Rondaria. Alisha Mc Shaw
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Er öffnete die Augen, bewegte vorsichtig den Kopf und ein stechender Schmerz schoss seinen Rücken hinab. Mit verdrehten Gliedern lag er auf einer Ansammlung von Geröll. Einige Meter über sich machte er eine rote Aura aus. Sie gehörte zu dem, der ihm das Messer in den Körper gerammt und ihn dann hinuntergeworfen hatte. Die Gestalt verharrte einen Moment und hämisches Lachen hallte zu ihm hinab. Dann verschwand das rote Leuchten. Dieser Mistkerl hat mich im Steinbruch entsorgt!
»Hallo Herr Löwe, bist du runtergefallen?«
Er zuckte zusammen und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die helle Stimme kam. Ein Mädchen kniete neben ihm und sah besorgt auf ihn herab. Ihre Aura schimmerte in einem sanften Orange, was darauf schließen ließ, dass sie ein Mischling war. ›Lauf weg! Du bist in Gefahr, er ist noch hier!‹, wollte er rufen, aber aus seiner Kehle kam nur ein Röcheln.
Die Kleine legte ihm die Hand auf das lange Fell neben seinem Ohr. »Nicht sprechen, wir müssen uns leise verhalten. Ich darf nämlich nicht hier sein, mein Papa hat es verboten«, flüsterte sie, während sie ihm sachte über die Mähne strich.
Die sanfte Berührung ließ ihn etwas entspannen. Er verzog die Lefzen und ihm entwich ein Wimmern. Das kleine Mädchen sah ihn an und die Unentschlossenheit darüber, was sie tun sollte, spiegelte sich in ihrer Miene wieder. Schweigend rückte sie dichter an ihn heran. Jetzt erst schien sie das Messer zu sehen, das aus seinem Körper ragte. Angsterfüllt riss sie die Hand vor den Mund, ihr liefen Tränen über die Wangen. Sie war so klein, so unschuldig. Ihr Blick suchte seinen und er erschrak über dessen Intensität.
»Tränen sind die Boten der Liebe, denn es weint nur, wer auch liebt«, flüsterte er.
Vorsichtig schlang sie ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Ihre Haare dufteten nach Sommerwiese, und ihre Körperwärme strahlte auf ihn ab.
»Keine Angst! Ich passe auf dich auf. Ich lasse dich nicht allein ...«, wisperte sie und begann zu summen. Eine fremde Melodie, aber sie wirkte tröstend auf ihn. Sein Atem wurde ruhiger und er schloss die Augen. Die Schmerzen wurden erträglicher, sein Herz leichter. Er verspürte keine Angst mehr, sah erneut das Gesicht seiner Gefährtin vor sich und lächelte liebevoll. Ein Ruck ging durch seinen Körper, er bäumte sich ein letztes Mal auf und dann - war es vorbei.
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Es begann zu regnen.
Das Mädchen hielt den leblosen Körper sanft fest. Tränen rannen ihre Wangen herab und tropften auf sein weißes Fell. Für einige Zeit saß sie stumm da. Dann löste sie sich von dem toten Tier.
»Schlaf, Herr Löwe, schlaf!«, flüsterte sie und wandte sich ab.
Dass sie über und über mit Blut verschmiert war, bemerkte sie nicht. Sie sah auch nicht mehr, dass der tote Löwe hinter ihr anfing, im fahlen Mondlicht zu schimmern. Der Leichnam schwebte in die Luft und das Leuchten durchdrang alles um ihn herum, bis der Körper gänzlich verschwunden war. Zurück blieb nur ein Schwarm aus funkelnden Lichtern.
Das Meer aus Helligkeit löste sich auf und regnete auf das Mädchen herab.
15 Jahre später
»Wagen Sie es ja nicht, noch einmal von Freundschaft zu reden!«
Aleyna
Der Himmel war wolkenverhangen, und das trübe Wetter passte ausgezeichnet zu ihrer Stimmung. Heute war der Tag, an dem sie ihren Vater zu Grabe tragen würde. Sein Verlust traf sie härter als der ihrer Mutter, die bereits verstarb, als sie erst drei Jahre alt gewesen war. Die Erinnerung an sie war schon lange verblasst.
Aber dieses Mal war es anders, denn ihr Vater war immer an ihrer Seite gewesen. Und jetzt? Jetzt war er fort, und sie allein. Stumm stand sie vor dem Leichenwagen, in dem ihr Vater seine letzte Reise antreten würde. Sie betrachtete ihr verzerrtes Spiegelbild in dem auf Hochglanz polierten Auto.
Aleyna erkannte sich kaum wieder. Sie wirkte verhärmt in ihrem schlichten schwarzen Kleid und dem dunklen Mantel. Ihr sonst frisches Gesicht sah um Jahre gealtert aus.
Seufzend wandte sie sich vom Wagen ab und blickte dem Bestatter entgegen, der mit würdevoller Miene auf sie zu kam. Aleyna hatte die Beerdigung geplant, die Beisetzung fand so statt, wie sie es sich irgendwann auch für sich wünschen würde. Ohne Trara, wie ihr Vater es immer genannt hatte, denn eine Trauerfeier würde es nicht geben. Sie hasste diesen Leichenschmaus und fand allein die Vorstellung furchtbar, auf sein Wohl zu essen und zu trinken, während er tot unter der Erde lag.
Der Bestatter öffnete ihr die Tür, stieg ein und fuhr los. Aleyna griff nach ihrer Halskette und kämpfte gegen Tränen und Wut an, die in ihr hochstiegen. Dieses Schmuckstück war außer ihren Erinnerungen das Letzte, das ihr von ihren Eltern blieb. Ihr Vater war Goldschmied gewesen und hatte die Kette einst für ihre Mutter angefertigt. Ein grüner Stein in einer schlichten, goldenen Einfassung. Aleyna trug den Schmuck schon, solange sie sich erinnern konnte.
Langsam gewann sie ihre Fassung zurück und atmete durch. Als der Leichenwagen auf das Gelände des Friedhofs einbog, schob sie die Kette unter den Mantel und sah aus dem Fenster. Am Eingangstor standen zwei dunkel gekleidete Personen, ein junger Mann und eine Frau, etwa im Alter ihres Vaters. Beide blickten dem Wagen entgegen und Aleyna schloss für einen Moment seufzend die Augen. Der Bestatter hatte ihr gesagt, dass die Beisetzung ihres Vaters die einzige an diesem Tag sein würde, daher war klar, auf wen sie warteten. Es hätte ihr bewusst sein müssen, dass sich nicht alle an den Wunsch halten würden, dem Friedhof fern zu bleiben.
Als der Wagen zum Stillstand kam, nickte sie dem Bestatter kurz zu und stieg aus. Während sie an der Tür innehielt, atmete sie die kühle Morgenluft ein. Nein, sie war nicht bereit für Beileidsbekundungen - einer der Gründe, warum sie gewünscht hatte, am Tag der Beerdigung allein zu sein.
Noyan
Schon seit Jahren suchte er gemeinsam mit Palina die andere Welt auf, wenn einer von ihrem Volk starb, der aber nicht in Rondaria beheimatet war. Wegen eines Solchen waren sie auch heute hier. Über andere Wandler, die unerkannt zwischen den beiden Welten pendelten, hatten sie erfahren, dass der Verstorbene keines natürlichen Todes, sondern an der Seuche gestorben sein sollte. Ob das stimmte, hätte er auch allein überprüfen können. Er wollte nicht, dass sie das Portal mit ihm durchschritt, denn es war in seinen Augen völlig unnötig, dass sie ihn begleitete.
So oft schon hatte er mit ihr darüber gesprochen, doch sie war nicht umsonst die Gefährtin des Herrschers und ihr Wille stark. Sie wollte die Aura der Verstorbenen sehen und sich selbst von deren Todesursache überzeugen. Am Ende hatte er ihr wie jedes Mal nachgegeben, nur in einem war er hart geblieben. Sie durfte nicht ohne ihn durch das Portal zur Erde gehen. Immerhin gehörte er dem inneren Zirkel an und seine Aufgabe bestand darin, Palina wieder sicher in den königlichen Hort zu bringen. Das Volk hatte in den letzten Jahren genug gelitten, und er wollte verdammt sein, wenn der Herrscherin aus Unachtsamkeit etwas passieren würde.
Ärger wallte in ihm auf, als er den dunklen Wagen des Bestatters erblickte, der an ihnen vorbei fuhr. Normalerweise nahmen sie keinen Kontakt zu den Hinterbliebenen auf, sondern bemühten sich darum, im Verborgenen zu agieren. Es störte ihn gewaltig,