Thermografie. Eric Rahne
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Der Vorgang der Wärmeleitung lässt sich am leichtesten mit dem bereits erwähnten Bohrschen Atommodell erklären: Die Elektronen bewegen sich auf einem Energieniveau, das der örtlichen Körpertemperatur entspricht. Beim Verlassen der Bahn von höherem zu niedrigerem Energieniveau wird eine elektromagnetische Welle (Photon) freigesetzt, was aber gleich von einem der auf einem niedrigeren Energieniveau befindlichen Elektronen eines nächstliegenden Atoms aufgenommen wird. Dieses Elektron wird dabei auf eine Bahn mit höherem Energieniveau angehoben. Auch dieses Elektron wird (im Falle einer Umgebung mit niedrigerem Energieniveau) die Bahn mit höherem Energieniveau wieder verlassen, seine Energie dabei an eines der nächstliegenden Elektronen weitergeben - und so weiter ...
Die mathematische Beschreibung der Wärmeleitung erfolgt mittels der Fourier-Gleichung, welche im Falle des stationären Zustandes gültig ist:
Gl. 3
Legende:
Φ ... | Wärmestrom (Wärmemenge je Zeiteinheit) [W = Watt] |
Q ... | Wärmeenergie (Wärmemenge) [J = Joule] |
t … | Zeit [s] |
A ... | Querschnittsfläche des wärmeleitenden Stoffes [m2] |
λ ... | Wärmeleitfähigkeit [W/(m.K)] |
ϑ ... | Temperatur [K] |
d ... | Materialstärke [m] |
Abb. 8: Jean Baptiste Joseph Fourier (1768 - 1830), französischer Mathematiker und Physiker (Wikipedia, gemeinfrei [A3])
Als Vorbereitung der Abhandlung der theoretischen Grundlagen der Gebäude- und Industriethermografie folgen auf den nächsten Seiten die Anwendung der Fourier-Gleichung für die Wärmeleitung in homogenen (einschichtigen) bzw. mehrschichtigen Wänden.
Wärmeleitung homogener Wände (stationärer Zustand)
Ausgehend von einer Wand mit einer Stärke d aus homogenem Material, dessen Wärmeleitfähigkeit λ überall gleich ist, entsteht bei unterschiedlicher (zeitlich aber jeweils konstanter) Temperatur (ϑ1, ϑ2) an den jeweiligen Außenflächen in der Wand ein Temperaturabfall (Gradient) in Richtung der Flächennormalen x.
Somit ergibt sich ein lediglich eindimensionales Temperaturfeld und die Isothermen (Flächen gleicher Temperatur) werden zu planparallele Ebenen, welche wiederum parallel zu den Oberflächen und damit senkrecht zu x liegen. Innerhalb der Wand ist jede Schicht in der Tiefe Δx an ihrer Oberfläche durch zwei isotherme Oberflächen begrenzt. Der Wärmefluss durch die Schichten ist für jede Schicht gleich.
Abb. 9: stationäre Wärmeleitung in homogener Wand
Im Falle einer homogenen Wand mit gleichbleibendem Querschnitt sind λ und A Konstanten, somit auch die Quotienten Δϑ/Δx konstant. Daraus ergibt sich, dass ϑ(x) eine lineare Funktion sein muss, d.h. der Wärmestrom in der gesamtem Materialstärke (d) mit folgender Gleichung ausgedrückt werden kann:
Gl. 4
Dem obigen Zusammenhang zufolge wächst die Wärmeleitung (übertragene Wärmemenge) der Wand mit einem Querschnitt A, der Wärmeleitfähigkeit λ und dem zwischen den Außenflächen bestehenden Temperaturunterschied Δϑ, ist aber umgekehrt proportional zur Wandstärke d.
Wichtige Begriffe:
Wärmedurchlasskoeffizient:
Gl. 5
Hinweis: Der in der Gebäudephysik üblicherweise genutzte Wärmedurchgangskoeffizient „U“ (früher „k”) ist nicht gleich dem Wärmedurchlasskoeffizient Λ, da der Wert U den gesamten Wärmetransport beschreibt. Letzterer umfasst also außer dem Wärmedurchlasskoeffizienten des Bauteils auch die Wärmeübergangswiderstände α1 und α2 zwischen den Wandoberflächen und der jeweils angrenzenden Luft.
Wärmedurchlasswiderstand:
Gl. 6
Es ist noch zu erwähnen, dass die Annahme λ = konstant eine für vielen Anwendungen vertretbare Vereinfachung ist, in der Wirklichkeit dieser Parameter jedoch temperaturabhängig ist. Damit ergibt sich auch in der Wand kein linearer Temperaturgradient. Weiterhin darf keinesfalls vergessen werden, dass der hier behandelte Zusammenhang nur für die stationäre Wärmeleitung gilt, also nur dann, wenn ϑ1 und ϑ2 zeitlich unveränderlich sind. Auf Grund der Temperaturschwankungen (z.B. zwischen Tag und Nacht) ist also anzunehmen, dass die oftmals propagierte „Thermografische Bestimmung von U-Werten“ schon aus theoretischer Sicht nicht in der Lage sein kann, korrekte U-Werte zu liefern. (Siehe hierzu das Kapitel 5.1.8. „Bestimmung des U-Wertes durch Thermografie”.)
Wärmeleitung in mehrschichtigen Wänden (stationärer Zustand)
In der Praxis kommen viele mehrschichtige Wände vor, deren einzelne Schichten unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit besitzen. Ein typisches Beispiel sind Gebäudewände (Wandaufbau: Innenputz, Mauerstein, Außenputz oder sonstige Verkleidung bzw. Wärmedämmung) oder Kessel- bzw. Reaktorwände (hitze- bzw. chemikalienbeständige Auskleidung, Tragwand, eventuelle Wärmeisolation).
Auch bei mehrschichtigen Wänden kann die Wärmeleitung anhand der Fourier-Gleichung bestimmt werden. Es kann hierbei davon ausgegangen werden, dass im stationären Zustand die durch die gesamte Wand geleitete Wärme gleich der der jeweils durch die einzelnen Schichten geleiteten Menge sein muss.
In einer dreischichtigen Wand hat die Schicht 1 (mit ϑ1 in Berührung) eine Dicke d1, die mittlere Schicht 2 eine Dicke d2, die Schicht 3 (mit ϑ4 in Berührung) die Dicke d3. Die Wärmeleitfähigkeiten betragen λ1, λ2 und λ3. Weiterhin werden die äußeren Temperaturen mit ϑ1 und ϑ4 bezeichnet, die beiden „inneren“ Temperaturen an den jeweiligen Schichtgrenzen ϑ2 und ϑ3 sind vorerst noch unbekannt.