzeptieren. Nachdem er mir das Glas Sekt auf den Tresen stellt, widmet er sich wieder seinen Gläsern, die er bereits bei meiner Ankunft polierte.
Ich sehe mich in der Bar um. Die anderen Leute scheinen sich genauso zu langweilen, wie ich es tue. Also konzentriere ich mich auf mein Getränk und denke an Marc. In Gedanken proste ich ihm zu. Dabei kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Meine Mundwinkel verselbstständigen sich