Hans Fallada: Damals bei uns daheim – Band 187e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

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Hans Fallada: Damals bei uns daheim – Band 187e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада gelbe Buchreihe

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das war nun schon seit vielen Jahren vergeben und vergessen. Über die hässlichen Lücken hatten sich andere, wenn auch nicht gleich wertvolle Marken hingezogen, zu kahl gewordene Blätter hatte Vater umgeklebt. Und nun war da ich, ein hoffnungsvoll heranwachsender Knabe, aber mit einer nicht zu übersehenden Neigung zur Unordnung und Grundsatzlosigkeit. Nie konnte ich genaue Angaben darüber machen, wo eigentlich mein horrendes Taschengeld von fünfzig Pfennigen in der Woche blieb, nie hatte ich Geld, stets verlangte ich Vorschüsse.

       Mein Vater glaubte fest daran, dass jedem Menschen ein Spartrieb angeboren sei. Jeder wollte doch vorwärtskommen im Leben, und jeder sah gerne, wenn seine Kinder mehr wurden als er. Wie sollte da ich, sein und seiner ebenso sparsamen Frau Sohn, dieses urmenschlichen Triebes ganz entblößt sein –?! Er war da, er musste da sein, meines Vaters Aufgabe war es, ihn zu entwickeln! Da dies mit Geld nicht gelang, trotzdem mir mein Vater ein Kontobüchlein geschenkt hatte, in das ich Einnahmen und Ausgaben eintragen sollte – ich benutzte das Heft alsbald als Bücherverzeichnis –, so gedachte Vater über den Sammeltrieb den Spartrieb zu entwickeln.

      Wenn ich nun mit einer guten Zensur nach Hause kam, wenn ich beim Zahnarzt mutig gewesen war, wenn ich eine Woche lang meinen Lebertran ohne erhebliche Revolte genommen hatte, bei all solchen lobenswerten Anlässen überreichte mir mein Vater ein volleres oder leereres Blatt seiner Briefmarkensammlung. Erlaubte es ihm seine Zeit, erzählte er mir auch einiges, wie und wo er einzelne Marken „ergattert“ hatte (es war sein Stolz, dass er nie einen Pfennig dafür ausgegeben hatte). Oder er berichtete mir auch von den Ländern, aus denen sie kamen, nahm Reisebeschreibungen aus seiner Bücherei und suchte so ein Band zwischen mir und den Marken zu knüpfen.

      Zu Anfang schien ihm dies auch zu gelingen. Da er aus Vorsicht mit den weniger wertvollen Marken, späteren Erwerbungen durch Tausch, anfing, so sah ich mit Vergnügen die bunt bebilderten Marken Südamerikas an: mit Vögeln, Landkarten, Palmen, Affen, Städteansichten. Ab und zu wagte ich sogar ein oder zwei Groschen meines Taschengeldes daran und ergänzte einen „Satz“. Dann lobte Vater mich.

      Aber je höher wir mit der Zeit im Werte kamen, umso mehr langweilten mich die gezähnten und ungezähnten Papierstückchen. Zahlen, immer nur Zahlen standen darauf, und die leuchtenden Farben wurden immer stumpfer, gingen immer mehr ins Gräuliche und Bräunliche über. Sie langweilten mich, ich fand es je länger je mehr höchst betrübend, dass ich statt eines Talers für eine gute Zensur immer nur diese langweiligen Blättchen erhielt. Ich sah sie kaum noch an. Wenn ich mein artiges Dankeschön, in dem doch schon Enttäuschung mitschwang, gesagt hatte, stopfte ich das Blatt achtlos zu den anderen in eine Kommodenschieblade.

      Ganz entgangen ist meinem Vater dieser Stimmungsumschwung wohl nicht. Eindringlicher als sonst suchte er mir begreiflich zu machen, wie kunstvoll diese kleinen Blättchen ausgeführt waren, wie sauber in Zeichnung und Stich. Und als dies nicht verfangen wollte, wies er auch – wenn schon widerstrebend, denn so etwas lag ihm gar nicht – auf den hohen Wert mancher Stücke hin, um meine Besitzerfreude anzustacheln.

      Aber es half alles nichts. Heimlich grollte ich weiter mit Vater. Wie viele Wünsche hätte ich mir mit einem Taler erfüllen können! Ich törichter Tropf kam gar nicht auf den Gedanken, dass ich mir durch den Verkauf einer einzigen Marke die Wünsche eines Viertel-, eines halben Jahres hätte erfüllen können. Ich machte meine Dummheiten, wie auch später im Leben, unbegreiflich gründlich.

       Da war nun mein Freund Hans Fötsch, und Fötsch war ein echter Sammler. Er sammelte sowohl Brief- wie Siegelmarken, wie Stollwerck-, wie Liebigbilder. Von diesem allen schienen mir die Liebigbilder am begehrenswertesten. Einmal waren sie selten, denn jedem so lange reichenden Fleischextrakttöpfchen lag nur ein Bild bei. Zum anderen zeigten sie Szenen aus den Pampas, mit Toros, Haziendas, Gauchos, Lassos, Indios – alles Dinge, die meine Phantasie entzündeten. Viele hundert dieser Bilder hatte Hans Fötsch zusammengebracht, manche waren noch frisch wie aus der Presse, andere trugen die lebhaftesten Spuren von vielen schmierigen Jungenshänden, durch die sie gegangen waren, und dies schien sie mir noch begehrenswerter zu machen. Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden der Versucher war, aber eines Tages war das Geschäft gemacht: ich war der Besitzer eines dicken Stapels von Liebigbildern, meine Briefmarken aber waren sämtlich zu Hans Fötsch hinübergewechselt. Ganz wohl ist uns beiden bei diesem Tausch nicht gewesen. Wir schwuren uns strengste Geheimhaltung, und in der ersten Zeit verbarg ich auch meinen Bilderschatz ängstlich vor den Augen von Geschwistern und Eltern.

      Aber ein Kind vergisst rasch, und so war der Tag nicht fern, da mich meine Mutter über meinen Bildern antraf.

      „Wo hast du denn die alle her, Junge?“ fragte sie, erst noch harmlos erstaunt.

      „Och –!“ sagte ich. „Sind sie nicht großartig? Kuck mal, Mutter, das ist 'ne Kaffeeplantage! Hast du gewusst, dass der Kaffee auf so kleinen Bäumen wächst?“

      Aber meine Mutter kannte ihre Pappenheimer. Grade dass ich so harmlos tat, machte mich ihr verdächtig.

      „Hübsch!“ sagte sie. „Und von wem hast du all die Bilder? Es müssen doch ein paar hundert sein.“

      „Fünfhundertdreißig!“ sagte ich stolz.

      „Und wer hat sie dir gegeben?“

      „Och –!“ sagte ich wieder. „So Jungens ...“

      „Was für Jungens?“ fragte sie erbarmungslos weiter. „Wie heißen sie?“

      Wieder nur: „Och!“ Und schließlich: „So Schuljungens ...“

      Jetzt war meine Mutter fest davon überzeugt, dass etwas Verbotenes hinter der Sache steckte.

      „Hans!“ sagte sie fast aufgeregt, „da stimmt was nicht. Ich will die Namen von den Jungens wissen!“ Und als ich noch immer zögerte: „Wenn du sie mir nicht sagst, gehen wir zusammen zu Vater! Vater wirst du sie schon sagen!“

      Diese Drohung erschreckte mich sehr, denn ich gedachte der fehlenden Briefmarken. Ich bequemte mich also zu dem Geständnis, dass Hans Fötsch der Geber gewesen sei.

      Meine Mutter atmete ein wenig auf. „Gottlob, der Hans Fötsch!“ sagte sie. Dann nachdenklich: „Und was hast du Hans Fötsch dafür gegeben? Hans ist ein guter Junge, aber er schenkt nicht gerne was weg.“

      „Er hat sie mir doch so gegeben, Mutter!“

      „Du schwindelst, Hans, ich sehe es dir ja an!“

      „Wirklich und wahrhaftig, Mutter!“ versicherte ich und versuchte, nach dem Spiegel zu schielen, ob ich tatsächlich rot geworden war.

       „Nein, du lügst, Hans“, sagte meine Mutter, ihrer Sache jetzt ganz sicher. „Und wenn du mir die Wahrheit nicht sagen willst, müssen wir doch zu Vater gehen.“

      Nun versuchte ich, mich aufs Bitten zu legen. Ich wollte Mutter alles sagen, nur sollte sie mir versprechen, Vater nichts davon zu erzählen.

      Aber Mutter ließ sich auf nichts ein. „Du weißt, ich habe nie Heimlichkeiten vor Vater. Und wenn es etwas Verbotenes ist, muss Vater es erst recht erfahren. Komm, Junge, wir gehen gleich zu Vater. Du weißt, Vater ist nie schlimm, wenn ihr offen und ehrlich gesteht, was ihr falsch gemacht habt. Nur Lügen hasst er ...“

      Aber ich zog es vor, erst einmal Mutter meine Schandtat zu gestehen. Ich wollte sehen, wie sie auf sie wirkte. Mutter war so erschrocken, dass sie sich glatt hinsetzte.

      „Junge, Junge!“ rief sie ganz ängstlich. „Wie konntest du das nur tun! Papas schöne, kostbare Briefmarkensammlung, auf die er so stolz ist! Für die dummen schmutzigen

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