Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi

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Anna Karenina | Krieg und Frieden - Leo Tolstoi

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bin ich eben hergekommen. Das heißt, nicht ausschließlich deswegen ... Ich bin zum Kammerherrn ernannt worden; na, und da muß man sich doch bedanken. Aber die Hauptsache ist doch, daß ich diese Angelegenheit hier in Ordnung bringen muß.«

      »Nun, Gott helfe Ihnen bei Ihrem Bemühen!« sagte Betsy.

      Nachdem er die Fürstin Betsy bis auf den Flur begleitet, ihr noch einmal die Hand oberhalb des Handschuhs, da, wo der Puls klopft, geküßt und ihr noch eine solche Menge pikanten Unsinns hingeschwatzt hatte, daß sie nicht wußte, ob sie sich darüber ärgern oder darüber lachen sollte, begab sich Stepan Arkadjewitsch zu seiner Schwester. Er fand sie in Tränen.

      Trotz der übersprudelnd heiteren Stimmung, in der sich Stepan Arkadjewitsch befand, ging er doch sofort zu einem teilnahmsvollen, poetisch angehauchten Tone über, der zu ihrem Gemütszustand paßte, und es gelang ihm, diesen Ton in einer durchaus natürlich anmutenden Weise zu treffen. Er erkundigte sich nach ihrem Befinden und wie sie den Morgen verbracht habe.

      »Schlecht, sehr schlecht. Den Morgen und alle vergangenen und zukünftigen Tage«, antwortete sie.

      »Mir scheint, du überläßt dich zu sehr einer trüben Stimmung. Man muß sich aufraffen und das Leben mit festem Blick anschauen. Ich weiß, daß das manchmal schwer ist; aber ...«

      »Ich habe gehört, daß manche Frau ihren Mann sogar wegen seiner Laster liebt«, begann Anna plötzlich; »ich aber hasse den meinigen wegen seiner Tugend. Ich kann nicht mit ihm leben. Glaube mir: sein bloßer Anblick wirkt physisch auf mich abstoßend; er macht mich geradezu wild. Ich kann nicht mit ihm leben, ich kann es nicht. Was soll ich nur anfangen? Ich war unglücklich und dachte, ein größeres Unglück könne es nicht geben; aber von dem furchtbaren Zustande, den ich jetzt durchmache, hatte ich keine Vorstellung. Kannst du das glauben: ich weiß, daß er ein guter, ein vortrefflicher Mensch ist, daß ich nicht soviel wert bin wie sein Fingernagel, und dennoch hasse ich ihn. Ich hasse ihn wegen seiner Großmut. Und es bleibt mir nichts weiter übrig als ...«

      Sie wollte sagen: ›als der Tod‹; aber Stepan Arkadjewitsch ließ sie nicht ausreden.

      »Du bist krank und reizbar«, sagte er. »Glaube mir, du übertreibst ungeheuer. So schrecklich ist die Lage ganz und gar nicht.«

      Bei diesen Worten lächelte Stepan Arkadjewitsch. Kein anderer hätte an seiner Stelle, einer solchen Verzweiflung gegenüber, sich erlaubt zu lächeln; denn ein Lächeln wäre als Roheit erschienen; aber in seinem Lächeln lag eine solche Gutmütigkeit und eine solche fast frauenhafte Zärtlichkeit, daß sein Lächeln nichts Verletzendes, sondern vielmehr etwas Besänftigendes, Beruhigendes hatte. Die Art, wie er leise und beschwichtigend redete und lächelte, wirkte mildernd und beruhigend wie Mandelöl. Und Anna fühlte das in kurzem.

      »Nein, Stiwa«, sagte sie. »Mit mir ist es aus, mit mir ist es aus! Ja, es steht noch schlimmer: es ist eben noch nicht aus; ich kann nicht sagen, daß alles zu Ende wäre; im Gegenteil, ich fühle, daß es noch nicht zu Ende ist. Ich bin wie eine zu straff gespannte Saite, die reißen muß. Aber es ist noch nicht zu Ende ..., und es wird ein furchtbares Ende nehmen.«

      »Aber nicht doch! Man kann die Saite ganz sachte nachlassen. Es gibt keine Lage, aus der man nicht einen Ausweg finden könnte.«

      »Ich habe gesonnen und gesonnen. Es gibt nur einen ...«

      Wieder merkte er an ihrem verstörten Blicke, daß dieser einzige Ausweg nach ihrer Ansicht der Tod war, und ließ sie nicht ausreden.

      »Keineswegs«, unterbrach er sie, »erlaube einmal! Du kannst deine Lage nicht so genau beurteilen wie ich. Erlaube, daß ich dir aufrichtig meine Meinung sage!« Wieder lächelte er behutsam mit seinem Mandelöl-Lächeln. »Ich fange von Anfang an: du hast einen Mann geheiratet, der zwanzig Jahre älter ist als du. Du hast ohne Liebe geheiratet oder ohne die Liebe zu kennen. Das war ein Fehler, wie nicht zu leugnen ist.«

      »Ein furchtbarer Fehler!« sagte Anna.

      »Aber ich stelle fest: es ist eine vollendete Tatsache. Dann hast du, sagen wir einmal, das Unglück gehabt, dich in einen andern Mann zu verlieben. Das war ein Unglück; aber es ist gleichfalls eine vollendete Tatsache. Und dein Mann hat diese Tatsache als solche anerkannt und verziehen.« Er hielt nach jedem Satze inne, wie wenn er eine Erwiderung erwartete; aber sie antwortete nichts. »So steht es also. Jetzt ist nun die Frage: Kannst du weiter mit deinem Manne zusammen leben? Wünschst du das? Wünscht er es?«

      »Ich weiß nichts; nichts weiß ich.«

      »Aber du hast doch selbst gesagt, daß du ihn nicht ausstehen kannst.«

      »Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich widerrufe es. Ich weiß nichts und begreife nichts.«

      »Ja, aber erlaube mal ...«

      »Das kannst du nicht verstehen. Ich fühle, daß ich kopfüber in einen Abgrund hinabstürze, aber mich nicht retten darf. Und ich kann es auch nicht.«

      »Nun, das ist nicht schlimm; wir halten ein Sprungtuch darunter und fangen dich darin auf. Ich verstehe dich; ich verstehe, daß du es nicht über dich gewinnen kannst, das, was du wünschst und empfindest, auszusprechen.«

      »Ich wünsche nichts; nichts wünsche ich ..., nur daß alles bald zu Ende sein möchte.«

      »Aber er sieht das und weiß das. Und meinst du etwa, daß er sich weniger dadurch bedrückt fühlt als du? Du marterst dich ab, und er martert sich ab; was kann dabei herauskommen? Und doch würde eine Scheidung alle Schwierigkeiten lösen«, schloß Stepan Arkadjewitsch; diesen Hauptgedanken brachte er nur mit einer gewissen Anstrengung heraus und blickte sie nun bedeutungsvoll an.

      Sie antwortete nichts und schüttelte nur verneinend ihren kurzgeschorenen Kopf. Aber an dem Ausdruck ihres Gesichtes, das auf einmal wieder in seiner früheren Schönheit erglänzte, sah er, daß sie dies nur deshalb nicht zu wünschen gewagt hatte, weil es ihr als ein unerreichbares Glück erschienen war.

      »Ihr tut mir furchtbar leid! Und wie glücklich würde ich sein, wenn es mir gelänge, diese Sache in Ordnung zu bringen!« sagte Stepan Arkadjewitsch und lächelte nun schon wesentlich kühner. »Sprich nicht, sage kein Wort! Möge mir Gott beistehen, damit ich alles so sagen kann, wie ich es empfinde. Ich will jetzt zu ihm gehen.«

      Gedankenvoll und mit leuchtenden Augen blickte Anna ihn an; aber sie schwieg.

      22

      Stepan Arkadjewitsch trat in Alexei Alexandrowitschs Arbeitszimmer mit jener einigermaßen feierlichen Miene ein, mit der er im Sitzungssaale seines Amtes auf dem Stuhle des Vorsitzenden Platz zu nehmen pflegte. Alexei Alexandrowitsch ging, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, im Zimmer auf und ab und dachte über denselben Gegenstand nach, über den Stepan Arkadjewitsch soeben mit Anna gesprochen hatte.

      »Ich störe dich doch nicht?« fragte Stepan Arkadjewitsch, der beim Anblicke seines Schwagers ein ihm ungewohntes Gefühl der Verlegenheit verspürte. Um diese Verlegenheit zu verbergen, zog er ein eben erst gekauftes Zigarettenetui mit einem neuartigen Verschluß hervor, roch an dem Leder und nahm sich eine Zigarette heraus.

      »Nein. Wünschst du etwas?« antwortete Alexei Alexandrowitsch wenig freundlich.

      »Ja, ich möchte gern ... ich muß ... ja, ich muß ein paar Worte mit dir sprechen«, versetzte Stepan Arkadjewitsch, der sich zu seiner Verwunderung einer ihm sonst fremden

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