Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden. Ulrich Muller

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Arthur Rett - Aufstieg und Fall eines Helden - Ulrich  Muller

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Arm und drehte sich bereits zur Bar, als ihm durch einen sachten Schlag von Dominic die Kochhaube vom Kopf flog. Josef drehte sich um und sagte seinen Standardsatz: „Des is oba hetzt a nit in Oadnung, Herr Inspekta!“ „Hau ab, du Kärntner Depp!“, stieß Dominic wütend hervor. Josef konterte in seinem breiten Dialekt: „Schen redn, a die Herrn von da Polizei miassn schen redn, des is nit in Oadnung! Do stöll ma mia oba glei a Strofzettale aus. Amol Depp, des kostat mindestens a Flaschale!“ Dominic konterte phantasielos: „Du Oasch, schleich di jetzt!“ „Herr Inspekta Dominitsch! Nit scho wieda! Oba des mocht uns nix aus, des Schimpfn. Des kenn ma mia jo scho. Do werma mia glei auf zwa Flaschalan aufigehn, oda? No amol, i hob g’sogt, SCHÖN SPRECHEN!“ „Du verdammter Idiot, halt einfach dein Maul!“, fauchte nun Dominic und begann, die Fassung zu verlieren. Josef lachte, schaute dann bemüht streng und meinte: „Den Inspekta-Titel bist hetzan a no los! Den homma mia da hetzan weggenommen, den konnst da hetzt aufsteckn!“ So ging das noch einige Zeit dahin. Josef war bereits bei einer Strafhöhe von einer ganzen Kiste Wein angelangt, als Dominic endgültig die Geduld riss. Er begann, Josef zu schubsen, und innerhalb weniger Augenblicke waren die beiden in eine Handgreiflichkeit verwickelt. Sofort waren sie von einer Traube von Gästen umringt. Leider wusste Josef nichts von den unzähligen Stunden, die Dominic in die Verbesserung seiner Kickboxtechnik investierte. So lag er nach wenigen Sekunden nach einem gezirkelten Tritt mit ausgerenktem Kiefer bewusstlos auf dem Boden.

      Steffi packte Dominic am Arm und schrie ihn an: „Spinnst du? Drehst du jetzt völlig durch?“ Er versuchte, sich zu verteidigen und ärgerte sich gleichzeitig, dass dieser besoffene Blödian nicht einmal einen Tritt unverletzt überstehen konnte. Dass er in der Familie der Gastgeber keine hohen Sympathiewerte hatte, war ihm stets durch seine mangelnde Sensibilität entgangen. In der Situation dämmerte ihm aber, dass er den Bogen überspannt hatte. Steffi kniete am Boden und versuchte, dem bewusstlosen Josef irgendwie zu helfen. Doch da wurde sie bereits von Heinrich professionell beiseite gedrängt. Gemeinsam mit einem befreundeten Unfallchirurgen besah sich dieser die Bescherung. Die Pupillenreaktion war unauffällig, Herz und Atmung funktionierten regelmäßig und die Blutung der aufgeschlagenen Lippe war nicht weiter schlimm. In dem leicht geöffneten Mund konnte man die blutigen Zähne erkennen. Der rechte obere Schneidezahn war seltsam nach innen gebogen. In wenigen Augenblicken hatte man Josef auf ein Tischtuch gelegt und trug ihn zur Straße. Kurze Zeit später fuhr bereits die Rettung vor. Die Kollegen im Landeskrankenhaus waren schon informiert, als die Sanitäter mit dem Bewusstlosen eintrafen.

      Umsichtig stellte sich ein junger Rechtsanwalt zur Verfügung, um einen Polizeieinsatz und daraus resultierende Rechtsfolgen zu verhindern. Die Kollegen von Oberarzt Dr. Heinrich Knie hatten bereits strikte Weisung erhalten, die Verletzungsursache erst zu protokollieren, wenn der Rechtsanwalt Josef ein Angebot unterbreitet haben würde. Er sollte Josef durch die Überweisung einer noch nicht festgelegten Summe überzeugen, auf einen Rechtsstreit zu verzichten. Im Vertuschen von Skandalen hatte Familie Knie Erfahrung. Die einzelnen Akteure mussten sich gar nicht koordinieren und absprechen. Auch eine besondere Erörterung der Situation, um mögliche Konsequenzen zu analysieren, war nicht notwendig. Die einzelnen Maßnahmen gingen logisch und ohne unnötige Anweisungen ineinander über. Skandale und ärgerliche Rechtsstreitigkeiten mussten um jeden Preis verhindert werden, da waren sich alle Familienmitglieder, ausgenommen Arthur, einig.

      In vorauseilendem Gehorsam hatte sich der junge Rechtsanwalt bereits eine Strategie zurechtgelegt, wie er Josef unter Druck setzen könnte, um die Summe, die diesen zum Schweigen oder zum Lügen bringen sollte, zu verkleinern. Während Magister Steinbeißer im Geiste an den ersten Sätzen feilte, die er an Josef richten wollte, lag dieser noch weggetreten auf der Trage. Josef erwachte, während sein Schädel geröntgt wurde. Er setzte sich abrupt auf, stieß sich seinen Kopf an dem Röntgengerät und meinte noch etwas benommen: „Des is oba hetzt a nit in Oadnung . . .“ Nachdem er wieder völlig bei Sinnen war, mussten die Aufnahmen gleich wiederholt werden. Um sicherzugehen, dass sein Kopf keinen Schaden genommen hatte, wurden noch eine Computertomographie und ein MRT gemacht. Sein Kiefer wurde eingerenkt, was eindeutig der schmerzhafteste Teil der gesamten medizinischen Behandlung war. Mit dem ausgeschlagen Zahn war nichts mehr zu machen, der musste extrahiert werden. Da er nur noch lose an einem Schleimhautfetzen hing, würde die Prozedur nicht besonders unangenehm sein, und auch eine Überstellung in die Zahnklink sollte sich durch Josefs Eigeninitiative erübrigen. Der behandelnde Arzt bewegte mit seinen Gummihandschuhen den Zahn vorsichtig hin und her. Er war unsicher, was er veranlassen sollte. Während er sich wegdrehte, fasste sich Josef ein Herz, griff in seinen Mund und kippte den Zahn nach innen weg. Stolz wie ein Volksschulkind, das eben seinen ersten Zahn verloren hat, streckte er dem Arzt die Trophäe entgegen.

      Magister Steinbeißer wurde erst zu Josef vorgelassen, als der in seinem Sonderklassezimmer lag. Er scherzte bereits mit den Schwestern, als der junge Herr eintrat. Dass die ganze Sache so groß aufgebauscht und extra für ihn ein Rechtsanwalt bereitgestellt wurde, überraschte ihn. Es war doch nur eine kleine Schlägerei gewesen, die blöderweise im Krankenhaus geendet hatte. Nichts wäre Josef ferner gelegen, als nun einen Prozess anzustreben. Er hatte Arthur zugesagt, zu dieser Hochzeitsfeier zu kommen und sich gut zu benehmen. Er hatte auch zugesagt, keinen Unsinn zu machen, seinen Alkoholkonsum auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren und nicht negativ aufzufallen. Das war leider alles gründlich danebengegangen, stellte Josef mit einem ungewöhnlichen Anflug von Selbstkritik fest. Die ganze Aufregung tat ihm ein wenig leid, insbesondere, weil er Arthur keine Schwierigkeiten bereiten wollte. Aber warum hatte ihn der nicht gewarnt, was ihn da erwarten würde? Wenn er gewusst hätte, was das für Menschen in Arthurs Familie waren, er wäre nie und nimmer dieser Einladung gefolgt. Josef konzentrierte sich wieder auf die Worte des Anwalts. Natürlich war er über Dominic verärgert. Er selbst hatte Mist gebaut, sich geprügelt und dabei einen Zahn verloren. Selber schuld! Der Rechtsanwalt redete auf Josef ein und erwähnte etwas von schwerer Körperverletzung und Rechtsfolgen, die daraus erwachsen könnten. Er ließ bereits die Information einfließen, dass die Rechtsfolgen auch für Josef recht unangenehm werden könnten, da der Täter der Sohn eines hohen Landespolitikers sei. Es wäre daher nicht auszuschließen, dass Josef wegen seines Benehmens auf dem Hochzeitsfest eine Gegenklage zu erwarten hätte. Es wäre daher ratsam, sich außergerichtlich zu vergleichen. Josef verstand die Welt nicht mehr. Warum um alles in der Welt sollte er rechtlich belangt werden, wenn ein anderer ihm einen Zahn ausgeschlagen hatte? Seit er dieses seltsame Haus betreten hatte, funktionierten bestimmte Sachen nicht mehr. Die Menschen, mit denen er den heutigen Tag verbracht hatte, verhielten sich nicht so, wie er das von seinem Umfeld gewohnt war. Der Anwalt machte schließlich den Vorschlag, dass Josefs Zahn kostenfrei durch ein Implantat ersetzt und gleichzeitig eine Entschädigungszahlung von fünftausend Euro in bar geleistet werden würde. Der Anwalt war recht erstaunt, dass Josef ohne nachzudenken auf diesen Handel einging. Er verlangte allerdings von Josef, für die Krankengeschichte zu Protokoll zu geben, dass er im angeheiterten Zustand von der Treppe gestürzt sei und sich den Zahn ausgeschlagen habe. Die Kosten für Krankenhausaufenthalt und Behandlung waren bereits durch die Kontakte von Heinrich abgedeckt. Der Anwalt war erleichtert und brüstete sich etwas selbstgefällig, dass er die Sache so rasch und gut auf die Reihe bekommen hatte.

      Da Josef aber mittlerweile schon alle und jeden in seiner Umgebung über den Tathergang informiert hatte, war Mag. Steinbeißer nun eine gute Stunde damit beschäftigt, sicherzustellen, dass der wahre Sachverhalt nicht ans Licht käme.

      Arthur hatte erst bemerkte, dass etwas nicht stimmte, als Josef bereits am Boden lag. Zornig drängte er sich durch den Kreis der Umstehenden. Aber Heinrich Knie hatte umsichtigerweise Dominic schon freundlich, aber bestimmt aufgefordert, das Fest zu verlassen. So konnte ein weiterer Eklat verhindert werden.

      Mittlerweile stand Dominic auf der Straße vor dem Haus und wartete auf Steffi, die sich aber nicht blicken ließ. Langsam dämmerte es ihm, dass der Tritt nicht nur für sein Opfer Folgen haben könnte. Als ausgebildeter Kickboxer einem gut zehn Jahre älteren, kampfunerprobten Gegner fast den Schädel eingeschlagen zu haben, würde vor einem Richter nicht gut aussehen, soviel war klar. Da würde es kaum etwas helfen, wenn er zu seiner Verteidigung sagen konnte, dass er

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