Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
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Wir stehen um die dampfenden Kessel herum. Die Sonne kommt in dieses Eck vom Dorf nur am Nachmittag, und das auch nur für ein bis zwei Stunden. Wir strecken die Hände zu den dampfenden Kesseln, sie anzufassen geht nicht, sie sind kochend heiß. Hier und da zischt etwas Dampf aus undichten Stellen. Philemon stochert in der Glut, hat die Ofentür ganz offen, damit der Zug die Temperatur in die Höhe treibt. Da huscht ein Leuchten über die Gesichter der Anwesenden, die über Tiere, das Wetter und die letzten Geschehnisse im Dorf reden. Erst nur ein paar Tropfen, dann ergießt sich ein dünner Strahl aus dem ziemlich tief liegenden Rohr, in dem ein Dichtemesser, ähnlich dem Schwimmer einer Angelrute schwimmt, über einen dünnen Schnabel in einen mit Messkerben versehenen Blecheimer.
Philemon schiebt noch ein paar dicke Scheiter in den Brennraum, dann macht er die Tür zu, denn die Betriebs-Temperatur ist erreicht. „Alkohol verdampft bei niedrigeren Temperaturen als Wasser. Beim Brennen sollten 90 Grad nicht überschritten werden!“, erklärt er mir. Der Dichtemesser zeigt auf einer Seite an einer Skala auch den Alkoholgehalt an. „Das ist der Vorlauf! Der darf nicht getrunken werden, der geht später in den nächsten Brand und wird nochmals destilliert. Ebenfalls am Ende, wenn der Schnaps zu schwach läuft, sollte man ihn nicht mehr trinken. Er schmeckt bitter und versaut nur den guten Geschmack!“, erklärt er weiterhin, die anderen werden das sicherlich alle wissen. „Philemon macht den besten Schnaps im ganzen Tal!“, klärt mich Ernest auf, „die Leute kommen von weit her, um hier brennen zu lassen! Es geht um die Qualität, nicht die Menge!“
Nach einer Weile und einem prüfenden Blick auf den Dichtemesser und nachdem er an der Flüssigkeit gerochen hat, leert Philemon den Eimer in ein anderes Gefäß und hält ein Schnapsglas unter den Schnabel, was er im oben offenen Abkühl-Gefäß, in dem der Alkoholdampf in einer Kupferspirale abgekühlt und somit verflüssigt wird, ausgespült hat. Langsam läuft es mit einer glasklaren Flüssigkeit voll. Dann reicht er es mir. Die Unterhaltung ist verstummt, alles schaut auf mich. Durch das Glas spüre ich, dass die Flüssigkeit noch ziemlich warm ist. Ich rieche zuerst dran. Hmm! Ein würziger Duft von Pflaumen und eine Spur von Mirabellen steigt mir in die Nase. „Nix wie runter damit!“, sag ich mir und schütte es mir, nachdem ich mit den Lippen geprüft hatte, ob es nicht zu heiß ist, in den Mund. Mir bleibt die Luft weg! Dann muss ich husten, die Tränen steigen mir in die Augen, wäre ich nicht in Atemnot, würde ich jetzt sicherlich Feuer speien! Das ist ja schlimmer als eine Pur-Pfeife mit bestem Afghanen!
Die Herumstehenden sind in Lachen ausgebrochen, sogar Philemon schmunzelt. Ich reiche schnell das leere Glas einem der Gaffer, damit ich mir die Tränen aus den Augen wischen und mich in Ruhe aushusten kann. Als mein Blick wieder klar wir, merke ich, dass außer einer heißen Welle auch ein leichtes Drehen in meinen Kopf steigt. Das Teufelszeug hats in sich! Ich gehe zum Schnabelauslauf, der jetzt zügig überläuft und schaue auf den Alkoholmesser. 80 Prozent! Als alle ungewohnt maßvoll ihr Gläsle getrunken haben, bietet mir Ernest, denn es ist seine Maische, die hier verkocht wird, noch ein Glas an. Unser Lachen und Husten hat noch andere Durstige angelockt, fast alle männlichen Bewohner des Dorfes sind jetzt anwesend. Plötzlich ist die Welt um eine Nuance heller geworden, wie wenn die Sonne die graue Nebelschicht durchbrochen hätte! Wie drollig die Leute mit mal aussehen, wie gesellig sie sind und was sie da für lustige Sachen erzählen! Eigentlich sollte man drei Mal täglich ein Glas Schnaps zur Pflicht machen, dann würden sich alle viel besser verstehen! Unter solchen Gedanken torkle ich zum Auto, um es noch heil nach oben zu bringen.
Am nächsten Montag in der Früh verfrachten wir über ein Brett unser Fass mit der Maische in den R4. Dazu das Brennholz, Kleinholz, zum Anfeuern, Stroh und die Flaschen. Die Kinder müssen sich beide auf den Beifahrersitz zusammendrängen. Unten angekommen nimmt Philemon das Stroh, von dem ich gedacht hatte, dass es zu Anzünden dient, und legt es innen auf den Kesselboden und spreizt es mit zwei Hölzchen zwischen den Kesselwänden fest. „Das ist, damit der Sud nicht auf dem Kesselboden anbrennt!“, klärt er mich auf, als er meinen fragenden Blick sieht. „Man muss immer damit rechnen, dass einer zu viel Zucker in seine Pflaumen gegeben hat, vor allem hinterher. Tut man ihn gleich zu Anfang rein, und vermischt ihn gut, macht das nichts, verbessert eher noch die Ausbeute, vor allem, wenn es wenig Sonne im Sommer hatte“. Nun leert er mit einem Schöpfer zuerst etwas von der flüssigen Maische in den Kessel, dann etwas Festes, und als unser Fass leichter ist, schütten wir den Rest hinein. Als ich den übelriechenden Brei sehe, kann ich mir schlecht vorstellen, dass daraus mal so etwas Klares und Berauschendes entstehen wird!
Da der Kessel nur halb voll ist, schütten wir noch ein Fass Maische von jemand anderen dazu. Am Schluss werden wir den Schnaps dann durch zwei teilen. Nun geht’s ans Anzünden. Bald steigt der Rauch in den kalten, grauen Morgenhimmel und lockt die an Unterkühlung leidenden Männer des Dorfes an. Auch Jean-Paul stellt sich eine Weile an den Kessel, an den man im Augenblick noch die Hände legen kann. Doch dann verschwindet er wieder, um die Schafe zu tränken. Jeder ist sicher, dass er wiederkommen wird, wenn der Vorlauf vorbei ist! Quatschend stehen wir eine Weile um den Kessel rum, während Philemon den anderen Kessel vorbereitet. Elie und Jean-Paul kommen vorbei. Sie haben gleich mehrere Fässer zu brennen. „Man muss es ausnützen, dass die ‚Alte‘ noch lebt, die hat noch das Brennrecht! Selbst wenn die nichts trinkt, kann man den Schnaps teuer verkaufen! Jean-Paul darf ja auch nichts trinken!“, sagt er zu mir, während Jean-Paul mir grinsend hinter seinem Rücken mit einem Auge zuzwinkert
Als ich mittags die Kinder hole, ist der Brand gerade fertig. Philemon hat die Glut und das Holz unter dem Kessel herausgezogen, welches jetzt daneben liegt und uns beißend in die Augen steigt. Er erklärt mir, dass er bei 30 % aufgehört hat, und den Rest dem nächsten Kessel zusetzen wird. Nur so ist der gute Geschmack gewährleistet, bei einem Mittel von 60 bis 70 %. Es ist besser, ihn später mit destilliertem Wasser zu verdünnen, wenn man ihn schwächer trinken will, aber nicht überlang brennen. Ich helfe ihm noch, den Trester auszuleeren und in die danebenliegende Ruine zu schütten. Unseren Schnaps dürfen wir noch nicht mitnehmen, der muss bis zum Abend hierbleiben, falls der Zoll eine Kontrolle macht. Dann fahre ich mit den Kindern hoch zum Essen.
Am Abend, als ich die Kinder von der Schule hole, wollen diese natürlich zum Feuerchen hin. Unweit vom Kessel steht meine volle Korbflasche mit der Ausbeute von 100 Litern Maische. Philemon lässt die Kinder ein bisschen in der Glut stochern und nimmt mich mit auf die Seite. Er greift unter einen verwelkten Farnhaufen vom letzten Jahr und zieht drei Flaschen heraus. „Schau, dass dich niemand sieht! Nimm hier die Flaschen, versteck sie gut unterm Kittel, damit sie niemand sieht, und bring sie ins Auto!“ „Wieso denn das?“, frage ich erstaunt. „Das hat mehr Alkohol, gegeben als der Durchschnitt. Wenn der Zoll das merkt, musst du dafür Steuern zahlen. Nimm sie mit, dann kosten sie nichts! Und komm so gegen 7 Uhr wieder, den Rest holen!“ Also rufe ich die Kinder und wir gehen zum Auto.
Abends um 7 bin ich wieder da. Die zwei Großen wollten unbedingt mit runter, Feuerle spielen. Philemon hat schon alle Kessel geleert und die Glut verschwelt neben den Kesseln. „Bis um 8 Uhr kann der Zoll noch kommen und prüfen, ob alles seine Richtigkeit hat. Denn ich muss alles genauestens aufzeichnen. Jeden Morgen muss ich in der Gendarmerie in Castillon die Papiere holen und abends wieder abliefern. Doch um1/2 8 kannst du die Flasche nehmen, denn dann kommen die nicht mehr, da sie ja auch noch zurückfahren müssen!“ Wir reden noch eine Weile über Schnapsbrennen, während die Kinder mit den unverbrannten Holzresten ein Lagerfeuer machen. Ich erzähle Philemon die Geschichte von einem Apotheker, der nach dem Krieg schwarz Schnaps gebrannt hatte und aufgeflogen war, weil die Kunden blind geworden sind. „Das ist bei Kernobst, wie Äpfeln der Fall, welches zweimal gebrannt werden muss, weil es giftige Fusel-Alkohole entwickelt. Bei Steinobst ist das nicht notwendig. Meine Kessel sind aber so ausgerüstet, dass in einem Arbeitsgang zweimal destilliert wird, somit ist keine Gefahr gegeben und ich kann auch Kernobst brennen!“ Ich fragte