Читать онлайн книгу Heimkehr des Dr. Karl Gottfried Semper von seinen ethnologischen Studien auf den Palau-Inseln im Stillen Ozean - Jürgen Ruszkowski страница 5
Dörfer hier um Malakka herum“, begann ich die Unterhaltung, „sind hübscher als im Norden; man sieht, dass die größere Nähe der Handel treibenden Europäer größeren Wohlstand erzeugt hat. Aber die Leute gefallen mir nicht so gut wie die von Aibukit; sie sind ränkevoller und ehrgeiziger. Das Dorf meiner Freunde hat viel unter ihren Listen zu leiden gehabt.“ - „Ich verstehe, worauf Sie anspielen, Sie meinen die Affaire mit dem englischen Kriegsschiff?“ - „Ja wohl, und noch manches andere. Dahinter aber scheint mir doch immer schließlich Kapitän Cheyne zu stecken. Soeben erst habe ich ein interessantes Dokument entdeckt, das mir manches Unerklärliche in jenem englischen Angriff auf Aibukit aufzuklären scheint. Da oben in Aidil liegt in einem alten Buche ein Handelstraktat zwischen Cheyne und Ebadul, ferner eine Konstitution von Palau, Ihr Kapitän zeigt sich darin als starker Monopolist; doch ließe sich darüber wenig sagen, wenn er sonst das Zeug zu einem Rajah Brooke hätte, den er sich offenbar als Vorbild genommen hat. Wenn wirklich die Bestimmungen jener Konstitution und des Traktats ausgeführt werden, so ist Cheyne de facto König von ganz Palau. Hätten Sie Lust zu seinem Premierminister Herr Tetens?“ - „Ich kann nicht sagen dass mir der Platz sonderlich gefällt; und was Kapitän Cheyne für Plane hat, ist mir ziemlich gleichgültig. Ich bin Seemann und kein Politiker.“ - „Nun, Sie werden sich auch schon akklimatisieren. Jene beiden Dokumente waren ein Jahr vor dem englischen Angriff verfasst, und ich glaube nun zu verstehen, warum der Kapitän des Schiffs sich dazu hergab, jenen abenteuerlichen Zug nach Aibukit zu unternehmen. In ihnen figuriert nämlich Ebadul als König sämtlicher Inseln hier, die Fürsten der andern Distrikte sind seine Vasallen, und Mad von Aibukit wird geradezu ein Rupack von Coröre genannt. Ferner haben sich Cheyne und Ebadul feierlich verpflichtet, sich gegenseitig in der Durchführung sämtlicher Paragraphen zu helfen, und unter diesen sind einige, welche jedem andern Europäer als Cheyne untersagen, hier sich ohne seine Erlaubnis irgendwo aufzuhalten oder in andern Distrikten Handel zu treiben. Gegen diese letzte Bestimmung hatten Woodin und die Bewohner von Aibukit gesündigt. Ist es nun ein Wunder, dass jener Kriegsheld - dem doch offenbar durch Cheyne eine Einsicht in die Dokumente verschafft wurde - auf dieser Seite das Recht wähnte? Galt es doch, jemand zu unterstützen, der jünger war und tatkräftiger als der alte Woodin, einen Mann, der Lust zu haben schien, festen Fuß auf diesen Inseln zu fassen - solche Gelegenheit, hier sich das Recht zur Gründung einer neuen Kolonie zu verschaffen, durfte nicht versäumt werden. Vielleicht wollte Kapitän Browne nur die Fürsten von Aibukit veranlassen, die scheinbar nach jenem Dokument Ebadul zukommende Souveränität über die Inseln tatsächlich anzuerkennen, ihr eigenes Land als ein Lehen oder eine Provinz von Coröre ansehen zu wollen. Das schlug natürlich fehl; aber auch der Kampf, der nun folgte, führte nicht zum Ziele. Jetzt sind die Leute von Coröre in einer gewaltigen Angst, aus der ihnen auch Cheyne nicht herauszuhelfen scheint. Ehe ich noch hergekommen war, hörte ich schon von einem man-of-war, den jemand in Aibukit zu Hilfe gerufen haben sollte; hier sagt man mir es geradezu ins Gesicht, ich hätte das getan. Leichtgläubige Kinder sind unsere Freunde hier. Weil zufällig jenes englische Kriegsschiff nach Malakka kam, sein Kapitän Cheyne's Sache zu der seinigen machte, so heißt es nun überall in Palau, Cheyne habe ihn hergerufen. Ehe noch Kapitän Browne mit seinen Booten vor Aibukit angelangt war. hatten die Bewohner dort längst die Nachricht von der Ankunft des man-of-war des Cabel Schils - wie sie hier Cheyne nennen – erhalten. Sie lassen sich das nicht ausreden; und ich habe mich stundenlang abgemüht, die Leute in Aibukit zu überzeugen, dass es nicht in meiner Macht stünde, ein Kriegsschiff herzurufen. Gott weiß, in welchem Rupacksgehirn der Gedanke entstanden ist, dass ich wirklich nach Manila um ein solches geschrieben hätte - oder sollte auch hier etwa Ihr Kapitän die Hand im Spiele haben? Er meinte vielleicht, mir dadurch einen schwierigen Stand auf diesen Inseln zu bereiten.“ - „Ich weiß nichts von allem, Dr. Semper, es ist mir auch ziemlich gleichgültig; ich bin Cheyne's Steuermann und weiter nichts.“ - „Nun, es ist auch mir ziemlich gleichgültig; seinen Zweck erreicht er doch nicht. Gestern Nachmittag freilich war Cheyne hier im Aruau - das Haus wo die Fürsten ihre Sitzung halten, Herr Tetens - in eifriger Beratung mit den Rupacks. Seitdem sind die Leute von hier viel kühler gegen mich, und mein Freund Arakalulk beklagt sich sehr über die schlechte Behandlung, die er erfährt. Aber von bösen Reden zu schlimmen Taten ist bei den Coröreleuten ein langer Weg; ich habe, obgleich ohne Waffen, nichts von einem Angriff zu befürchten. Hier sind wir am Bai, Herr Tetens. Haben Sie Lust, sich einmal die bunten Annalen der Bewohner darin anzusehen? Einen Trunk vom süßen Kokossaft wird Ihnen jene braune Schöne gewiss auch gern reichen.“ - „Nein, ich danke, auch ist meine Zeit um, und auf meinem Schiffe gefällt es mir doch besser als hierzulande.“ - „Nun, dann leben Sie wohl, Herr Tetens; ich reise morgen ab von hier. Akklimatisieren Sie sich nur nicht zu rasch hier in Coröre. Adieu!“
Rückkehr von Corror
Das Regenwetter hielt mit geringen Unterbrechungen auch noch am nächsten Tage an und die Unfreundlichkeit der Bewohner gegen mich und meine Leute nahm zusehends zu. Arakalulk musste, wo er hinkam, schlimme Worte hören: was wir Männer von Aibukit hier in Coröre wollten, wir sollten machen, wieder in unser Dorf zu kommen, ja, wenn Doktor nicht wäre, so würden er und Arungul sicherlich ihren Kopf verlieren. Ich sah es seinen täglich finsterer werdenden Zügen an, wie sehr er sich Gewalt antun musste; als er nun gar am dritten Tage mir anzeigte, dass in der vergangenen Nacht von böswilliger Hand - auf wessen Veranlassung wohl? - ein Loch in den Boden seines Amlais gestoßen war, da kostete es mir große Mühe, ihn vor übereilten Schritten zurückzuhalten. Mir selbst ging es nicht viel besser. Der König wie Aituro nahmen so gut wie gar keine Notiz von mir, obschon ich in des erstem Hause wohnte. Armlimui's Fürst hatte mir meinen Besuch gar nicht erwidert, und Ebadul kam am 4. November nicht mehr wie gewöhnlich, um seinen Morgenimbiss einzunehmen, in seine Wohnung. Als ich ihn suchte, fand ich ihn frühstückend im Hause feines Sohnes. Meine Bitte, mir da mein eigenes Amlai beschädigt sei, ein anderes zu leihen, um den Kokeal besuchen zu können, schob er ohne im mindesten den Anstand zu verletzen, recht vornehm königlich beiseite. Während ich die Unterhaltung mit seinem Sohne fortführte, stand Ebadul auf und ging fort, ohne mich weiter eines Wortes zu würdigen; als ich später selbst nach Aidil kam, fand ich ihn dort im lebhaftesten Gespräch sitzen. Meine Ankunft verscheuchte ihn wieder. Selbst seine Frau, die immer freundlich gegen mich gewesen war, ließ nach in ihrer Sorge um mein Wohlergehen; Bananen, die ich hatte Ebadul essen sehen, bekam ich trotz meiner Bitten keine mehr.
Am 5. November fand endlich der Tanz statt. Es war der würdige Beschluss eines seit zwei Monaten dauernden Krankenfestes, festes das Aituro dem Kalid von Coröre gab, um durch seine Gebete die Heilung seiner kranken Frau zu erlangen. Ein großer Teil der täglich auf Aituro's Kosten zubereiteten Speisen wurde jenem dargebracht. Das seitlich von Aidil stehende Haus für die Gäste und der bedachte Tanzraum davor war auf seine Kosten erbaut. - Schon früh am Morgen sammelte sich das Volk auf dem Platze vor Aidil. Voran, den Gräbersteinen der Ahnen Ebadul's zunächst, setzen sich die Frauen hin, in ihrer Mitte die aus königlichem Geblüte; in zweiter Reihe die jungen Mädchen des Dorfs. Seitwärts aber, halb in den Büschen versteckt. oder in dem Düster des Hauses verbergen sich die Männer. Nun hört man schon das Rauschen der Blätterkleider, die im Takt von den in langer Reihe einher ziehenden Tänzerinnen geschwungen werden. Ihre Schürzen sind von der feinsten geflochtenen Sorte; ihr nackter Körper aber ist phantastisch und willkürlich mit rotgelber Farbe bemalt. In der einen Hand einige hölzerne kurze Instrumente, - sie schienen Waffen bedeuten zu sollen - in der andern einen Stab mit einer aus großen weißen Holzspänen kunstvoll verfertigten und an den Spitzen rot bemalten Büschelkrone daran: so treten sie in einfacher Reihe auf die erhöhte Plattform, deren Dach sie gegen den zu starken Brand der Sonne schützt.
Nun beginnt der Tanz. Eine Vorsängerin singt eine Strophe vor, ohne Bewegung; dann wiederholt sie der ganze Chor mit begleitendem Blätterrauschen ihrer Kleider und leichten wie in die Ferne deutenden Bewegungen der Arme. Bald werden sie lebhafter: das sind offenbar Szenen der Freude, der Begrüßung, die sie ausdrücken wollen. Jetzt ergreifen sie jene hölzernen Instrumente - mein Nachbar bestätigt mir, dass sie Waffen vorstellen -, mit ihren Armen teilen sie in sanft schwingender Bewegung die Luft vor sich her. Der Kriegszug entfernt sich immer weiter vom Orte der Abfahrt. Nun ein lauter Schrei, wilde Bewegungen der Arme, des