So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker

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So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker Extra Spannung

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richtig beigebracht, das Furchtbare, Unfassliche — Sie sind ein guter Mensch! Und jetzt bitte erzählen Sie. Ich vertrage die Wahrheit. Ich bin keine hysterische Ziege ...“

      Taggart erfüllte ihren Wunsch, so behutsam und schonend wie möglich. Es war eine spukhafte nächtliche Stunde, die die beiden miteinander verlebten. Während der Inspector knapp und prägnant berichtete und seine Worte manchmal durch sparsame Gesten unterstrich, saß Eleanor steil aufgerichtet in ihrem Sessel und lauschte mit gefrorener Ruhe. Taggart musste sich widerwillig eingestehen, dass er eine Frau von einer Art vor sich hatte, wie sie ihm nie zuvor begegnet war, und dass ihre Aura Persönliches in ihm zu berühren begann. Er hatte sich — wenn überhaupt — Eleanor als eines von tausend gut gewachsenen Mädchen vorgestellt und musste jetzt die Erfahrung machen, dass sie mehr war: Ein reifer, in sich fest gegründeter Mensch und — eine bildschöne Frau. Die unbekümmerte, ja sogar gleichmütige Weise, in der sie ihren körperlichen Reiz mit in die Rechnung einbezog, ohne sich — welch merkwürdiger Widerspruch — über die Wirkung Gedanken zu machen oder sie wenigstens bewusst zu registrieren, machte ihren Sexappeal keineswegs steril oder absurd. Von ihr ging jene gefährliche Lockung aus, der sich kein richtiger Mann auf die Dauer entziehen kann, und zugleich eine massive Warnung: Versuch' es ruhig mit mir, wenn du dich stark fühlst, aber ich sage dir jetzt schon, dass du dir dabei die Finger verbrennen wirst, mein Lieber ...

      Ihre Haut war gesund gebräunt und hatte Make-up nicht nötig, der Mund war kaum geschminkt. Trotzdem wirkte sie ganz als „femme fatale“, was sie nur zu genau wusste und sie, normalerweise, nicht wenig zu amüsieren schien.

      Im Augenblick war ihr allerdings von Amüsement herzlich wenig anzumerken, als sie den Inspector unpersönlich anblickte und leise sagte:

      „Sie sehen wie ein Mann aus, der seinen Job aus dem Effeff versteht, und wenn Sie sagen: Selbstmord, dann ...“

      „... dann war es auch Selbstmord“, fiel Taggart eilig ein und sah sie mitleidig an. „Bliebe natürlich noch die Frage des Motivs zu klären.“

      „Das scheint mir auch so“, pflichtete sie ihm mit plötzlicher Schärfe im Ton bei. „Nehmen Sie folgende Fehlanzeigen zur Kenntnis, Taggart, um es einmal im Amtsjargon zu sagen: Liebeskummer, finanzielle oder dienstliche Schwierigkeiten, Erpressung. — Stan ist — pardon: war“, verbesserte sie sich und wechselte dabei die Farbe, „ein lieber, guter, etwas leichtfertiger Junge — was sich mit den Jahren eingerenkt hätte — und hatte einige wenige gute Seiten. Aber die machten ihn so liebenswert und hinreißend, dass er alle Frauen um den kleinen Finger wickeln konnte, sogar mich. Hell and damnation — er hatte ganz einfach kein Motiv ...“

      „Vielleicht ist es beim Inhalt der hohlen Säule zu suchen“, schoss der Inspector widerwillig einen Giftpfeil ab.

      „Welche hohle Säule denn?“, fragte sie ehrlich erstaunt.

      „Im Arbeitszimmer, die Ming-Vase steht darauf.“

      „Ach!“ Sie dachte eine Sekunde nach. „Die Säule ist hohl? Und sie hatte einen Inhalt?“

      „... oder mit dem Verschwinden Elga Ashburtons“, ergänzte er, eingedenk der Ermahnungen, die er erhalten hatte, verdächtig eilig.

      „Sie machen mir Spaß — hätte ich jetzt beinahe gesagt! Elga Ashburton? Was hat denn das wieder zu bedeuten?“ Sie zog die Stirne kraus und nahm sich aus der Tabatiere am Toilettentisch eine Zigarette. Taggart gab ihr Feuer. „Ach so! — Nee, lassen Sie sich den Zahn ziehen, mein Bester! In puncto Frauen war Stan konservativ bis zur Verbohrtheit. Ein Engländer kann nur eine Engländerin lieben — klar? Mit Elgas Verschwinden hat er bestimmt nichts zu tun.“

      „Hab' ich ja gar nicht behauptet. Ich spielte nur auf Ihr Erlebnis bei Dunster Castle an.“

      „Auf welches Erlebnis denn?“

      „Am 25. August, als Sie zwischen Lynhead und Minehead die Autopanne hatten.“

      Rede und Gegenrede flitzten wie klickernde Pingpong-Bälle hin und her.

      „Und was hatte die Autopanne mit Mrs. Ashburton zu tun?“

      „Na, Sie sind gut! Sie beide — Benham und Sie, Miss Peacock — sahen doch gegen zweiundzwanzig Uhr, wie Mrs. Elga aus Richtung Dunster Castle zur Bezirksstraße ging, in einen dort wartenden schwarzen Daimler einstieg und davonfuhr ...“

      „Aber davon ist kein Wort wahr, Taggart!“, sagte Eleanor entrüstet.

      „Nein? Dann hören Sie sich mal die Aussage des Captain in der fraglichen Angelegenheit an ...“

      Glücklicherweise steckte die Akte „Todd, verehelichte Ashburton, Elga“ in Taggarts Aktenmappe. Er brauchte sie nur herauszunehmen, aufzuschlagen und Captain Benhams Vernehmungsprotokoll vorzulesen. Prompt begann Eleanor zu weinen. Sie stammelte schluchzend:

      „Dass wir am 25. August zwischen einundzwanzig Uhr dreißig und — sagen wir — zweiundzwanzig Uhr zwanzig an der fraglichen Stelle festsaßen, entspricht durchaus den Tatsachen, nicht aber, dass wir Mrs. Ashburton und einen schwarzen Daimler gesehen haben. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, Taggart!“

      Just a moment, dachte der Inspector und zog sein berühmtes Pokergesicht, jetzt lügt sie! Benham hat sich von sich aus an Ashburton gewandt und ihm sein unheimliches Erlebnis mitgeteilt. Er hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass man darüber auch seine Braut wie eine Zitrone ausquetschen werde, und konnte nicht mit dem Zufall rechnen, der das verhindert hat. Also hätte er sich gehütet, sich durch eine erfundene Story wichtig zu machen, deren Lügenhaftigkeit im nächsten Augenblick offenkundig gewesen wäre ...

      „Bitte“, sagte er und zeigte Eleanor die Unterschrift, „vorgelesen, genehmigt und unterschrieben: Stanley David Benham, Captain Royal Army.“

      „Oh Himmel“, schluchzte sie, „ich sehe es und kann es doch nicht glauben, dass Stan einen solchen Wahnsinn begangen haben soll! Ich bin jederzeit bereit, zu beschwören, dass meine Darstellung stimmt!“

      „Aber ich bitte Sie, Miss Peacock, bedenken Sie doch, was Sie da reden ...!“, bat Taggart bestürzt.

      Sie stand auf, trat näher und blieb dicht vor ihm stehen, sodass er wieder ihren sauberen, klaren Duft spüren musste, und die undefinierbare Ausstrahlung ihrer Persönlichkeit. „Behandeln Sie mich gefälligst nicht wie ein Baby, Mann!“, fuhr sie ihn an. „Was ich sage, stimmt — da beißt die Maus keinen Faden ab. Und wenn Sie mir komisch kommen ...“

      Diese wohlfeile Bemerkung ernüchterte den Befangenen jäh. Er erhob sich und sagte reserviert:

      „Von Komik ist unsere Situation himmelweit entfernt, dachte ich. Will mich jetzt zurückziehen. Können Sie sonst noch etwas von Belang aussagen?“

      „Jetzt wird er auch noch böse!“, steckte sie um.

      „Wie alle Männer, wenn die Wahrheit, die reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit, nicht in ihr Konzept zu passen scheint. Scheinbar nicht. Hören Sie zu: Ich habe Wort für Wort die reine Wahrheit gesagt, Taggart. Und was Sie betrifft — Sie waren der sympathischste Polizeibeamte meines Lebens. Wollen Sie jetzt den guten Eindruck zerstören?“

      Sie hatte es plötzlich eilig, ihren Besucher loszuwerden und verabschiedete ihn geschäftsmäßig nüchtern und sehr beherrscht. Fünf Minuten nach halb drei saß der Inspector wieder in seinem Cisitalia und hätte sonst etwas dafür gegeben, wenn er bei Eleanor Peacock hätte Mäuschen spielen können. Da

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