Die Macht der Geimbünde. Walter Brendel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Macht der Geimbünde - Walter Brendel страница 15
Der Begriff selbst geht auf den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz zurück, der 1710 in seinem Werk Essais de Théodicéesur la bonté de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal nachzuweisen versuchte, dass diese Welt „die beste aller möglichen Welten“ sei und deshalb die Existenz des Übels in der Welt nicht der Güte Gottes widerspreche. Eine weithin bekannte Antwort auf diese These ist Voltaires satirischer Roman Candide oder der Optimismus.
Angesprochen wird die Thematik schon im Buch Ijob (Hiob) im Alten Testament. Im antiken Griechenland wurde sie von skeptischen Philosophen erörtert. Das Buch Ijob geht dabei von einem aktiven Eingreifen Gottes in das Weltgeschehen aus, während die griechischen Skeptiker als Vertreter des Agnostizismus die Idee einer göttlichen Lenkung und Prädestination bezweifelten.
Das Problem
Eine prägnante, oft zitierte Formulierung des Problems lautet:
• Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
• Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
• Oder er kann es und will es nicht:
• Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
• Oder er will es nicht und kann es nicht:
• Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
• Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
• Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Diese Argumentation wurde von dem Kirchenschriftsteller Laktanz (ca. 250 bis nach 317) überliefert, der sie dem Philosophen Epikur zuschrieb, allerdings zu Unrecht, denn sie ist nichtepikureisch, sondern stammt von einem unbekannten skeptischen Philosophen. Der Skeptiker Sextus Empiricus hat im 2. Jahrhundert n. Chr. in seinen Pyrrhoneischen Hypotyposen(3.3.9-12) dieselbe Überlegung in einer etwas ausführlicheren Version dargelegt.
Das Theodizeeproblem besteht wegen des Widerspruchs zwischen zwei Aussagen: einerseits diejenige, es gebe einen allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gott, andererseits diejenige, das Übel bzw. Böse in der Welt existiere real. Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der beiden Aussagen eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an beiden Aussagen festgehaltenwerden kann. Es gibt im Wesentlichen folgende Lösungsansätze:
Bestimmung des Übels
Schon der frühe christliche Kirchenlehrer und Philosoph Augustinus und später mittelalterliche Denker wie Thomas von Aquin begründeten die Auffassung, das Übel habe kein eigenständiges Sein, sondern sei nur Mangel an Sein bzw. Mangel am Guten (privatio boni). Thomas nannte als Beispiel die Blindheit, die Entbehrung des Augenlichtes sei. Diese philosophische Position geht demnach von einem realen Mangel aus – im Gegensatz zu jener, die behauptet, das Leid bzw. das Übel sei für den davon betroffenen nicht real.
Die Privationstheorie hat eine „außerordentliche Erfolgsgeschichte“ hinter sich, schreibt der zeitgenössische Theologe Friedrich Hermanni. Vom 2. bis in das 17. Jahrhundert hinein sei sie in fast allen philosophischen Systemen unumstritten gewesen – zwischen den Kirchenvätern und den spätantiken Philosophen, zwischen Aristotelikern und Platonikern, zwischen Thomisten und Scotisten, zwischen Reformatoren wie Philipp Melanchthon und römisch katholischen Dogmatikern wie Robert Bellarmin sei dies ein Punkt gewesen, in dem man sich einig war.
Im 17. Jahrhundert und bei einigen sogenannten Nominalisten im Universalienstreit bereits im 14. Jahrhundert, wurde das Leiden hingegen als ein Seiendes – eine auf empirischen Feststellungen beruhende Tatsache – betrachtet. Daher komme dem Übel auch eine eigene Realität zu.
Weiterhin wurde vorgebracht, dass auch ein bloßer Mangel an Gutem, der zu Leidführt, nicht mit der Allmacht und Allgüte Gottes zu vereinbaren sei.
Laut jüdisch-mystischer Sohar-Auslegung des Buches Genesis hat Gott vor der Schöpfung unserer Welt andere Welten erschaffen und wegen ihrer Unvollkommenheit wieder zerstört(soweit herrscht Übereinstimmung mit der Interpretation des Midrasch). Die Reste dieser Welten haben sich laut Sohar als „Hülsen“ (heb. qlipot) erhalten, die fortdauern und das Böse in der Welt verursachen (die „andere Seite“, heb. sitra achra). Da aber auch sie ursprünglich von Gott erschaffen wurden, enthalten sie noch „Funken von Heiligkeit“ (heb. nizzozot schelqduschah).
Dogma
Unter einem Dogma („Meinung, Denkart, Lehrsatz“) versteht man eine fest stehende Definition oder eine grundlegende Lehrmeinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt.
In der Philosophie heißt Dogmatismus seit Immanuel Kant das Philosophieren ohne eine vorhergehende Kritik der Bedingungen der Erkenntnis. Im Unterschied dazu besteht für Kant das(von ihm für legitim gehaltene) „dogmatische Verfahren“ darin, aus sicheren Prinzipien a priori streng zu beweisen. In ähnlicher Weise stellt der Kritische Rationalismus den Dogmatismus der kritischen Prüfung und dem Fallibilismus gegenüber.
In der Sozialpsychologie ist die Dogmatismus-Skala ein von Milton Rokeach entwickeltes Konstrukt für ein relativ geschlossen organisiertes
System von Aussagen über die Wirklichkeit, die geglaubt oder angezweifelt werden. In ihrem Mittelpunkt stehen Annahmen von absoluter Autorität, die ihrerseits die Grundlage abgeben für Muster von Intoleranz gegen andere. Kennzeichnend sind damit geistige Geschlossenheit, ein autoritätsgeneigter Denkstil sowie Intoleranz. Dogmatismus wird mittels einer „MultiItem“-kumulativen Likert-Skala gemessen.
Dogmen findet man in Religionen sowie in autoritären, absolutistischen und totalitären Gesellschaftsformen, in denen eine Religion, eine Weltanschauung oder eine Wertvorstellung als allein wahr, allgemeingültig, verbindlich und oft sogar als für alle Zeit gültig erklärt wird. Die Dogmen oder Paradigmen, auf denen diese Anschauungen beruhen, werden unter Berufung auf göttliche Offenbarung oder besondere Erkenntnisse als fürwahr gehaltene Theorien oder naturrechtliche Legitimation formuliert, so dass eine Kritik daran automatisch auch eine Missachtung der Autorität darstellt und so eine Selbstimmunisierung gegen jede Kritik entsteht. Die systematische Lehre der Dogmen wird Dogmatik genannt.
In Antike und Mittelalter war Dogma ein positiv besetzter Begriff, der für Klarheit und Eindeutigkeit stand. Seit dem Zeitalter der Aufklärung werde Dogmen kritisch als eine auf Autoritäten beruhende Denkweise oder Glaubensüberzeugung abgelehnt. Einer der zentralen Leitgedanken der Aufklärung, der von Immanuel Kant zitierte und so wieder bekannt gewordene Spruch des lateinischen Dichters Horaz, Sapere aude (lateinisch Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!), bildet nachmoderner Auffassung einen unvereinbaren inhaltlichen Gegensatz zum Dogma bzw. zur entsprechenden Lehre, der Dogmatik.
Dogmen sind für wahr befundene formulierte Auffassungen von der Wirklichkeit eines abgegrenzten Bereichs der menschlichen Erkenntnis. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit wird vorausgesetzt, ohne dass notwendig eine experimentelle Verifikation zugrunde liegt. Bei der Formulierung eines Dogmas wird eine solche nicht für notwendig oder in vielen Fällen auch nicht für möglich erachtet. Dogmen werden dennoch in einer, jedoch nicht notwendigerweise schlüssigen, Logik begründet und sind damit begrenzt für kritische Reflexionen offen.