Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden. Ulrich Muller

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Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden - Ulrich  Muller

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      Das Fest nahm seinen Lauf. Noch einmal gesellte sich Heinrich zu Arthur und Mischa. Er teilte den beiden Freunden mit, dass Josef mit einem Zahnverlust davongekommen sei, aber wegen der schweren Gehirnerschütterung und der langen Bewusstlosigkeit noch 24 Stunden beobachtet werden müsse und daher erst übermorgen entlassen werden könne. Auch Steffi kam schüchtern an den Tisch. Sie wollte sich entschuldigen, doch Arthur nahm ihre Entschuldigung nicht an. An den Geschehnissen war sie wahrlich nicht schuld.

      Mit Tränen in den Augen verließ sie vorzeitig das Fest. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Dominic volle drei Stunden auf sie warten würde. Durch seinen Vater war er über Josefs Zustand informiert worden. Da sich die Aufregung damit etwas gelegt haben musste, überlegte er kurz, den Garten wieder zu betreten, besann sich aber dann eines Besseren und beschloss, außerhalb des Anwesens auf Steffi zu warten. Seine Anrufe und SMS‘ hatte sie nicht beantwortet. Er war daher zusätzlich verunsichert und steigerte sich zunehmend in Enttäuschung, Eifersucht und Wut hinein. Hätte er diesen Kärntner Trottel vor sich gehabt, wäre er schwer in Versuchung gekommen, nochmals zuzutreten. Dieser blöde Bauer war schließlich an allem schuld.

      Steffi und Dominic waren beide nicht in der besten Stimmung für eine Konfliktbewältigung. So ging die Unterhaltung sofort in einen Streit über, weshalb Steffi sich nach wenigen Augenblicken entschied, ein Taxi zu bestellen und die Nacht bei ihren Eltern zu verbringen. Nachdem Arthur und sein Freund ihre Entschuldigung nicht angenommen hatten, stand ihr Entschluss fest, am nächsten Tag Josef im Krankenhaus zu besuchen. Sie wusste, dass dieser Vorsatz nicht umzusetzen wäre, wenn sie in der gemeinsamen Wohnung übernachten würde. Dominic wollte gerade grob werden, da tauchte glücklicherweise ein Paar auf der Treppe des Hauses auf. Der Mann erkannte Dominic wieder, erfasste die kritische Situation und forderte ihn auf, Steffi in Ruhe zu lassen. Dominic war rasend vor Zorn und brüllte unbeherrscht herum. Doch dann drehte er sich unvermutet um, sprang in seinen Land Rover Defender, schlug krachend die Tür zu, ließ den Motor aufheulen und verließ auf quietschenden Reifen den Parkplatz.

      In diesem Moment lief drinnen das Hochzeitsfest von Erika Knie-Stemmberger auf seinen Höhepunkt zu. Das Streichquartett spielte einen Tusch, und Arthurs Cousin Heinrich stellte sich auf die Bühne, um eine Rede zu halten. Wortreich gratulierte er seiner Cousine und ihrem Angetrauten.

      Während Heinrich sich in Selbstdarstellung übte, strebte Arthur der Bühne zu. Er hatte getrunken, das war schwerlich zu übersehen. Und das Trinken hatte ihn versöhnlich gestimmt. In seinem Rausch hielt er es für seine Pflicht, ebenfalls einige Worte an seine Halbschwester und ihren Ehemann zu richten. Vor der Bühne zweigte er ab und näherte sich dem Redner von hinten. Heinrich hatte seine Rede beendet und wollte eben den Tontechniker herbeirufen, da stand Arthur auch schon hinter ihm und griff nach dem Mikrofon. Heinrich stutzte und wollte noch etwas sagen, doch Arthur drängte ihn von der Bühne. Heinrich stand unschlüssig und überlegte, ob er Arthur nicht besser das Mikro entwenden sollte, doch dieser behielt es fest in der Hand. Heinrich, noch beeindruckt von der Schlägerei, blieb stehen, wo er war, und Arthur begann zu reden: „Sehr geehrte Festgäste, liebe Erika, liebe Kaa, lieber Reinhold, liebe Mutter. Danke Aldo, dass du dieses Fest möglich gemacht hast!“ Ein plötzliches Zucken durchfuhr Arthurs Körper, er drehte den Kopf ruckartig zur Seite und sein Mund verzerrte sich für einen flüchtigen Moment zu einer Grimasse. Er setzte fort: „Danke an das Streichquartett. AFFENGEIL! Ich bin dankbar, dass dieser Zwischenfall glimpflich ausgegangen ist. So ein Idiot! ☹☠†#ⅎⅎ!“ Wieder zuckte Arthur kurz zusammen. Gleich darauf entspannte er sich wieder. „Liebe Kaa, ich freue mich, und ich wünsche euch alles Gute, mögen eure Wünsche in Erfüllung gehen. So eine Ehe ist ja immer auch ein Wagnis. Das Leben hat so viele Überraschungen und Widrigkeiten für uns parat, auf die wir nicht immer vorbereitet sind. Und ich weiß, wovon ich spreche.“ In der Zwischenzeit hatte sich Sophie Knie einen Weg durch die Gäste gebahnt und blickte Arthur fassungslos an. Arthur nahm ihren Blick auf und setzte erneut zum Reden an: „Liebe Mutter!“ Wieder durchfuhr ihn ein Zucken, und er konnte dem inneren Drang nicht widerstehen: „Liebe Frau #☹ʞ☠ⅎ, †¿#☠☠#!; Mutter ⅎ#ʞ☹☠, Pardon“, Kaa – ☹☠†#ⅎⅎ, Reinhold – ¿ⅎ#☠ⅎ – Pardon, ich kann nicht anders“, stammelte Arthur. Weiter kam er nicht, denn Heinrich war aus seiner Starre erwacht und rang ihm das Mikro aus der Hand. In der Zwischenzeit war auch der Tontechniker an seinem Schaltschrank angelangt und schaltete den Ton aus. Die restlichen unflätigen Schimpfwörter, die aus Arthurs Mund kamen, waren nun nicht mehr durch den Lautsprecher verstärkt.

      II

      Steffi hatte eine schreckliche Nacht hinter sich. Der gestrige Streit steckte ihr noch in den Knochen.

      Die Beziehung zu Dominic hatte sich vor Jahren irgendwie ergeben. Auch wenn er sich bei allen anderen wenig Mühe gab, bei Steffi hatte er sich immer von seiner besten Seite gezeigt. Natürlich war ihr die Kritik ihrer Familie und ihrer Freunde an Dominic aufgefallen, doch sie versuchte stets, sich bei der Einschätzung ihrer Mitmenschen von niemandem beeinflussen zu lassen. So hatte sie sich auch über Josef noch kein Urteil gebildet. Ja, er hatte sich bei der Hochzeit eindeutig danebenbenommen, das musste sie zugeben. Aber lustig war er! Und was hatte er schon groß getan? Etikette, Höflichkeitsfloskeln, die Oberflächlichkeit und Verlogenheit der gutbürgerlichen Gesellschaft, all das war ihr schon immer auf die Nerven gegangen. Vielleicht war das auch ein wesentlicher Grund, warum sie mit Dominic zusammen war. Der scherte sich einen Dreck um diese Dinge.

      Ihre Mutter wunderte sich sehr, als ihr Steffi am nächsten Morgen in der Küche begegnete. Margarethe und Max Rett waren erst spät am Abend von der Hochzeit zurückgekehrt und hatten nicht bemerkt, dass Steffi ihr Zimmer über Nacht wieder bezogen hatte. Die Beziehung zwischen Max und seiner Schwester Sophie war nicht gerade die beste. In der Familie Rett wurde Sophie Knie wegen ihrer aufgespritzten Lippen spöttisch Tante Botox genannt. Max hatte diesen Namen erfunden, als er einmal seine Schwester im Profil betrachtet hatte. Als jüngste Tochter nach drei Söhnen war Sophie das Zentrum der Aufmerksamkeit beider Eltern gewesen. Bereits in ihrer Kindheit musste alles nach ihrem Kopf gehen. Ihre erste Beziehung mit Didier de Montfalcon zerbrach, nachdem sie „ungewollt“ schwanger geworden war. Als Mitglied der Adelsfamilie Montfalcon wollte Didier keine Kinder mit einer Bürgerlichen, und das hatte er auch am Beginn ihrer Liaison klar zum Ausdruck gebracht. Er riet ihr, das Kind abtreiben zu lassen, doch Sophie hatte schon zu lange gezögert. Schließlich wollte sie Didier unter Druck setzen, doch da war sie an den Falschen geraten. Er teilte ihr kühl lächelnd mit, dass sie gerne die Gerichte bemühen könne, doch solle sie wissen, dass erstens ein länderübergreifendes Gerichtsverfahren seine Zeit brauchen würde und daher sehr kostspielig wäre, zweitens aber würde er alle Hebel in Bewegung setzen, um sich seiner Verantwortung zu entziehen. Sie könne davon ausgehen, dass der französische Hochadel noch immer einen bedeutenden Einfluss habe. Sophie ließ sich rechtlich beraten, sah aber dann ein, dass sie chancenlos war. Das einzige, was der jungen Sophie Rett nach ihrer Beziehung mit Didier blieb, war die Schande eines unehelichen Kindes. Der erste Versuch, über einen Mann den erwünschten sozialen Aufstieg zu schaffen, war somit gescheitert.

      Was nun? Sie musste sich gehörig anstrengen, um sich den Industriellen Adolf Knie zu angeln, obwohl ihr überaus attraktives Aussehen zu ihren Gunsten sprach. Adolf war bedeutend älter als sie und alles andere als ein hübscher Mensch, dafür aber sehr vermögend und erfolgreich. In der Anfangszeit ihrer Beziehung verschwieg sie ihm die Existenz des kleinen Arthur. Erst nach und nach rückte sie mit der Wahrheit heraus, doch da war sie bereits ein zweites Mal schwanger. Adolf Knie war ein aufrichtiger und fairer Mann. Ihm gefiel die junge Sophie und er hatte Mitleid mit ihr. Er akzeptierte daher die Tatsache, dass sie einen unehelichen Sohn in die Beziehung mitbrachte und machte ihr auf Knien einen Antrag. Aber obwohl Aldo, wie er nach dem Krieg genannt wurde, Arthur gern hatte, stellte sich nie die Frage einer Adoption. Seit Sophie den Namen Knie trug, behandelte sie ihre Geschwister

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