Wie Menschenbilder Personen und Unternehmen verändern. Dr. Hans Rosenkranz

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Ziele des Betriebes in den Entwurf und den Vollzug einer Ordnung für mehrere Menschen umgesetzt.

      2. Die Bedeutung der Betriebsorganisation für den Menschen

      Der Begriff der Organisation steht in mancherlei Beziehung zu den Begriffen Institution, Struktur und System. Während man bei aller Vielfalt der Auslegungen im einzelnen die Institution generell als relativ stabiles, soziales Gebilde von normierend ordnender Verbindlichkeit für das menschliche Verhalten in ihr bezeichnet (Brezinka 1961, S. 26), ist mit dem Begriff Struktur zumeist der innere Aufbau eines sozialen Gebildes gemeint. Der Begriff System wird häufig zur Charakterisierung der Interdependenz der Elemente eines sozialen Gebildes verwendet. So bezeichnet z.B. Heinen die Betriebsorganisation als »ein System von Elementen — den Menschen oder organisatorischen Stellen bzw. Rollen« (Heinen 1968, S. 53). Organisation wird auch als soziotechnisches System (Dienstbach 1968, S. 30 ff) oder als menschliches System begriffen, das den Kern ökonomisch-technischer Prozesse darstellt (Mayer 1951, S. 100).

      Lersch will die Organisation als »rational-planmäßige Verteilung von Einzelfunktionen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles« verstehen. »Die Organisation sorgt dafür, dass das, was notwendig getan werden muss, zur rechten Zeit vom rechten Mann in der richtigen Weise getan wird« (Lersch 1965, S. 38). Auch Nordsieck (1955, S. 26), Mayntz (1963, S. 19) und König (1967, S. 142) betonen die Zweck- und Zielstruktur der Organisation.

      Angesichts der Absicht dieser Arbeit ist ein weiter Organisationsbegriff zugrundezulegen, der von seiner deskriptiven Fassung her sowohl formale wie auch informale Elemente berücksichtigt (Heinen 1968, S. 53). Die Betriebsorganisation wird als ein strukturiertes soziales Gebilde mit mehreren interdependenten Subsystemen betrachtet, die unter einem Ziel geplant und durch ungeplante Phänomene erweitert sind.

      Aussagen über die Bedeutung der Organisation unter anthropologischen Gesichtspunkten können nicht nur auf die formale Planungs- und Realsphäre beschränkt bleiben, sondern haben auch die informale Realsphäre zu berücksichtigen.

      Unter den von Bollnow dargestellten Prinzipien, der anthropologischen Reduktion und dem Organonprinzip, sind die für den Wirtschaftsbetrieb festgestellten Aufgaben im Rahmen seiner Organisation zu konkretisieren. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass die Organisation nicht nur positive Aufgaben für den Menschen wahrnimmt, sondern auch negative Wirkungen auf den Menschen haben kann.

       a) Die Erhaltung des Menschen durch die Betriebsorganisation

      Der Mensch schafft die Organisation zum Ausgleich seiner organischen Mängel und zur Befriedigung seiner mannigfaltigen Bedürfnisse. Denn durch die Organisation nimmt das Individuum sein primäres Interesse nach Selbsterhaltung wahr und versucht weitere spezifische Interessen »auf rationale Weise, durch Abwägen der Mittel nach ihrer Zweckmäßigkeit, zu verwirklichen« (Mayntz 1963, S. 22). Organisation ist damit Symbol menschlicher Selbsterhaltungsfähigkeit und -möglichkeit.

      Fasst man den Betrieb als Kulturstätte auf, so ist die Betriebsorganisation ebenfalls als kulturelle Objektivation zu betrachten. Sie übernimmt Funktionen der Tradierung und Erhaltung organisatorischen Wissens und organisatorischer Erfahrung.

      Andrerseits wohnt Organisationen nicht nur die Tendenz inne, bestehen zu bleiben, sondern sich ständig zu vergrößern. Je mehr aber die Größe von Organisationen wächst, desto mehr entsteht auch die Gefahr, dass sie sich verselbständigen und ihre anthropologischen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen (Weisser 1965, S. 192). Sie tragen dann weniger zur Erhaltung des Menschen als zu seiner Entfremdung bei.

       b) Die Entfaltung des Menschen durch die Betriebsorganisation

      Der Betrieb ist die Entfaltung des handelnden Menschen als Institution«, so sagt Thoms (o. J., S. 9). Als handelndes und wirtschaftendes Wesen entfaltet sich der Mensch. Die Organisation ist das Feld seiner Aktivität, Anregung und Anstoß zum menschlichen Lernprozess.

      Der Mensch steht zur Organisation in einem zweiseitigen Verhältnis. Indem er Organisationen schafft und entwickelt, entfaltet er die eigenen Kräfte. Andrerseits vollzieht sich durch die Organisation als Sozial- und Kulturgebilde organisationstypische Sozialisation und Enkulturation (Wurzbacher 1963).

      Organisation als Kooperationsgebilde fordert vom Menschen Anpassung an die Gruppe, Erfüllung der Arbeitsaufgabe, neutrales und gleichförmiges Verhalten, um den Arbeitsablauf in der Organisation nicht zu stören. Wird der ausgeübte Druck zu kollektivem Zwang, hemmt die Organisation menschliche Entwicklung. Die Dynamik der Organisation weicht organisatorischem Konservativismus, da Originalität und schöpferische Impulse der Mitglieder fehlen.

       c) Die Entlastung des Menschen durch die Betriebsorganisation

      »Der Mensch ist nicht so geartet, dass er in dauernder Unsicherheit inmitten unbegrenzter Wahlmöglichkeiten leben könnte« (Brezinka 1961, S. 39). Die Organisation bietet Verhaltensmuster an, die den Menschen entlasten »von der Dauerbeanspruchung des Bewusstseins und vom Zwang zu immer neuen Entscheidungen« (Brezinka 1961, S. 29). Kräfte können frei werden für wesentliche Aufgaben.

      Mit der Habitualisierung menschlichen Verhaltens durch die Betriebsorganisation entsteht aber zugleich auch die Gefahr einer übermäßigen Organisationsdeterminierung und der allzu großen Beschränkung des persönlichen Freiheitsraumes.

      Nur selten entwickelt der Mensch unter dem Druck der Schematisierung Energiereserven, die über bloße Abwehrhaltungen hinausreichen, »um innerhalb seiner Umstände die Einmaligkeit darzustellen, d.h. ergiebig, erfinderisch, fruchtbar zu wirken« (Gehlen 1961, S. 72).

       d) Die Orientierung des Menschen durch die Betriebsorganisation

      Organisationen entlasten nicht nur, sie orientieren auch. Die Orientierung kann auf zweierlei Weise erfolgen: Sie machen das Handeln des Menschen vorausschaubar und bieten Handlungsziele an (Simon 1955, S. 66).

      Aber erst, wenn in Organisationsformen und -zielen die Idee der Humanität verwirklicht ist, dienen sie als Außenstützen eines hohen Motivationsniveaus, die »erst die Innenseite der Moral zuverlässig machen« (Gehlen 1961, S. 23 f). Die Idee einer solchen Organisation müsste sich in der Gleichheitsvorstellung und der Wahrung der Rechte des einzelnen begründen (Mayntz 1963, S. 22).

      Negativ und desorientierend wirkt die Organisation auf den Menschen, wenn sie dazu führt, dass er sein Handeln einseitig nach rationalistischen und pragmatistischen Zweckgesichtspunkten der Organisation ausrichtet.

      Einzelne organisationstypische Orientierungen werden von Mayntz in der Begriffssprache von Parsons dahin formuliert, »dass die Kriterien der affektiven Neutralität, der Spezifizität, der Leistung und der Universalität vor den Kriterien der Affektivität, der Diffusheit, der Zuschreibung und des Partikularismus Vorrang haben« (Mayntz 1963, S. 22).

      Den Kriterien von Parsons liegt eine spezielle Organisationsauffassung und mit ihr auch ein spezielles Menschenbild zugrunde, in dem einzelne Eigenschaften als erwünscht oder nicht erwünscht gelten.

      Je nach Organisationsmodell wird die Bedeutung der Organisation für den Menschen variieren, denn mit dem impliziten Menschenbild ändern sich auch die Auffassungen vom Wesen des Menschen und der Organisation und die realiter von der Organisation wahrgenommenen Aufgaben. Eine der Aufgaben der Anthropologie ist es, Menschenbilder aus Aussagen über den Menschen und aus seiner Stellung in der Organisation sichtbar zu machen und zu formulieren.

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