Das Geld. Emile Zola

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Das Geld - Emile Zola Die Rougon-Macquart

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Augenblick diesen weichen, zerfließenden, fast weibischen Händedruck. In seinem Schwanken, welchen Weg er einschlagen sollte, wie sein Leben neu aufzubauen war, schimpfte er alle Anwesenden einen Haufen Spitzbuben. Ach, wenn man ihn dazu zwänge, wie würde er sie hetzen, wie würde er sie rupfen, die zittrigen Mosers, die großmäuligen Pilleraults, diese Salmons, die hohler als Kürbisse waren, und diese Amadieus, deren ganzes Genie im Erfolg bestand! Das Teller- und Gläsergeklapper hatte wieder eingesetzt, die Stimmen wurden heiser, die Türen wurden heftiger zugeschlagen in der Eile, die alle verzehrte, weil sie dabeisein wollten, wenn es einen Börsenkrach wegen des Suezkanals geben sollte. Und durch das Fenster sah Saccard mitten auf dem Platz, den Droschken durchfurchten und Fußgänger verstopften, die sonnenbeschienenen Stufen der Börse, die nun wie übersät von einem unaufhörlichen Strom menschlicher Insekten waren, korrekt in Schwarz gekleideten Herren, die nach und nach den Säulengang füllten, während hinter den Gittern verschwommen ein paar Frauen auftauchten, die unter den Kastanienbäumen herumlungerten.

      Plötzlich ließ ihn in dem Augenblick, da er den Käse anschnitt, den er bestellt hatte, eine rauhe Stimme den Kopf heben.

      »Ich bitte Sie um Entschuldigung, mein Lieber, ich konnte wirklich nicht eher kommen.«

      Da war endlich Huret, ein Normanne aus dem Calvados23, ein schwerfälliger großer Kerl, der den Eindruck eines gerissenen Bauern machte, der den einfachen Mann spielt. Sogleich ließ er sich irgend etwas bringen, das Tagesgericht und dazu eine Gemüsebeilage.

      »Na, was ist?« fragte Saccard, der sich zusammennahm, trocken.

      Aber der andere beeilte sich nicht, betrachtete ihn als schlauer und vorsichtiger Mann. Als er dann zu essen begann, schob er den Kopf vor und senkte die Stimme.

      »Also, ich bin bei dem großen Mann gewesen ... ja, bei ihm zu Hause, heute früh ... Oh, er meint es sehr gut, sehr gut mit Ihnen.«

      Er hielt inne, trank ein großes Glas Wein und stopfte sich wieder eine Kartoffel in den Mund.

      »Na und?«

      »Ja, mein Lieber, die Sache ist die ... Er will für Sie gern alles tun, was er kann, er wird für Sie eine sehr hübsche Stellung finden, aber nicht in Frankreich ... Zum Beispiel den Gouverneursposten in einer unserer Kolonien, in einer von den guten. Da wären Sie wirklich Ihr eigener Herr, ein richtiger kleiner Fürst.«

      Saccard war leichenblaß geworden.

      »Sagen Sie mal, das soll wohl ein Scherz sein? Sie machen sich wohl lustig über mich? Warum nicht gleich in die Verbannung? ... Er will mich also loswerden. Soll er sich bloß hüten, daß ich ihm am Ende nicht ernstlich Schwierigkeiten mache!«

      Huret suchte ihn mit vollem Mund zu beschwichtigen.

      »Aber, aber, man will doch bloß Ihr Bestes, lassen Sie uns nur machen.«

      »Mich ausschalten lassen, nicht wahr? Hören Sie mal! Vorhin war hier die Rede davon, daß das Kaiserreich bald keinen Fehler mehr ausgelassen hat. Ja, der Krieg in Italien24, Mexiko, die Haltung gegenüber Preußen25. Ehrenwort, das ist die Wahrheit! ... Ihr werdet noch so viele Dummheiten und Verrücktheiten anstellen, daß sich ganz Frankreich erhebt, um euch rauszuschmeißen.«

      Da wurde der Abgeordnete, die getreue Kreatur des Ministers, ganz bleich und schaute unruhig um sich.

      »Aber erlauben Sie mal, erlauben Sie, da kann ich Ihnen nicht folgen ... Rougon ist ein ehrenwerter Mann, es gibt keine Gefahr, solange er dabei ist ... Nein, reden Sie nicht weiter, Sie verkennen ihn, das muß ich Ihnen sagen.«

      Saccard unterbrach ihn heftig und stieß zwischen den Zähnen hervor:

      »Also gut, lieben Sie ihn, kochen Sie Ihr Süppchen zusammen ... Ja oder nein: will er mich hier in Paris unterstützen?«

      »In Paris, niemals!«

      Ohne ein weiteres Wort erhob sich Saccard und rief den Kellner, um zu bezahlen, während Huret, der seine Zornesausbrüche kannte, in aller Ruhe weiter große Bissen Brot hinunterschlang und ihn aus Furcht vor einem Skandal gehen ließ. Aber in diesem Augenblick entstand im Saal eine große Aufregung.

      Gundermann war hereingekommen, der Bankkönig, der Herr der Börse und der Welt, ein Mann von sechzig Jahren, dessen riesiger Kahlkopf mit der dicken Nase und den hervortretenden runden Augen ungeheuren Starrsinn und große Müdigkeit ausdrückte. Nie ging er zur Börse, tat sogar so, als schickte er nicht einmal einen offiziellen Vertreter dorthin; auch speiste er nie in einem öffentlichen Lokal zu Mittag. Nur hin und wieder geschah es, wie an diesem Tag, daß er sich im Restaurant Champeaux zeigte, wo er sich an einen Tisch setzte, um sich nichts weiter als ein Glas Vichy-Wasser auf einem Teller servieren zu lassen. Da er seit zwanzig Jahren an einer Magenkrankheit litt, ernährte er sich ausschließlich von Milch.

      Sofort war das ganze Personal in Aufruhr, alle rannten, um das Glas Wasser zu bringen, und alle anwesenden Gäste lagen vor ihm auf dem Bauch. Moser betrachtete demütig diesen Menschen, der die Geheimnisse kannte, der nach seinem Gutdünken Hausse oder Baisse machte wie der liebe Gott Donner und Blitz. Selbst Pillerault grüßte ihn, da er nur auf die unwiderstehliche Kraft der Milliarde vertraute. Es war halb eins; Mazaud ließ Amadieu kurzerhand stehen und verbeugte sich vor dem Bankier, von dem er manchmal mit einer Order beehrt wurde. Viele Börsenbesucher, die gerade gehen wollten, blieben stehen, umringten den Gott, machten ihm inmitten der Unordnung beschmutzter Tischtücher mit achtungsvoll gekrümmtem Rücken den Hof und sahen ihm ehrfürchtig zu, wie er mit zitternder Hand das Glas Wasser nahm und an die farblosen Lippen führte.

      Vor einiger Zeit, bei den Spekulationen um die Grundstücke in der Ebene von Monceau, hatte es zwischen Saccard und Gundermann Auseinandersetzungen, ja sogar ein richtiges Zerwürfnis gegeben. Sie harmonierten nicht miteinander, der eine war leidenschaftlich und ein Genußmensch, der andere nüchtern und von kalter Logik. Daher wollte Saccard, wutentbrannt und zudem erbittert über diesen triumphalen Auftritt, gehen, als ihn der andere ansprach.

      »Sagen Sie mal, mein Bester, ist das wahr? Sie ziehen sich von den Geschäften zurück? Glauben Sie mir, Sie tun gut daran, es ist besser so.«

      Das war für Saccard ein Peitschenhieb mitten ins Gesicht. Er streckte seine kleine Gestalt und versetzte klar und messerscharf:

      »Ich gründe eine Kreditbank mit einem Stammkapital von fünfundzwanzig Millionen; ich gedenke, Sie bald zu besuchen.«

      Und er ging hinaus, ließ die hitzige Atmosphäre des Saales hinter sich, in dem einer den anderen anrempelte, um nicht die Eröffnung der Börse zu versäumen. Ach, endlich Erfolg haben! Wieder all diesen Leuten, die ihm den Rücken kehrten, den Fuß auf den Nacken setzen, mit diesem König des Goldes wie mit seinesgleichen kämpfen und ihn vielleicht eines Tages zu Boden strecken! Er war noch keineswegs entschlossen, sein großes Geschäft zu wagen, und selber überrascht über diesen Satz, den ihm das Verlangen zu antworten entlockt hatte. Aber konnte er das Glück anderswo versuchen, jetzt, da sein Bruder ihn im Stich ließ, die Dinge und die Menschen ihn verletzten, um ihn wieder in den Kampf zu werfen, wie man den blutenden Stier in die Arena zurückführt?

      Zitternd verharrte er einen Augenblick am Rande des Bürgersteigs. Zu dieser betriebsamen Stunde schien sich das Leben von Paris auf diesen Platz zu ergießen, zentral gelegen zwischen der Rue Montmartre und der Rue Richelieu, den beiden verstopften Verkehrsadern, die die Menge wie Treibsand mit sich führen. Aus den vier Straßen, die von allen Seiten auf den Platz münden, ergoß sich ein ununterbrochener Wagenstrom und durchpflügte das Pflaster inmitten des strudelnden Gewühls der Fußgänger. Unaufhörlich rissen die beiden Droschkenreihen an der Haltestelle längs den Gittern auseinander

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