Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi

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Anna Karenina | Krieg und Frieden - Leo Tolstoi

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redest du da nur!« rief er mit einem Ausdrucke schmerzlicher Betrübnis auf dem Gesichte.

      »Es ist so.«

      »Nimm es mir nicht übel, aber ich kann das nicht glauben, kann es schlechterdings nicht glauben ...«

      Alexei Alexandrowitsch setzte sich nun gleichfalls, da er fühlte, daß seine Worte nicht die Wirkung gehabt hatten, die er von ihnen erwartet hatte, und daß er nun eine nähere Erklärung werde geben müssen und daß, welches auch immer der Inhalt der Erklärung sein mochte, sein Verhältnis zu seinem Schwager dasselbe bleiben werde wie bisher.

      »Ja, ich sehe mich in die traurige Notwendigkeit versetzt, die Scheidung zu verlangen«, sagte er.

      »Ich möchte nur eins sagen, Alexei Alexandrowitsch. Ich kenne dich als einen vortrefflichen, gerechtigkeitsliebenden Menschen, und ich kenne Anna (verzeih mir, aber ich kann meine Meinung über sie nicht ändern) als eine prächtige, vortreffliche Frau, und darum, verzeih mir, vermag ich es nicht zu glauben. Hier liegt ein Mißverständnis vor«, sagte er.

      »Ja, wenn es nur ein Mißverständnis wäre ...«

      »Erlaube, ich verstehe«, unterbrach ihn Stepan Arkadjewitsch. »Aber natürlich ... Nur eins; keine Übereilung! Hier darf keine Übereilung stattfinden, um alles in der Welt nicht!«

      »Ich habe mich nicht übereilt«, versetzte Alexei Alexandrowitsch kalt. »Aber in einer solchen Sache kann man niemand um Rat fragen. Ich bin fest entschlossen.«

      »Das ist furchtbar!« erwiderte Stepan Arkadjewitsch mit einem schweren Seufzer. »Aber eins würde ich an deiner Stelle tun, Alexei Alexandrowitsch. Ich bitte dich inständig, tue das!« sagte er. »Die Sache ist noch nicht eingeleitet, wenn ich dich recht verstanden habe. Ehe du einen solchen Schritt tust, komm einmal zu meiner Frau, sprich mit ihr. Sie liebt Anna wie eine Schwester, und sie hat auch dich sehr gern, und sie ist eine bewundernswerte Frau. Um Gottes willen, sprich mit ihr! Tu mir die Liebe, ich bitte dich inständig!«

      Alexei Alexandrowitsch überlegte schweigend, und Stepan Arkadjewitsch blickte ihn teilnahmsvoll an, ohne ihn darin zu stören.

      »Willst du zu ihr kommen?« fragte er endlich.

      »Ich bin mir noch nicht schlüssig. Dies ist auch der Grund, weshalb ich nicht zu Ihnen gekommen bin. Ich bin der Ansicht, daß unser Verhältnis sich jetzt ändern muß.«

      »Aber warum denn? Das sehe ich nicht ein. Gestatte mir zu glauben, daß du, ganz abgesehen von unseren verwandtschaftlichen Beziehungen, mir gegenüber wenigstens bis zu einem gewissen Grade die freundschaftlichen Empfindungen hegst, die ich immer für dich gehegt habe ... Und eine aufrichtige Hochachtung«, fügte Stepan Arkadjewitsch noch hinzu, indem er ihm die Hand drückte. »Und selbst wenn deine schlimmsten Vermutungen zuträfen, so würde ich mich nie für berufen halten, über die eine oder die andere Partei den Stab zu brechen, und ich sehe keinen Grund, weshalb unser gegenseitiges Verhältnis sich ändern sollte. Aber jetzt tu, was ich sagte, und komm zu meiner Frau!«

      »Nun, wir haben über die Sache eine verschiedene Anschauung«, versetzte Alexei Alexandrowitsch kühl. »Übrigens, wir wollen nicht weiter davon reden.«

      »Und warum solltest du denn nicht wenigstens heute zu uns zum Essen kommen? Meine Frau erwartet dich. Bitte, komm! Und vor allen Dingen: Sprich mit ihr darüber. Sie ist eine bewundernswerte Frau. Ich bitte dich herzlich, auf den Knien bitte ich dich!«

      »Wenn Sie es so sehr wünschen, so will ich kommen«, erwiderte Alexei Alexandrowitsch seufzend.

      Und in dem Wunsche, dem Gespräche eine andere Richtung zu geben, fragte er nach etwas, was sie beide interessierte: nach Stepan Arkadjewitschs neuem Vorgesetzten, einem noch ziemlich jungen Manne, der trotzdem auf einmal einen so hohen Posten erhalten hatte.

      Alexei Alexandrowitsch hatte schon vorher den Grafen Anitschkin nicht leiden können und sich immer in Meinungsverschiedenheiten mit ihm befunden; jetzt nun aber konnte er, wie das bei einem Beamten erklärlich ist, sich nicht erwehren, einen Menschen zu hassen, dem eine Beförderung zuteil geworden war, während er seinerseits im Dienste eine Niederlage erlitten hatte.

      »Nun also, bist du schon mit ihm zusammengekommen?« fragte Alexei Alexandrowitsch mit boshaftem Lächeln.

      »Gewiß; er war gestern bei uns in unserm Amt. Er scheint mir eine vortreffliche Geschäftskenntnis zu besitzen und sehr arbeitseifrig zu sein.«

      »Ja, aber worauf richtet sich sein Arbeitseifer?« versetzte Alexei Alexandrowitsch. »Will er Neues schaffen oder nur an dem, was er fertig vorfindet, herumändern? Das ist das Unglück unseres Staates, diese papierne Verwaltungsmethode, deren würdiger Vertreter er ist.«

      »Wirklich, ich weiß nicht, was an ihm auszusetzen wäre. Seine Richtung kenne ich noch nicht; aber das eine weiß ich: er ist ein sehr netter Kerl«, antwortete Stepan Arkadjewitsch. »Ich war jetzt eben bei ihm, und wirklich, er ist ein sehr netter Kerl. Wir haben zusammen gefrühstückt, und ich habe ihm gezeigt, wie man ein schönes Getränk herstellt, aus Wein und Apfelsinen, du wirst es ja kennen. Es ist sehr erfrischend. Ganz erstaunlich, daß er es noch nicht kannte. Aber es schmeckte ihm sehr gut. Nein, wirklich, er ist ein prächtiger Mensch.«

      Stepan Arkadjewitsch sah nach der Uhr.

      »Ach, Herrgott, es geht schon auf fünf, und ich muß noch zu Dolgowuschin! Also bitte, komm zum Essen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du mich und meine Frau kränken würdest.«

      Alexei Alexandrowitsch begleitete seinen Schwager hinaus und benahm sich hierbei schon ganz anders als beim Empfange.

      »Da ich nun einmal zugesagt habe, so werde ich auch kommen«, antwortete er trübe.

      »Sei überzeugt, daß ich es zu schätzen weiß, und ich hoffe, du wirst es nicht bereuen«, antwortete Stepan Arkadjewitsch lächelnd.

      Als er im Gehen den Überzieher anzog, stieß er dabei unversehens mit der Hand den Diener gegen den Kopf, lachte laut auf und ging hinaus.

      »Um fünf Uhr, bitte, und im Oberrock!« rief er noch einmal, indem er zur Tür zurückkehrte.

      9

      Es war bereits zwischen fünf und sechs Uhr, und einige Gäste waren schon anwesend, als auch der Hausherr selbst erschien. Er trat zugleich mit Sergei Iwanowitsch Kosnüschew und Peszow ein, die sich an der Haustür getroffen hatten. Dies waren die beiden Hauptvertreter der Moskauer Intelligenz, wie Oblonski sie zu nennen pflegte. Beide erfreuten sich sowohl wegen ihres Charakters wie auch wegen ihres Verstandes allgemeiner Achtung. Auch achteten sie sich gegenseitig; aber es bestanden in fast allen Dingen zwischen ihnen die stärksten Meinungsverschiedenheiten, deren Überbrückung ganz aussichtslos erschien, nicht etwa weil sie beide entgegengesetzten Richtungen angehört hätten, sondern gerade weil sie sich zwar zu einer und derselben Partei hielten (von ihren Feinden wurden sie beide in denselben Topf geworfen), innerhalb dieser Partei jedoch ein jeder von ihnen seine besondere Schattierung hatte. Und da nichts einer Einigung hinderlicher ist als eine Meinungsverschiedenheit in halb abstrakten Dingen, so fanden sie sich nicht nur niemals mit ihren Meinungen zusammen, sondern sie hatten sich auch schon längst gewöhnt, einer über des andern unverbesserliche Verirrungen einfach zu lachen, ohne sich weiter zu ärgern.

      Sie traten gerade, in einem Gespräche über das Wetter begriffen, in den Salon, als Stepan Arkadjewitsch sie einholte. Im Salon saßen

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