Wie Menschenbilder Personen und Unternehmen verändern. Dr. Hans Rosenkranz

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(Baumgardt 1967b, S. 25) charakterisiert, deren »letzte Ursprünge als Ausdruck der Daseinsgebundenheit des Menschen unwandelbar in der vitalen Triebwirklichkeit« liegen (Ziegenfuss 1943, S. 6). Bezeichnet man wie Herder und Gehlen den Menschen als organisches Mängelwesen (Gehlen 1962, S. 84), so erfüllt wirtschaftliches Tun mängelausgleichende Funktionen zur Selbsterhaltung des Menschen. Denn Wirtschaften ist eine Möglichkeit diese Mängel zu kompensieren. Sie ist die Fähigkeit, »die der dringendsten Notwendigkeit entspricht, diese rohe Natur, und zwar jederlei beliebige Natur, wie immer sie beschaffen sein möge, so zu verändern, dass sie ihm lebensdienlich wird« (Gehlen 1961, S. 18).

      Die Wirtschaft in ihrem Wesen ist nicht nur durch die egoistische Vitalfunktion der Selbsterhaltung zu erklären. Sie kann auch, wie Dörschel es tut, »als von Hilfswillen und mitfühlender Phantasie getragene Vorsorge für die Lebenserhaltung und Lebensanpassung« (Dörschel 1965, S. 97) verstanden werden. Wirtschaften wird in dieser Auffassung durch emotional-soziale Funktionen erweitert. Über die Vitalschicht hinaus sind nunmehr Seiten des Menschseins angedeutet, die im Schichtenbild der Person dem endothymen Grund angehören.

      Die Person befreit sich aus vitaler Gebundenheit durch Wirtschaften. Sie entwickelt höhere Bedürfnisse und fördert dadurch einen evolutiven Prozess der Höher- und Weiterentwicklung menschlicher Kultur (Nell-Breuning 1962, S. 164, Ziegenfuss 1943, S. 6).

      »Darstellungen der Wirtschaft gehen häufig davon aus, dass der Mensch, in dem er wirtschaftet, ein Verhältnis zu Sachen herstelle. Nicht, dass die Gegenstände des Wirtschaftens »Sachen« sind, ist das, was wir uns zum Verständnis der Wirtschaft klar machen müssen, Ausgangspunkt ist vielmehr, dass die Sachen und Nichtsachen, über die die meisten Menschen wirtschaftlich zu disponieren wünschen, geschätzt und begehrt werden und im Verhältnis zum Bedarf knapp sind, dass überdies ihre Beschaffung als solche Leid und Freud bereiten und zum Beruf werden kann und dass die wirtschaftlichen Handlungen Beziehungen zu anderen Menschen stiften, die nicht nur mittelbar, sondern auch unmittelbar geschätzt werden und ihrerseits sowohl Freud wie Leid spenden können« (Weisser 1956, S. 995).

      Schließlich ist das Wirtschaften im Aufbau der Person auch durch den personellen Oberbau repräsentiert. Er ist die regulierende und kontrollierende Instanz, die bewusst den Ausgleich zwischen der objektiven Knappheit der Güter und Leistungen und den subjektiven körperlich-geistigen Bedürfnissen des Individuums herbeiführt. Der personelle Oberbau ist die Verstandesschicht, die Ratio-Schicht im Schichtenaufbau der Person.

      Setzt man »ratio« gleich dem Schelerschen Geistbegriff (Scheler 1962, S. 38 ff), so ist die Fähigkeit, Denken und »Nein« sagen zu können, das den Menschen über das Tier stellende Kriterium und zugleich die Möglichkeit aus der Stellung des biologischen Mängelwesens zum Beherrscher der Natur und zum Schöpfer von Kultur zu werden, die sich im Wirtschaften als kulturellem Handeln, im Wirtschaftsbetrieb als kultureller Institution, sichtbar darstellt.

      Wechselt man von der Individualbetrachtung wirtschaftlichen und wirtschaftsbetrieblichen Handelns zur Sozialbetrachtung, von einer funktional anthropologischen zu einer institutional anthropologischen Betrachtungsweise, so bietet sich der Vergleich des Aufbaus der Person mit dem Aufbau des Betriebes an. »Auch er besitzt einen rationalen Oberbau« ein Ich und einen »endothymen Grund« ein Es« (Mayer 1951, S. 102). Aus dieser Modell-Vorstellung ergeben sich anthropologische Ansatzpunkte zur Erklärung des betrieblichen Geschehens (Fischer 1949, S. 19; Thoms o. J., S. 10).

      Als wesentlich ist dieser Betrachtungsweise zu entnehmen, dass Wirtschaften und wirtschaftsbetriebliches Handeln im Ganzen des Individuums und des sozialen Gebildes »Wirtschaftsbetrieb“ integriert sind. Die durch die gesamte Geschichte zu verfolgende Diskriminierung wirtschaftlichen Handelns und des »Ökonomischen Menschen« in einer zweifelhaften Über- und Unterordnung von Werten, beruht zumeist auf zwei Unterstellungen:

       a) Wirtschaften wird isoliert auf eine Schicht der Person zurückgeführt, z.B. Wirtschaften als reine Vitalfunktion oder als reine Rationalfunktion.

       b) Man unterstellt verschiedene Schichtenwertigkeiten und ordnet ihnen zugleich auch die Lebensbereiche zu.

      Die Anthropologie unterscheidet zwar analysierend Schichten im Aufbau der Person; sieht aber die Schichten und ihre Funktionen für menschliches Handeln immer im Zusammenhang der ganzen Person. Das in der Betriebswirtschaftslehre häufig zugrundegelegte Prinzip der Wirtschaftlichkeit als Sonderfall des allgemeinen Rationalprinzips reicht daher auch nicht aus, um die meisten betrieblichen Zusammenhänge anthropologisch zu deuten. Nichtsdestoweniger kommt ökonomisch rationalem Verhalten unter der Zielstellung Gewinn- und Erwerbsstreben eine primäre Finalität im Betrieb zu. Nach herrschender Meinung liegen im individuellen Erwerbsstreben als rationalem Verhalten Chance und Gefahr einer auf Unternehmerinitiative und auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung. Fehlformen wirtschaftsbetrieblichen Verhaltens können sowohl in der Verabsolutierung von subjektiv rationalen wie auch organisatorisch rationalen Vorstellungen gesehen werden.

      Die stürmische Entwicklung der Sozialwissenschaften vom Menschen (Sozialpsychologie und Soziologie) einerseits und die Integration der sozialen Bedingungen des Menschen in betriebswirtschaftlichen Modellen andererseits hat zu einer neuen und realistischeren Betrachtung des Wirtschaftsbetriebes geführt. Der Wirtschaftsbetrieb ist nicht mehr nur Stätte der Arbeit, der Leistung und des harten wirtschaftlichen Wettbewerbes; er wird nun auch als Feld sozialer Interaktion und Kommunikation und als Lebensraum (Neuloh 1960, S. 304) gesehen, in dem man sich wohlfühlen muss. Aspekte des Zusammenlebens, Zusammenarbeitens, des sozialen Konfliktes, der Herrschaft, der Hierarchie und des sozialen Wandels gewinnen an Interesse und kennzeichnen die sozialanthropologische Dimension des Wirtschaftsbetriebes. Der Mensch wird nicht mehr nur als rational-individuales Wesen mit homo-oeconomicus Eigenschaften erkannt. Er wägt auch nicht dauernd Vorteil und Nutzen ab, sondern sein Handeln ist vielfach bestimmt von sozio-emotionalen Bedürfnissen, die aus der originären Kraft des Es ihre Verbindlichkeit erhalten.

      Der Wirtschaftsbetrieb ist aus individual- und sozialanthropologischer Sicht ein ganzheitliches Gebilde mit mannigfachen Aufgaben für den Menschen, die weit über die rationalökonomische Zielsetzung hinausgehen. Der Wirtschaftsbetrieb gewinnt »eine so zentrale Stellung im öffentlichen Leben, dass er geradezu als Inbegriff und Sinnbild unserer Zeit erscheint« (Mayer 1961, S. 4). Je mehr die traditionellen Institutionen im Wandel der Zeit an verbindlicher und menschenstützender Wirkung verlieren, wachsen dem Wirtschaftsbetrieb weitere Funktionen für den Menschen zu, denen er sich nicht entziehen kann, wenn er als Gemeinschaft (Fischer, G., Krasensky, H., Litt. Th., u.a.) gelten soll, die dem Gemeinwohl zu dienen hat (Schlieper 1963, S. 110).

      Auch ein Vergleich des Wirtschaftsbetriebes in seiner Struktur mit dem Aufbau der Person im Sinne Arthur Mayers vermag zur Feststellung menschenrelevanter Aufgaben und Funktionen des Wirtschaftsbetriebes zu verhelfen.

      Dem allen liegt die Tendenz zugrunde, die Wechselbezogenheit von Mensch und Betrieb zum Ausdruck zu bringen, wie das v. Nell-Breuning expressis verbis tut: »der Mensch im Betrieb ist für den Betrieb da, der Betrieb aber ist da für die in ihm tätigen Menschen« (Nell-Breuning 1950, S. 263).

      Sehen wir den Betrieb in Anlehnung an die vorgenannten Autoren, so lassen sich formale Kategorien finden, durch die die Aufgaben des Betriebes für die Menschen zu kennzeichnen sind. Aus anthropologischer Sicht kann der Wirtschaftsbetrieb Erhaltungs-, Entfaltungs-, Entlastungs- und Orientierungsaufgaben für den Menschen wahrnehmen. Ob diese Aufgaben vom Wirtschaftsbetrieb tatsächlich erfüllt werden, hängt im Einzelfall von der Organisation des Betriebes und der dieser jeweilig zugrundeliegenden Auffassung ab, denn nur ein feinstrukturiertes Gebilde kann einer so umfassenden Aufgabenstellung für eine Gruppe von Menschen gerecht werden. Wird Organisation mechanistisch als das Instrument einer Einzelperson oder einer Gruppe aufgefasst, so liegt dem eine andere Auffassung vom Wirtschaftsbetrieb und seinen Aufgaben zugrunde, als wenn der Betrieb selbst als Organisation (Heinen 1968, S. 46 ff. Wehner 1965, S. 13) mit all den sich ergebenden Schlussfolgerungen

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