So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker страница 4
Übliche Vermissten-Fahndungsmaßnahmen eingeleitet am 24. August (jedoch keine öffentliche Suchanzeige); bisher kein Erfolg.
Wendell Strush Inspector C. I. D.
Anlage 1: Niederschrift der Vermisst-Meldung 2: Vernehmungsprotokoll Benham 3: Vernehmungsprotokoll Waynal (Dunster Castle)
*
Die mit einem Haar versehene Warze auf der Nase Heytesburys tanzte, wenn ihr Besitzer sprach, aber niemand lachte darüber, denn der Superintendent — der die Kriminale Untersuchungsabteilung C.I.D. von Scotland Yard vertretungsweise führte — war ein sehr empfindlicher Herr und verstand absolut keinen Spaß.
Taggart, ein eleganter blonder Dreißiger, der mehr einem Playboy als einem KriminalInspector gleichsah, hatte dem Super höflich zugehört, den Inhalt der Akte Ashburton-Todd, Elga, kurz überflogen, und legte sie nun seufzend aus der Hand. Als er den Kopf hob, lächelte ihm die selige Queen Victoria aus dem Ölgemälde, das an der Wand hinter dem Schreibtisch hing, huldvoll zu. Eine Fliege hatte sich auf ihre linke Augenbraue gesetzt und fühlte sich dort sichtlich wohl. Drückende Augusthitze lag in dem großen Raum, und die Strahlen der heißen Sommersonne drangen sogar durch die zugezogenen Vorhänge vorwitzig ein.
Alan Heytesbury konnte Ray Taggart so gut leiden wie dieser ihn. Beider Blicke verfingen sich ineinander. Die Rechte des Inspectors trommelte einen sanften Wirbel auf die Tischplatte, als er hoffnungsvoll sagte:
„Wie ich sehe, ist die Angelegenheit bei Inspector Strush in den besten Händen, Sir.“
„Sie liegt ab sofort in Ihren Händen, mon cher.“ Der Super lächelte grausam und fuhr übertrieben höflich fort: „Strush ist ein guter Mann, zugegeben, kommt aber mit den Gesellschaftskreisen nicht zurecht, die hier ...“ — er klopfte nachdrücklich mit dem Kugelschreiber auf die dünne Akte — „... hereinspielen. Für Sie dagegen, lieber Taggart, wird es eine ganze Reihe von Hürden gar nicht geben, an denen Strush hängengeblieben ist. Außerdem ist ...“
Der Teufel ist dem „lieber Taggart!“, dachte der Inspector böse.
„... da noch etwas: Colonel Ashburton ist ein etwas — hm! — sehr schwieriger Herr. Er scheidet zum 31. Dezember aus dem aktiven Militärdienst aus und soll, dem Vernehmen nach, in die zu diesem Zeitpunkt freiwerdende Planstelle eines Unterstaatssekretärs seines Ministeriums nachrücken. Deshalb legt er Wert darauf, dass nichts an die Öffentlichkeit dringt. Offiziell weilt seine Gattin zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit an der italienischen Riviera. — Wie werden Sie's anpacken?“ Sein Blick blieb an dem gut geschnittenen Gesicht seines Visavis hängen.
„Hm!“ Taggart zuckte die Achseln. „Der schwierige Colonel Ashburton ist achtzehn Jahre älter als seine verschwundene Gattin. Vielleicht hat Strush aufs falsche Pferd gesetzt, als er auf die Kombination Kriegsministerium plus Ungarnflüchtling ist gleich Spionage aufbaute. Vielleicht hat Mrs. Ashburton lediglich geglaubt, die Krampfadern und die schlaffe Haut ihres Eheliebsten nicht länger ertragen zu können ...“
Der Super lief krebsrot an und unterbrach ihn wütend:
„Nehmen Sie gefälligst zur Kenntnis, Taggart, dass meine Frau vierundzwanzig Jahre jünger ist als ich, und dass meine schlaffen Krampfadern — äh ...“ Weil er sich verheddert hatte, ärgerte er sich, und weil er ärgerlich war, fand er den Faden nicht sofort wieder.
„Ausnahmen bestätigen die Regel!“, warf Taggart — die Situation ausnützend — sanft ein. „Well, werde zusehen, was sich tun lässt. Eine Bitte, Sir: Ich brauche eine offizielle Anordnung des Innenministers an das C.I.D., den Fall Ashburton zu bearbeiten ...“
„In goldenem Rahmen, wie?“
„Nee!“, grinste der Inspector. „Hier in meiner Tasche. Dann darf ich im gesamten Gebiet des Vereinigten Königreiches nach Herzenslust amtswandeln, ohne erst die lieben Kollegen von den Stadt- und Grafschaftspolizeibehörden kniefällig um Erlaubnis bitten oder zuziehen zu müssen.“
„Nonsens!“, schnaubte der Super. „Der Innenminister wird mich auslachen, wenn ich eine entsprechende Bitte ...“
„Dann mag sich Seine Lordschaft selbst mit dem Fall beschäftigen, Sir! Ich habe nicht die Absicht, eine Indiskretion zu riskieren und auch noch die Verantwortung dafür zu tragen.“
„Herr! Sie machen die Ausführung einer dienstlichen Anordnung von der Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig! Dergleichen ist bei New Scotland Yard ohne Beispiel. — Gehorchen Sie, Herr! Gehorchen Sie!, habe ich gesagt oder ich werde ein Dienst-Strafverfahren gegen Sie einleiten!“
„Aye, aye, Sir!“ Taggart hatte sich blitzschnell erhoben und hielt gelassen den blitzenden Blicken seines Vorgesetzten stand. „Gleichzeitig bitte ich, Sir, mir ehebaldigst eine persönliche Meldung beim Deputy Assistant Commissioner zu ermöglichen. Inhalt: Beschwerde meiner Wenigkeit über Superintendent Heytesbury.“
„Inspector Taggart — was erdreisten Sie sich!“ Der Super war einem Schlaganfall nahe.
„Pardon, Sir — von ,Erdreisten' kann wohl nicht die Rede sein, denn ich nehme lediglich korrekt meine Rechte wahr, wie Sie auch. Falls ich die Situation falsch sehe, erbitte ich gehorsamst eine entsprechende Belehrung.“
„Gut — Sie — werden — Ihren — Wunsch — erfüllt — sehen ...!“, steckte der hohe Beamte um, denn Taggarts Wunsch war absolut berechtigt. — „Noch etwas: Sie sind von allen anderen Aufgaben freigestellt. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Abtreten!“
„Sehr wohl, Sir! Inspector Taggart meldet sich ab!“
*
Mit seinen eins achtundsechzig wirkte Sergeant Hulbert dem Inspector gegenüber unscheinbar und farblos. Er hatte Geheimratsecken und das Aussehen eines mittleren Bankbeamten. Außerdem war er zehn Jahre älter als Taggart, und um Klassen bescheidener gekleidet, denn er lebte vom Gehalt, Taggart dagegen im Wesentlichen von den Zinsen seines Vermögens. — Chris Hulbert sah auf, als sein Vorgesetzter schwungvoll das Büro betrat, und fragte grinsend: „Haben Sie etwa wieder den Direktor geärgert, Sir? Sie sehen nämlich so glücklich und zufrieden aus. Einmal wird das mit dem Super und Ihnen ein schmähliches Ende nehmen, wenn ich mir diese freimütige Bemerkung gestatten darf!“ Er rieb sich blitzschnell die Hände. „Was ist los, Sir? Ein neuer Leckerbissen in der Austernschüssel?“
„So ähnlich, Chris!“ Taggart nahm seufzend Platz. „Sollen uns als Babysitter betätigen. Leider ist das Baby bereits in den Brunnen gefallen ...“
Hulbert hörte seinem Inspector schweigend zu und sagte erst, als Taggart seinen Bericht beendet hatte, unbewegt:
„Sieht fast so aus, als wolle Heytesbury uns reinlegen! — Da geht also die Gattin eines Ministerialbeamten stiften und wird ausgerechnet von einem Hilfsarbeiter des gleichen Ministeriums zuletzt gesehen. Man könnte — goddam! — auf die charmantesten Überlegungen kommen. Außerdem ist Inspector Strush eher von übermorgen als von vorgestern. Wo er die Waffen gestreckt hat, ist auch für Sie nicht viel zu holen, Sir, was Sie mir gefälligst nicht als Respektlosigkeit anzukreiden die Güte besitzen wollen. Darf ich Vorschläge machen?“
„Was denn sonst?“ Taggart, der seinem Adlatus voll und ganz recht gab, nickte düster.
„Beginnen