Damian - Falsche Hoffnung. Madlen Schaffhauser

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Damian - Falsche Hoffnung - Madlen Schaffhauser Damian

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würde nichts lieber tun, als ihm um den Hals zu fallen, kann mich aber gerade noch im letzten Moment beherrschen. „Soll das ein Witz sein?“

      „Eigentlich nicht.“ Wieder zieht er einen Mundwinkel nach oben. Dieses Mal erreicht es sogar seine Augen.

      Ich drehe mich von ihm weg und gehe zur Tür. Doch bevor ich sie öffne, blicke ich mich nochmals zu ihm um. „Ich habe es nicht gelesen.“

      „Was haben Sie nicht gelesen?“ Verständnislos sieht er mich an.

      „Das, was im Internet über Sie zu finden ist. Über Ihre Vergangenheit. Was Sie dazu geführt hat, nach England zu gehen.“

      „Warum nicht.“ Ich sehe, wie er einen grossen Kloss versucht hinunterzuschlucken, der seine Kehle zuzuschnüren droht.

      „Wie ich schon sagte, hat jeder ein Anrecht auf eine Privatsphäre. Auch Sie. Was immer vor all den Jahren geschehen ist, Sie können nichts Schlimmes getan haben. Aber ich denke, dass Sie etwas sehr Dramatisches erlebt haben, das Ihr ganzes bisheriges Leben verändert hat. Auf Wiedersehen Mr. Meyer.“ Ich drücke den Griff nach unten und betrete den halbrunden Flur ohne mich nochmals zu meinem zukünftigen Chef umzusehen.

      2.

      Bereits zum dritten Mal lese ich die Schrift auf der grossen Tafel, die vor dem Eingang des Meyer Empires steht und versuche ein heimisches Gefühl für die Firma zu bekommen, für die ich ab heute arbeiten werde. Ich nehme die Worte wie ein Stück Schokolade in den Mund und lasse sie genauso darauf zergehen, als wären sie ein Teil dieser süssen Köstlichkeit.

      In wenigen Minuten beginnt mein erster Arbeitstag. Denn wie versprochen, hat sich Mrs Morgan schon einen Tag nach meinem Gespräch mit Mr. Meyer kontaktiert und mich gebeten vorbeizukommen, um den Vertrag zu unterschreiben.

      Aufgeregt? Zappelig? Erregt? Ich weiss nicht, wie ich meinen Gemütszustand beschreiben soll. Es sind schon einige Wochen vergangen, seit ich einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen bin. Ich habe genug Zeit verstreichen lassen, um mich wieder zu fangen und bis vor Kurzem glaubte ich auch, ich hätte mich wieder unter Kontrolle. Aber jetzt, wo ich die Möglichkeit erhalten habe, ein Teil von einem der grössten Unternehmen von ganz England zu werden und vor diesem riesigen Gebäude stehe, drohen mir meine Beine nicht zu gehorchen.

      Wie festgefroren stehe ich da und schweife mit meinen Augen ständig von den gläsernen Drehtüren vor mir nach oben, wo ich mein zukünftiges Büro vermute, dabei kann ich nicht einmal das obere Ende des Wolkenkratzers sehen.

      Ich starre durch die Glastüren in die Lobby, in der sich viele Frauen und Männer hin und her bewegen oder vor den Fahrstühlen warten, bis sie mit einem der drei Aufzüge nach oben fahren können.

      Plötzlich fühle ich mich um einige Jahre zurückversetzt und sehe mich, wie ich auf das nicht mehr ganz so weisse Schulhaus zugehe, in dem ich meine nächsten zwei Jahre verbringen werde. Jenes Haus, in dem ich meine obligatorische Schulzeit zu ende bringen werde. Viele mir fremde Gesichter sehen in meine Richtung, während ich mit unsicheren Schritten auf die Treppe zugehe. Teenager, Junge wie Mädchen verziehen ihre Münder und tuscheln hinter vorgehaltenen Händen miteinander, als ich näher komme.

      „Wollen Sie nicht endlich hineingehen?“

      Erschrocken drehe ich mich zu der mir bereits bekannten Stimme um, die mich soeben aus meinen trüben Erinnerungen holte. „Wie?“

      „Macht Ihnen dieser kalte Wind etwa nicht zu schaffen?“ fragt mich Rose Morgan etwas verwundert und zieht sich ihren Schal ein klein wenig enger um den Hals, damit die frostige Kälte nicht an ihre Haut gelangt. „Kommen Sie, Ihr neuer Vorgesetzter wird sicher schon auf Sie warten. Mr. Baker ist nämlich immer einer der ersten und kann es ausserdem nicht ausstehen, wenn man unpünktlich zur Arbeit erscheint.“

      „Dann lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren.“ Ich gehe neben Mrs Morgan durch die Drehtüren. Sie geht auf den Empfang zu und unterhält sich kurz mit der Dame dahinter. Daraufhin händigt mir die Frau mit den lockigen, blonden Haaren hinter der langen Theke einen Ausweis aus, damit ich von nun an ohne mich jedes Mal anmelden zu müssen, in die oberen Stockwerke gelange.

      „Bitte weisen Sie den jeweils vor, wenn Sie nach oben wollen.“ Rose Morgan zieht ihren eigenen hervor und zeigt ihm dem Mann, der vor den Fahrstühlen Wache steht. Ich mache es ihr gleich und augenblicklich gehen die Fahrtüren auf und wir steigen ein.

      „Sie brauchen nicht nervös zu sein.“ Sie blickt auf meine Finger, die ich unbewusst ineinander verkeilt habe und lächelt mich an. „Schliesslich haben Sie den Job schon längst in der Tasche.“

      „Ich weiss. Obwohl sich meine Arbeit hier von meiner letzten nur in wenigen Dingen unterscheiden wird, ist das was auf mich zukommt trotzdem etwas Neues. Ich kenne keinen Menschen. Ich habe keine Ahnung, wie mich meine neuen Mitarbeiter aufnehmen werden und ob ich wirklich die Leistungen bringen werde, die Mr. Meyer von mir erwartet.“

      „Was kann schon schieflaufen?“ Die Frau neben mir, die mir nun schon so oft moralische Unterstützung gegeben hat, sieht mich fragend an. „Sie können sich nicht mit allen gleich gut verstehen. Das kann niemand. Aber die Mitarbeiter von Meyer Enterprises sind wie eine Grossfamilie. Alle wurden persönlich von Damian“ Sie spricht diesen Namen auf eine Art aus, als wäre es ganz natürlich unseren Chef mit Vornamen anzusprechen. „eingestellt und wenn irgendwer denkt, er könne ihn hinters Licht führen oder einen anderen Kollegen mobben, fliegt dieser jemand schneller aus der Firma, als ihm lieb ist.“

      Ihre Worte dringen tief in mein seelisches Empfinden, aber sie können meine Ängste und Zweifel, die mich schon seit Monaten verfolgen, nur ein klein wenig schmälern.

      Als hätte sie meine Gedanken gelesen, fährt sie fort: „Ausserdem kennen Sie ja mich. Sie können sich jederzeit an mich wenden, wenn Sie irgendein Problem haben oder jemanden brauchen, um sich auszusprechen. Egal was.“

      In den wenigen Momenten, in denen ich dieser Frau begegnet bin, hat sie mich jedes Mal freundlich und liebevoll behandelt. Wie oft in meinem Leben habe ich mir schon gewünscht, solch eine Mutter zu haben, die mir hilft meinen richtigen Platz im Leben zu finden und mich in allen Belangen unterstützen würde? Ich habe keine Ahnung. Aber seit dem Tag, an dem meine Mutter mich und meinen Vater einfach im Stich gelassen hat, verging kein einzelner Tag, an dem ich nicht wünschte, eine solche Person wie Mrs Morgan an meiner Seite zu haben.

      Mein Vater ist der beste, fürsorglichste und einfühlsamste Dad, den man sich überhaupt erträumen kann und doch hat in all den Jahren meiner Kindheit die Wärme einer Frau gefehlt, die Stimme und das Lächeln einer liebenden Mutter.

      „Miss Weber?“

      „Ja?“ Ich blicke Rose Morgan fragend an.

      „Zeit für Sie auszusteigen.“

      Die Aufzugstüren sind bereits geöffnet, wie ich erst jetzt feststelle und sehe mich verlegen über meine Schultern nach Mrs Morgan um, als ich in den langen, hellen Flur hinaustrete.

      „Ich wünsche Ihnen einen guten Start.“ ruft sie mir noch schnell zu, bevor sich die Türen wieder schliessen.

      „Danke.“ und hebe die Hand zum Gruss.

      Ich habe wackelige Beine und mein Herz flattert. So aufgeregt und zugleich erwartungsvoll habe ich mich schon seit langem nicht mehr gefühlt. Genau genommen seit dem

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