So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker
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„Das lässt sich im Augenblick weder bejahen noch mit Sicherheit verneinen, Sir ...“
„Hm ...“ Ashburton schien kurz nachzudenken und schloss das Gespräch mit einem unverschämten: „Sie warten auf jeden Fall auf mich!“ ab.
*
Bis zum Eintreffen der Mordkommission nahm Taggart aus gewohnter Routine die Durchsuchung des Pavillon-Hauses auf.
Im Arbeitszimmer nahm er sich zuerst den Bücherschrank vor, der geographische Werke sowie, erstaunlicherweise, eine Fülle pornographischer Literatur enthielt.
Das ist für Benhams Charakterbild immerhin bezeichnend!, überlegte der Inspector.
Die Ebenholzsäule zwischen Bücherschrank und Schreibtisch, auf der eine imitierte Ming-Vase stand, nahm sich ausgesprochen deplatziert aus. Taggart schenkte ihr erst dann nähere Beachtung, als er sie beinahe versehentlich umgestoßen hätte und dabei bemerkte, dass sie abnorm leicht — also vermutlich innen hohl war. Dieser Umstand erregte seine Aufmerksamkeit. Vermutlich hatte der Selbstmörder die Höhlung als Aufbewahrungsort für Gegenstände benützt, die ein etwaiger Besucher weder sehen noch finden sollte.
Nachdem Taggart die Ming-Vase auf dem Schreibtisch abgesetzt hatte, untersuchte er die Säule und fand fast auf Anhieb eine kleine Warze, scheinbar eine Unebenheit im Holz, in Wirklichkeit aber einen geschickt eingefügten Druckknopf, der mit dem Öffnungsmechanismus in Verbindung stand. Taggart drückte kräftig auf den Knopf, worauf sich das obere Drittel der Säule wie ein Deckel abheben ließ. Jetzt brauchte er nur mehr den hohlen Teil umzudrehen und den Inhalt auszuschütteln: vier Stangen amerikanische Zigaretten und eine fünfte, bereits angebrochene.
Taggart bückte sich und hob eines der Päckchen auf, die sämtlich ohne Steuerbanderole waren. Er zog eine Zigarette heraus und roch an ihr. Dann schob er sie zwischen die Lippen, brannte sie an und rauchte einen tiefen Zug. Dieser eine genügte; danach drückte er die Zigarette wieder sorgfältig im Aschenbecher aus.
Gleichzeitig hörte er im Park Motorengeräusch. Er verließ das Zimmer, eilte durch den Korridor und trat vor das Haus, wo eben ein Polizeiwagen vorfuhr. Diesem entstiegen zwei Beamte, ein Sergeant und ein Constabler; der Sergeant, ein älterer, fuchsgesichtiger Mann, stellte sich als Harry Lies vor.
Taggart begegnete den Revierbeamten mit diplomatischem Takt, vermied es aber ängstlich, Einzelheiten über den Selbstmord preiszugeben. Im Gespräch mit den beiden stellte sich heraus, dass Captain Benham nicht polizeibekannt war.
„Tja — da können wir auch nichts machen ...“, meinte Lies geistvoll. „Das Beste wird wohl sein, wir warten auf die Mordkommission, ohne ihr vorher ins Handwerk zu pfuschen ...“
Genau das hatte Taggart hören wollen.
Fast zugleich mit der Mordkommission traf ein Dienstwagen des Kriegsministeriums mit Colonel Ashburton und drei weiteren Offizieren ein, deren Namen Taggart bei der Vorstellung nicht verstand.
„Entschuldigen Sie mich noch einen Augenblick, Colonel“, bat Taggart, „ich muss zuallererst den Kommissionsleiter, Inspector Collins, einweisen. Danach stehe ich Ihnen voll und ganz zur Verfügung.“
Collins, ein schweigsamer, älterer Beamter, der sich im Verlauf von Jahrzehnten zu seinem Rang hochgedient hatte, fragte argwöhnisch:
„Stimmt bei dem Selbstmord etwas nicht. Taggart, weil Sie es so sehr eilig haben ...?“ Ein musternder Blick streifte den C.I.D.-Mann.
„Die Unstimmigkeiten liegen lediglich beim Motiv“, erklärte dieser, „nicht aber bei der Technik der Ausführung. Wenn ich auch die Routine ablaufen lassen muss, so werden Ihre Untersuchungen doch kaum etwas an dem Ergebnis ändern. Lassen Sie Ihre Leute ruhig anfangen, ich selbst muss die Herren vom Kriegsministerium verarzten.“
„Dazu wünsche ich Ihnen viel Vergnügen!“, versetzte Collins brummig und ging an die Arbeit.
Erst jetzt fand Inspector Taggart Zeit, sich den vier Offizieren zu widmen. Während er sie ins Haus führte und vom Flur aus einen Blick auf den Toten werfen ließ, schilderte er zum soundsovielten Male die näheren Umstände. Er schloss mit der lakonischen Bemerkung:
„Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mein zu so später Stunde erfolgter Besuch Captain Benham einen Schock versetzt und dadurch die ganze Tragödie ausgelöst hat.“
„Unsinn“, widersprach Ashburton, „Benham hat sich ja auch nicht umgebracht, als Strush bei ihm vorsprach.“
„Nein, das ist kein echter Einwand, Sir“, korrigierte Taggart mürrisch. „Bei Strush hat Benham sofort gewusst, worum es ging, während er — so war zumindest mein Eindrude — bei mir von der intuitiven Überzeugung befangen war, es ginge diesmal um andere Dinge. Eine Frage, Colonel Ashburton: Reiste Benham regelmäßig dienstlich ins Ausland?“
„Komische Frage!“, mischte sich ein kleiner, stämmiger Major ein, der bisher geschwiegen hatte. „Wie kommen Sie darauf? Aber es stimmt. Benham war seit sechs Monaten als Kurieroffizier eingesetzt und flog jeden Monat zweimal, wenn auch nicht an bestimmten Tagen, zum Festland hinüber. Meist nach Paris, manchmal aber auch nach Brüssel, Berlin oder Rom. Spielt das eine Rolle?“
„Ich denke, ja!“ Taggart machte eine hoffnungslose Geste. „Bitte, kommen Sie mit, meine Herren!“
Er führte sie in das Arbeitszimmer des Selbstmörders und zeigte ihnen die Zigarettenpackungen und -stangen, die neben der umgekippten Hohlsäule am Teppich lagen. „Marihuana-Zigaretten, rund gerechnet vierhundertfünfzig Stück.“
„Schockschwerenot — jetzt fällt bei mir der Groschen!“ Ashburton sah den Yard-Beamten entsetzt an. „Sollte Benham Rauschgiftschmuggler gewesen sein? Nein, das wäre nicht zu fassen! Ein Offizier der Royal Army tut so etwas nicht!“
„Dann haben Sie eine andere Erklärung für den Fund?“, fragte der dickliche Major bissig. „Sie schweigen. Ihr Schweigen sagt mir genug. Ich möchte ja einem Toten nicht Unrecht tun, aber ich weise darauf hin, dass ich Sie immer wieder auf Benhams labilen Charakter aufmerksam gemacht habe. Ich meine, es wird nur gut sein, wenn wir parallel zu den polizeilichen Ermittlungen einen eigenen Untersuchungsausschuss einsetzen und die Angelegenheit röntgen.“
„Versäumen Sie nicht, Miss Peacock, die Braut des Captain, die in der gleichen Abteilung arbeitet, unauffällig überwachen zu lassen!“, mahnte Taggart ernst. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Miss Peacock sofort selbst aufsuche?“
„Warum gerade Sie?“, wollte der Colonel mürrisch wissen.
„Kann ich vor den Herren ganz offen sprechen?“
„Aber selbstverständlich!“
Taggart zögerte. „Ich möchte das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. Ich möchte eruieren, was Miss Peacock nach Benhams Tod über die letzte Begegnung mit Ihrer Gattin zu sagen hat.“
„Versprechen Sie sich etwas davon?“
„Allerdings, Sir, wenn auch nichts Konkretes.“
„Na, dann gehen Sie, wenn es Sie beruhigt“, polterte der kleine Major, „aber halten Sie sich an unsere Spielregeln: Von der peinlichen Marihuana-Affäre erwähnen Sie kein Wort! Soweit Miss Peacock darüber informiert