Die letzten Farben. Jan Corvin Schneyder
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Sowas hier.
Ein Punkt.
Wie der.
Der hier.
Sie verstehen, was ich meine.
Punkt.
Das Warum also, die große Frage, die so viel Zeit kostet. Jemand parkt sein Auto. Der Beifahrer will wissen, warum er es an dieser Stelle parkt. Warum fragt er? Aus Interesse? Wohl eher ist er auf der Suche nach einem Ansatzpunkt für kritische Anrede. Kostet Zeit. Und Nerven. Unerfreulich wie unnötig. Und wieder das Warum. Warum hat er denn nun gefragt? Und warum lautet nicht jede Antwort darauf wie folgt:
A) Warum nicht?
B) Weil ich es kann.
Es gibt allerdings auch Warums, die komplexerer Antworten bedürfen. Warum also dieses Buch? Antwort B wäre hochtrabend, arrogant. Antwort A verdeutlicht nicht die Notwendigkeit. Antwort C ist schnell gefunden. In digitalen Archiven, in Bibliotheksmagazinen, in der kollektiven, völlig verschleierten Schwarmerinnerung dümpeln große Philosophen dahin.
Hegel, Kant, Nietzsche.
Kennt jeder, kennt keiner.
Manche mit komplexen Modellen und Systemen, andere bewusst ein wenig strukturlos, aber immer sehr hoch. Hohes Sprachniveau, viele Zitate und Querverweise. Großartige epochale Leistungen, ohne Frage, aber zugänglich für weite Teile der Bevölkerung? Eher nicht. Ich bin kein Volksphilosoph, bei weitem nicht, und es ist letztlich auch irrelevant, wer hier was versteht oder liest, aber eines soll gesagt sein: Das Warum stellt sich hier, und tut es doch nicht. Es kommt ja darauf an, wer fragt, und momentan fragt hier eine weiße Seite. Mich. Warum ich sie traktiere zum Beispiel. Warum ich zögere. Warum es so schnell geht. Das Warum lähmt unsere gesamte Existenz, weil doch so vieles schon da und ganz einfach ist. Man muss es nicht hinterfragen. Nur jene Dinge, die wirklich bedeutsam sind. Für unser Herz, nicht so sehr für den Verstand. Ein Verstand schadet nicht, aber er wird von klassischen und modernen Philosophen immer und immer wieder über alles gestellt, bis zur völligen Anti-Humanismus-These. Der Mensch sei dumm, hässlich, böse. Wenn man in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, begegnet einem nicht wenig davon. Ich rede hier noch gar nicht vom Hass, einfach von dieser latenten Abneigung gegen die Menschheit, nur weil sie Schwächen hat, nur weil manch ein Individuum oder größere Gruppen Teile ihrer Existenz nicht gerade erfreulichen Dingen widmen. Ein Grund, sein Volk - im Sinn von Menschheitsvolk, die gesamte Menschheit - zu verlassen? Selbst wenn es ein Grund wäre, es ist dennoch unmöglich. Ob unter Tieren oder ganz allein auf einer Insel. Es wird gesehen, von innen und oben. Es bleibt ein Mensch. Warum? Weil eben doch nicht alles nichts oder nichts alles ist. Das waren interessante Thesen, aber es ist nutzlos und herzlos, solch eine Richtung einzuschlagen, egal ob man es nun Nihilismus oder Skepsis nennt. Skepsis trifft es ja auch nicht so ganz, wenn man allem die Existenz und den Sinn abspricht. Nun, allem Erfreulichen. Der böse individuelle Trieb, der ohne Rücksicht auf Verluste ausgelebt werden soll, der ist angesagt. Darauf zielen viele Werbungen ab.
Sei schneller als die anderen.
Sei Erster.
Schnapp ihnen alles weg.
Sie sollen leiden, du sollst dich freuen.
Und lachen.
Lach sie aus.
Das ist noch kein Hass, aber fein ist es nicht, was uns die Ablehnung und Verweigerung früherer Wertekataloge da hingepflanzt hat. Frühere Wertekataloge? Bei wem schrillen die Alarmglocken? Nein, das hier ist kein rechts-populistisches Parteiprogramm. Wobei man über Konservativismus gerne einmal sprechen darf. Der Begriff wurde so kaputt genudelt, dass er niemandem mehr etwas sagt. Real existierender Konservativismus wird nicht einmal mehr erkannt, nur weil er das politische Lager gewechselt hat.
Das Warum also stützt sich hier auf die Notwendigkeit. Natürlich brüllen Feuilletons gegen Hass-Rede, natürlich organisiert das Privatfernsehen Spendenshows mit Lichterketten aus Menschenfleisch für den Weltfrieden - und danach geht ein jeder seinen Hass über Nachbarn, Kollegen, Familie ausschütten, meist online, aber zunehmend auch real. Siehe Verhalten im Straßenverkehr oder Supermarkt. Einigen möchte man direkt eine Keule in die Hand drücken, um das Neandertaler-Bildnis zu komplettieren. Halt. Nein, das wird nun keine Büttenrede aus der Karnevalskiste. Auch so ein Thema, nun ja. Also das Warum ist beantwortet. Und wenn es jemandem nicht beantwortet ist, dann möge er das Kapitelchen noch einmal lesen. Und wenn auch das nicht hilft, einfach übergehen und weiterlesen.
Das Büchlein soll im Übrigen auch sprachlich in Teilen erquicklich sein, es geht nicht primär um Hass. Das ist er nicht wert, dass man ihn so konsequent durch den Kakao jedes einzelnen Absatzes zieht. Er ist eine Farbe von vielen im Prisma unserer Seele, unseres Herzens. Und einiges liegt da vielleicht im Argen. Schauen wir es uns gemeinsam an. Vielleicht kommen wir auf die eine oder andere gute Idee. Es geht ja nun immer um die Wege, hinein und hinaus. Da dürfen die Gedanken schon mal abschweifen. Warum denn eigentlich nicht?
Dort in den farbigen Nebeln der Vorsehung, wo die dämmernde Vergangenheit die dämmernde Zukunft küsst, treffen wir uns, bevor wir in die Welt gehen und sie ändern. Oder auch nicht ändern. Oder es allein tun, ohne ein Treffen. Irrlichter, auf der Fahrt ins Nirgendwo, versprühen Glanz. Tanzende Nächte reihen sich in den Reigen lebhafter Tage. Empathie erblüht, Zorn sackt gedämpft in das Nichts außerhalb des Blickfeldes. Dort steht sie, fremde Existenz, und ich weiß nicht ihren Namen. Die Aura wird zu Eis, der Pfeil in unserer Hand zu einem Teil des Arms, die Gedanken verschmelzen mit dem Licht, das schwächer wird. Doch dank ihr vermag ich zu sehen, vermag die schattenhaften Umrisse der Räuber des Schimmerns auszumachen, und wir könnten sie niederstrecken ohne ein Wort zu sagen. Der Forst der Welt muss die Sonne einlassen, sonst wird er in schwarzem Feuer verbrennen. Farben, Gefühle und Welten explodieren. Das tun sie schon seit einiger Zeit. Wer also hilft mit, die letzten Lichtfetzen zu sammeln und zu einen, um einen brennenden Strahl gegen die Finsternis zu formen?
Noch zu wenige.
Für neue Perspektiven ist es nie zu spät. Sie dürfen auch verrückt sein. Die Verrücktheit von heute ist allzu oft die Genialität von morgen.
Übrigens: Wir hören bislang und fortan viel von einem Ich, von einem Wir, von einem Uns, von einem Ihr, von einem Sie, von einem „die anderen“. Und dieses Buch verweigert sich der literarisch-strukturellen Notwendigkeit, jede Anrede diskursiv darzulegen. Warum ist es einmal ein „Wir“, einmal ein „Ihr“? Nun, weil es so ist. Es geschieht nicht hingeschludert. Es ist Absicht. Aber jede Absicht zu erklären – ist das nicht Ödnis? Dass der Mensch nichts mehr zu akzeptieren bereit ist, trifft ja schon den Kern eines wichtigen Problems.
Zurück auf die Wege hinter dem Warum. Die meisten Wege sind freilich keine leichten. Vielleicht sollte man sich rechtzeitig angemessen kleiden – und auch geistig vorbereiten. Es läuft sich besser, wenn man sich wohlfühlt. Und in Gesellschaft wäre es auch nicht schlecht. Es gibt so viele selbsternannte Einzelgänger, die angeblich niemanden brauchen und knallhart sind. Das hält eine Zeit lang, aber ewig? Jeder von uns kann mal überdenken, ob er den richtigen Weg in angemessenem Zustand und in geeigneter Begleitung – oder ohne – geht. Man kann immer korrigieren, auch wenn es nicht leicht ist, etwas bislang als korrekt Proklamiertes umzuwerfen. Wir nehmen uns in manchen Dingen die Meinungen anderer zu sehr zu Herzen, hören auf jeden Hinz und Kunz statt auf die Menschen,