Wie Menschenbilder Personen und Unternehmen verändern. Dr. Hans Rosenkranz
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10 10. Das formale und informale Menschenbild in den Systemen der Betriebsorganisation
IV. Der Einfluss der Betriebsorganisation und ihrer Menschenbilder auf die Betriebserziehung (auf das Werden der Person)
1 1. Auffassungen über die Wirkungen der Menschenbilder der Betriebsorganisation auf den Menschen
2 2. Menschenbilder im Erziehungsprozess (als Entscheidungsprozess)
3 3. Aspekte eines kategorialen Zielsystems der Betriebserziehung
4 4. Wissenschaftliche Aussagen über Wirkungen der formalen und informalen Betriebsorganisation und ihrer Menschenbilder auf die Betriebserziehung (auf das Werden der Person)a) Prämissen der folgenden betriebspädagogischen Modellbetrachtungb) Wirkungen auf die Entfaltung von Rationalität und Emotionalitätc) Wirkungen auf die Entfaltung von Sozialität und Individualitätd) Wirkungen auf Leistung und Zufriedenheite) Wirkungen auf Ordnung und Freiheit
5 5. Annahmen über die künftige Entwicklung der formalen und informalen Betriebsorganisation und die mit ihnen verbundenen Konsequenzen für die Betriebserziehung
V. Maßnahmen zur Betriebserziehung (Erzieherverhalten) im Rahmen der formalen und informalen Organisation der Wirtschaftsbetriebe
1 1. Direkte und indirekte Maßnahmen
2 2. Beispiele zu direkten Maßnahmena) Die Rollenerziehungb) Die Kommunikationserziehungc) Die Gruppenerziehungd) Die Laboratoriumsmethode
3 3. Die Gestaltung der Betriebsorganisation als indirekte Maßnahmen zur Betriebserziehung
Zusammenfassung und Ergebnis
Literaturverzeichnis
I. Die anthropologischen Betrachtungsweisen in dieser Arbeit
Barnard stellt am Anfang seiner Untersuchung »The Functions of the Executive« fest, dass das Studium der Organisation und des menschlichen Verhaltens in Organisationen nicht auf einige so einfache Fragen verzichten kann wie: »What is an individual?« »What do we mean by a person?« »We answer them implicitly in whatever we say about human behavior« (Barnard 1956, S. 8). Die Beschäftigung mit dem Menschen ist in dieser Auffassung nicht nur Voraussetzung der Wissenschaften, die sich mit der betrieblichen Organisation befassen. Sie gibt den Organisationswissenschaften und ihren Aussagen anthropologischen Charakter (Portmann 1960, S. 12)1.
Mit den Fragen: Wie der Mensch im Betrieb wirtschaftet, organisiert, wie er sich verhält und wie er erzogen wird, beantworten die Betriebspsychologie und -Soziologie, die Betriebswirtschaftslehre, die Betriebspädagogik und andere Disziplinen auch anthropologische Fragen. Über das Wie des Menschen erfahren wir aber nur etwas, indem wir auch fragen, wer er ist (Habermas 1958, S. 19). Diese weite Auffassung von der Anthropologie rechtfertigt sich aus der Eigenart des Forschungsgegenstandes Mensch, der in seiner Vielfalt — als Wesen, »das wünscht und hofft, denkt und will, fühlt und glaubt, um sein Leben bangt und in allem den Abstand zwischen Vollkommenheit und seinen Möglichkeiten erfahren muss« (Pleßner 1953a, S. 117) — nur durch ein umfassendes methodisches Instrumentarium erforscht und erkannt zu werden vermag. Von dieser Erkenntnis her kommt Pleßner (1953a) zur Überzeugung, dass »jedem Aspekt, von dem aus der Anspruch erhoben werden kann, dass in ihm menschliches Wesen erscheint, ob der physische, psychische, geistig-sittliche oder religiöse, der gleiche Wert für die Aufdeckung des ganzen menschlichen Wesens zuzubilligen ist« (Pleßner 1953b, S. 270 f.)2.
Dieser wissenschaftstheoretische und -methodische Ansatz wird als sogenanntes »Prinzip der offenen Frage« dieser Arbeit zugrundegelegt. Eine methodisch offene Haltung entspricht dem interdisziplinären Charakter des Themas und der Auffassung, dass lediglich eine ganzheitliche, zugleich aber auch analytische Betrachtungsweise das Attribut anthropologisch verdient (Dörschel 1962a, S. 87). Als anthropologisch sind die empirischen Beiträge der einzelnen Wissenschaften vom Menschen zu bezeichnen, ebenso aber auch die Analyse der in wissenschaftlichen Theorien und kulturellen Objektivationen zugrundeliegenden Auffassungen und Bilder vom Wesen des Menschen sowie ihr Vergleich und ihre Beurteilung von einem ganzheitlichen Menschenbild her.
Die methodisch-anthropologischen Grundlagen, die für das Thema dieser Untersuchung infolgedessen von Bedeutung sind, lassen sich nach drei Richtungen unterscheiden.
1. Die Darstellung einzelner Beiträge zur Theorie der formalen und informalen Organisation
Dabei wird auf die Entstehung und die weitere Entwicklung dieser Theorie eingegangen. Die Entwicklung der Theorie von formaler und informaler Organisation hat bei der sogenannten Hawthorne-Studie begonnen, auf die im Folgenden immer wieder Bezug genommen wird.
Im Rahmen der Hawthorne-Untersuchung wurden »Methoden und Techniken anthropologischer Feldarbeit“ angewandt, die über Elton Mayo von der Kultur- und Sozialanthropologie übernommen worden waren (Stirn 1952, S. 32). Sozial- und Kulturanthropologie haben auf die Entwicklung der Theorie der formalen und informalen Organisation auch über die amerikanischen soziometrischen Community-Studien (Pflaum 1953, S. 21) sowie über den sozial- und kulturanthropologischen Funktionalismus Einfluss genommen (Stirn 1952, S. 54). Dieser besagt, dass sozial-kulturelle Bewegungen im Zusammenhang mit einer größeren Einheit stehen und nur als Teil von ihr verstanden werden können. Eine gewisse Ähnlichkeit hat im Ansatz auch die Gestaltpsychologie Lewins, wonach seelische Vorgänge und ihr Ausdruck im Handeln im Ganzen der Person zu sehen und zu begreifen sind (Francis 1965, S. 41; Stirn 1952, S. 56). Auch in der personalistischen Pädagogik gelten die Idee und die Forderung, die Ganzheit der Person bei Maßnahmen der Erziehung und der Forschung zu beachten, als anthropologisches Leit- und Sinnmotiv (Dörschel 1962b, S. 28f; Baumgardt 1967a, S. 64).
2. Die Analyse der Theorie der formalen und informalen Organisation mit Hilfe anthropologischer Modellvorstellungen
Als solche werden das Polaritäts-, das Schichten- und Rollenmodell betrachtet. Ihr gemeinsames Merkmal ist, dass sie als empirisch-anthropologisch fundiert gelten. Zum anderen dienen sie als Kriterien und Aspekte anthropologischer Analyse.
Aus der menschlichen Veranlagung »zum Denken in Dualismen, in Paaren und Gegensatzbegriffen« (Pflaum 1953, S. 8) und aus der bipolaren Struktur menschlicher Seinsweise selbst (Schlieper 1962, S. 34) werden polare Kategorien gewonnen (z.B. die Kategorien des Subjektiven und des Objektiven, des Heteronomen und Autonomen, des Individualen und Sozialen usw.) und mit ihrer Hilfe menschliche Seinsbereiche analysiert (Baumgardt 1967a, S. 64 ff; 1967b, S. 25 ff; 1967c, S. 180 ff)3.
Es kann als Vorteil einer polaren Betrachtungsweise gelten, dass aufgeworfene Probleme von zwei gegensätzlichen Positionen her gesehen werden. Dadurch ist der Gefahr vorgebeugt, einseitig Züge des Menschen zu verabsolutieren. Das Denken in Polaritäten wird dadurch zwar zu einer analysierenden, aber doch ganzheitlichen Sichtweise.
Auch in der Unterscheidung nach formaler und informaler Organisation kommt die polare Struktur menschlicher Seinsweise zum Ausdruck. Formale und informale Organisation sind daher selbst als spezielles Polaritätsmodell zu begreifen, in dessen Einheit die Wirklichkeit, in dessen Trennung nur ein Aspekt der Wirklichkeit erscheint.
Zur Erkenntnis seiner selbst ist der Mensch darauf angewiesen, die komplexe Wirklichkeit mit