Palazzo der Geister. Alfred Bekker
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Die Stimme, die jetzt ihren Namen durch die Nacht rief, schien aus der Ferne zu kommen.
"Bianca!"
Es klang besorgt...
Unter unsäglichen Anstrengungen drehte sie sich halb herum.
Dumpfe schnelle Schritte waren auf dem feuchten Sand des Strandes zu hören.
"Bianca!"
"Vater!"
"Mein Kind, was tust du hier..."
Der Mann hatte graumeliertes Haar und trug einen Anzug aus leichter, sehr edler Wolle. Seine feinen Slipper versanken im feuchten Sand, als er vor Bianca stehenblieb. Diese drehte sich wieder herum, zu der geisterhaften Gestalt mit der Wunde an der Schläfe, aber...
Die Gestalt war nicht mehr da.
"Er ist weg, Vater!" flüsterte sie und wiederholte es sogleich noch einmal, so als mußte sie sich selbst davon überzeugen, daß es auch wirklich so war. "Er ist weg..." Sie atmete tief durch und dann ließ sie sich in die Arme ihres Vaters fallen.
"Wer?" fragte er.
"Der Mann mit der Wunde am Kopf..."
"Graf Luciani?"
"Ja, Vater!"
Sein Gesicht wurde ernst und sorgenvoll, während er seine zitternde Tochter im Arm hielt und in die Ferne blickte.
Hinauf zur Ruine. Was sind das nur für Geräusche! ging es ihm schaudernd durch den Kopf. Ein dicker Kloß saß ihm im Hals und machte ihn unfähig, auch nur ein einziges Wort zu sagen.
Für einen Augenblick war es ihm dann, als ob er in der Ferne eine schattenhafte Gestalt sehen könnte.
Sie schien bis zu den Knien im seichten Meerwasser zu stehen. Der Mantel wehte im Wind. Und im Hintergrund war die graue Nebelwand...
"Er lacht!" flüsterte Bianca. "Hörst du es, wie er lacht?"
Sie sah ihren Vater an. Das Mondlicht spiegelte sich in ihren großen dunklen Augen, und Tränen glitzerten auf den Wangen.
"Gehen wir zurück zum Palazzo", sagte der Vater.
Aber sie schien es nicht zu hören. Stumm schüttelte sie den Kopf.
"Ich bringe nur Unglück...", wisperte sie.
"Bianca!"
"...und Tod!"
*
"Guten Morgen, Mr. Bennett", sagte ich, als ich das Büro unseres Chefredakteurs betrat. In einem der gediegenen Ledersessel, mit denen Bennetts Büro ausgestattet war, saß bereits James Cunningham - wie ich in der Redaktion der LONDON
HAUTE COUTURE angestellt. Er war allerdings Fotograf, während ich hier als Reporterin arbeitete. Gemeinsam hatten wir so manche Story gemacht.
Mike T. Bennett kam hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch hervor. Er war breitschultrig und etwas untersetzt. Er hatte die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt und die Krawatte gelockert. Sein Kopf war hochrot und die Art und Weise, in der er mich musterte, verhieß nichts gutes.
Ich war zu spät dran.
Und wenn Bennett außer schlecht recherchierten Stories noch etwas haßte, dann waren es unpünktliche Mitarbeiter. Bennett war ein Mann, von dem man glauben konnte, daß er so gut wie überhaupt kein Privatleben besaß. Er lebte einzig und allein für seine Zeitung.
Dieses große Londoner Modemagazin wollte er dort halten, wo es seiner Ansicht nach hingehörte: ganz oben.
Dafür war er bereit, alles einzusetzen. Er war meistens der Erste im Büro und der Letzte, der ging. Und von seinen Mitarbeitern erwartete er ebenfalls, daß sie mit Haut und Haaren für ihren Job lebten.
"Jane!" sagte er und die Art und Weise, in der er meinen Namen aussprach war Tadel genug.
"Ich weiß, daß ich zu spät bin, Mr. Bennett, aber..."
"Schon gut, schon gut! Ich will gar nicht hören, was Sie mir sagen. Von wegen Verkehrschaos und der Baustelle auf der Oxfort Street..."
Ich sah ihn etwas perplex an.
Zwar habe ich mich eingehend mit übersinnlichen Phänomenen befaßt und bin in meinen Artikeln auch immer wieder auf Erscheinungen wie Telepathie und andere parapsychologische Fähigkeiten eingegangen, aber ich hätte diese Dinge niemals in Zusammenhang mit einem so nüchternen Mann wie Mike T.
Bennett gesehen.
"Sehen Sie mich nicht so erstaunt an, Jane!" sagte er dann etwas versöhnlicher. "Ich fahre auch jeden Morgen die Oxfort Street!" Er lächelte freundlich und deutete auf einen der Sessel. "Setzen Sie sich!"
Ich grüßte James knapp.
Der zwinkerte mir zu. Er saß ziemlich lässig da. Mit einer beiläufigen Handbewegung strich er sich das etwas zu lange blonde Haar zurück. Stoppeln eines drei Tage Bartes standen ihm im Gesicht. Seine Jeans war ziemlich oft geflickt und hatte beinahe Museumswert. Mit Interesse stellte ich fest, daß er ein neues Jackett anhatte. Daß er es noch nicht lange besaß, war daran zu erkennen, daß der Kragen noch nicht vom Riemen seiner Kameratasche ruiniert war. Es war jägergrün und vermutlich ein Teil vom Trödel.
Bennett lehnte sich derweil mit der Hüfte gegen den Schreibtisch. Der Berg von Akten und Manuskripten, der sich darauf aufgetürmt hatte, wankte bedenklich, als er das Gewicht verlagerte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und meinte dann: "Ich nehme an, daß Sie beide wissen, was Mode ist..." Sein Blick ging zu James und glitt von seinem strubbeligen Kopf bis zu den Füßen, die in Turnschuhen steckten.
Dann atmete Bennett tief durch.
"Nun, jedenfalls weiß ich, daß Sie hervorragende Bilder auf diesem Gebiet gemacht haben, James!" Damit spielte Bennett darauf an, daß James sich ab und zu ein paar Pfund nebenher verdiente.
James zuckte die Achseln.
"Man muß nur lange genug abwarten, dann kommt jeder Trend wieder", meinte er. Bennett fand das nicht so witzig. Er wandte sich an mich.
"Der Name Gian-Franco Tardelli ist Ihnen ein Begriff?"
Natürlich war er das.
"Dieser italienische Modeschöpfer!" stieß ich hervor.
Bennett nickte. "Ein Modezar par excellence. Seine Kollektionen haben in Mailand, Paris und New York seit Jahren die Fachwelt verzaubert. Er lebt seit einiger Zeit ziemlich zurückgezogen in der Nähe von Rom in einem alten Palazzo.
Leider hat er bislang stets abgelehnt, jemanden zu sich nach Hause zu lassen. An eine Home Story war nicht zu denken!
Nicht einmal die italienischen Kollegen haben das geschafft.
Aber der Maestro scheint zu der Überzeugung gelangt zu sein, daß er vielleicht mal wieder etwas für sein Image tun könnte.