Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden. Ulrich Muller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden - Ulrich Muller страница 2
Links vom Vorraum ging es in den Salon. Auf der rechten Seite war die geräumige Küche untergebracht. Die Flügel der beiden Küchenfenster waren weit geöffnet, und man konnte im Inneren die Angestellten des Catering Services „Sonny & Tubbs“ bei ihrer Arbeit beobachten. Die jungen Damen und Herren steckten in weißen Hemden und schwarzen Hosen, um den Hals trugen sie breite, knallrote Krawatten und um die Hüften dunkelgraue Schürzen, die bis zu den Waden reichten. Zwischen ihnen agierte ein Koch mit weißer Kochhaube. Die ganze Mannschaft wurde von einem geschäftigen Herrn mit kahl geschorenem Kopf beaufsichtigt. Mit strenger Miene schritt er umher und verteilte seine Befehle.
Wo Arthurs Blick auch hinfiel, jeder Baum und jeder Strauch war mit irgendwelchen Erinnerungen an seine seltsame Kindheit verbunden. Es hatte sich fast nichts verändert seit damals. Alles stand noch an der Stelle, wo es seinem Gedächtnis entsprechend hingehörte, und er hatte ein fabelhaftes Gedächtnis.
Im schattigen Garten drängte sich die Hochzeitsgesellschaft. Um den Rasen zu schonen, waren rote Teppiche aufgelegt. Die Bäume waren mit Lampions und bunten Luftballons geschmückt. Entlang der Gebäudefront erstreckte sich auf der Gartenseite eine Terrasse. Etwa auf der Höhe der Küche hatte man eine Bühne errichtet. Dort hatten vor wenigen Minuten vier Musiker Platz genommen. Die Mitglieder des Streichquartetts rückten ihre Pulte zurecht und stimmten ihre Instrumente. Es war einer der wenigen schönen Sommertage dieses Jahres. Die Musiker in ihren schwarzen Anzügen litten unter der Hitze. Auf der Glatze des ersten Geigers glitzerten die Schweißperlen.
Arthur stand im Schatten unter einem der Apfelbäume und atmete erleichtert durch, als die Hitze durch einen leichten Windhauch etwas gemildert wurde. „HALLO!“ Er hörte Josefs laute und unverkennbare Stimme. Er drehte sich um und sah Josef über den Rasen schlendern. In der Hand hielt dieser eine kleine rote Kamera. Ohne die Kamera ging Josef nicht aus dem Haus, alles und jeder wurden damit zwanghaft abgelichtet. Seine Spezialität war das Schießen von Gruppenbildern, dafür arrangierte er dann immer mit launigen Worten die verschiedenen Personen. Soweit verfügbar wurden diese mit Kopfbedeckungen und Requisiten ausgestattet. Dann wurde die Kamera auf einem kleinen Stativ in Position gebracht und so eingestellt, dass mit dem Selbstauslöser drei Fotos von der meist dümmlich grinsenden Gesellschaft geschossen werden konnten.
Josefs Styling war abenteuerlich. Er trug eine weiße Hose, ein schwarzes Hemd, auf dem bunte Spielkarten aufgedruckt waren, ein hellblaues Jackett und, dazu passend, rote Raulederschuhe. Er musste in der Küche gewesen sein, denn er hatte eine Kochmütze auf. Sein rundes Gesicht war durch die Hitze und durch zahlreiche Schnäpse gerötet. Die Kochmütze versteckte das etwas schüttere Haar. Offensichtlich dachte er, die steife Gesellschaft könne etwas Auflockerung vertragen.
Die Musiker stimmten Mozarts Kleine Nachtmusik an. Nicht schon wieder, dachte Arthur, ließ sich aber dann von den unvernichtbaren Melodien bezaubern. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, denn er dachte an ein Erlebnis mit Josef. Dieser wusste über Mozart nicht mehr, als dass es ein Konfekt gab, das nach ihm benannt war. Arthur hatte bei einem Gespräch erwähnt, dass sich seine Verwandten wöchentlich zum Quartettspielen trafen. Josef fragte ungläubig: „Wos, de spüln Koatn?“ Arthur hatte Mühe sich das Lachen zu verbeißen. Er stellte sich die Mitglieder der Familie Knie vor, wie sie in dem geräumigen Salon saßen, jeder mit einem breiten Fächer Quartettkarten in der Hand. "Mein Cello ist 1730 gebaut." „Schwach, ich habe ein Cembalo aus 1650, was hast du, Kaa?" "Eine vergoldete Querflöte aus dem Jahre 1912." In Arthurs Vorstellung reckte sie dabei ihren dünnen Hals, und natürlich gewann sein besserwisserischer Cousin Heinrich mit einer Laute aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Nun wird er zwangsläufig in den Genuss eines Streichquartetts kommen, dachte Arthur. Doch Josef sollte sich wenig später ungewollt dieser Darbietung entziehen.
Am Ende der Terrasse stand Arthurs Cousine Steffi. Von all seinen Verwandten war sie Arthur die liebste. So sehr man sie mochte, so wenig konnte man verstehen, was dieser egoistische Vollidiot an ihrer Seite zu suchen hatte. Dominic Sabrinović war groß gewachsen und nicht unattraktiv. Damit waren die positiven Attribute bereits aufgebraucht. Gleichzeitig war er ein Wichtigtuer und immer auf seinen Vorteil bedacht. Es gab kein Geschäft und keine zwischenmenschliche Begegnung, bei denen er nicht peinlich darauf achtete, seine Interessen zu wahren.
Dominic stammte aus gutem Hause und war mit überdurchschnittlicher Intelligenz gesegnet. Doch seine Arroganz und Bequemlichkeit behinderten ihn auf seinem Ausbildungsweg. Während seine Semesterkollegen in den Hörsälen saßen oder lernten, genoss Dominic das Leben, ging seinen sportlichen Hobbys nach und ließ den Lieben Gott einen guten Mann sein. Einer seiner Studienkollegen hatte ihn einmal recht treffend einen leistungsbewussten Nichtsleister genannt. Nachdem er nach zwanzig Semestern noch immer nicht den ersten Studienabschnitt absolviert hatte, beschloss sein Vater, dem Sohn eine Berufskarriere ohne Studium zu verschaffen. Landesrat Norbert Sabrinović verfügte über ausgezeichnete Kontakte zu vielen Entscheidungsträgern in den unterschiedlichen Landesorganisationen. Unter anderem war er mit dem Landespolizeidirektor eng befreundet. Landesrat Sabrinović beschaffte seinem Sohn also einen Platz in der Polizeischule. Nach anfänglichem Aufbegehren fand sich Dominic bald in seine neue Rolle. Wäre der Posten eines Straßenpolizisten nicht mit Wochenenddiensten verbunden und schlecht bezahlt gewesen, hätte ihm diese Tätigkeit durchaus auf Dauer gefallen. Er genoss seine kleine Machtposition und es machte ihm Freude, wenn er Bürger, die das Gesetz, wenn auch nur geringfügig, übertreten hatten, zurechtweisen und abstrafen konnte.
Dominic verkaufte sich vollmundig als Naturschützer. Seine Aktivitäten für den Naturschutz reduzierten sich allerdings darauf, dass er sich vegetarisch ernährte. Fleischfresser, wie er die meisten seiner Mitmenschen geringschätzig nannte, waren seiner Ansicht nach Menschen zweiter Klasse. Seine Ablehnung begründete er mit den Missständen bei der Massentierhaltung. Das reichte in seinen Augen, um als Naturschützer und Tierfreund angesehen zu werden. In Wahrheit war sein ökologischer Fußabdruck alles andere als klein. Öffentliche Verkehrsmittel verachtete er, Fahrrad fuhr er nur für sportliche Zwecke und für die tägliche Fortbewegung besaß er einen protzigen Geländewagen. Wenn er nicht mit dem Moto-Cross-Rad im Wald die Luft verpestete, lauerte er, gut getarnt, Paintballpistole im Anschlag, seinen Freunden im Gelände auf.
Dominic war also ein Sportfreak. Doch er wusste wohl zwischen „gehobenen“ und „niedrigen“ Sportarten zu unterscheiden. So wäre es ihm nie eingefallen, sich in einem Park unter die „kickenden Proleten“ zu mischen. Daher war es klar, dass er sich bei nächster Gelegenheit über Arthurs neue Leidenschaft abfällig äußerte. Süffisant grinsend, mit unnötig erhobener Stimme sagte er bei einer der Familienzusammenkünfte: „Arthur, ein bisschen prolo ist das aber schon, was du da machst, oder?!“ Mit dieser Bemerkung fuhr Dominic an diesem Abend seinen einzigen Lacherfolg ein. Arthur war Demütigungen durch seine Familie gewohnt. Sie gehörten zu seiner Lebensgeschichte. Bei jedem anderen hätte er sich daher mild lächelnd abgewendet und sich sein Teil gedacht. Aber Dominic fand er so unglaublich blöd und arrogant, dass er ihm etwas Derartiges nicht zugestand. Verärgert hatte Arthur damals die Abendgesellschaft verlassen. Seitdem hatte er auch Steffi nicht mehr gesehen.
Bei der Polizei war Dominic vor wenigen Monaten der Kriminalabteilung zugeordnet worden. Damit war seine Überheblichkeit noch weiter gestiegen. Dominic bezog kein schlechtes Gehalt und wurde außerdem von seinen Eltern nach wie vor finanziell unterstützt. Trotzdem lebte er weit über seine Verhältnisse. Wie um alles in der Welt war Steffi nur an diesen Ungustl