Innovation leben!. Lena Luhrmann
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Innovation begegnet einem überall – im Großen wie im Kleinen. Für viele bieten sich nie dagewesene Chancen, aber was ist mit denen, die dieser Innovationsdruck vor allem in Zugzwang bringt? Denen, die gar nicht oder nur vage wissen, wo sie anfangen sollen? Wer über Innovation spricht, darf die Disruption nicht vergessen. Disruption ist ein Prozess, bei dem eine Innovation ein bestehendes Geschäftsmodell ablöst oder sogar einen gesamten Markt regelrecht zerschlägt. Vor allem auf mittelständische Traditionsunternehmen kann dieses Phänomen des Digitalisierungszeitalters enormen Druck ausüben. Wir leben in einer Zeit, in der ein Zehn-Personen-Start-up aus einer Garage in Wanne-Eickel mit einer guten Idee und digitalen Ansätzen ein mehrere tausend Mitarbeiter umfassendes Traditionsunternehmen in arge Bedrängnis bringen kann. Laut einer Studie aus 2019 sehen sich 94% der Unternehmen von Disruption betroffen und versuchen ihre Prozesse und Unternehmensmodelle anzupassen, um mit den neuen Entwicklungen mitzukommen.1 Mehr als 60% der Unternehmen seien aber absolut nicht darauf vorbereitet, den Entwicklungen strategisch zu begegnen. Während 99% aller Unternehmen bisher verstanden hätten, dass sie sich in irgendeiner Form digitaler aufstellen müssen, und erste Schritte unternommen haben, hätten bisher nur 10% aller Unternehmen eine wirkliche Transformation hinter sich gebracht, die sie fit für die Zukunft macht.
Innovation können Sie als Chance, aber auch als Gefahr verstehen, je nachdem, auf welcher Seite Sie sich gerade befinden. Gestalten Sie aktiv mit, oder versuchen Sie der Entwicklung hinterherzurennen und bloß mit dem Kopf über Wasser zu bleiben?
Innovation ist ein persönliches Spektrum
Wenn Menschen über Innovationen sprechen, meinen sie oft unterschiedliche Dinge. Die 88-Jährige aus Alt Künkendorf in der Uckermark, die WhatsApp für sich entdeckt und per Videoanruf vom Biedermeiersofa an der Einschulung ihres Urenkels in North Carolina teilnehmen kann, nimmt sich selbst in einem sehr innovativen Kontext wahr.
Die Sachbearbeiterin eines Berufsverbandes, die auf einmal erlernt, dass sie pdf-Rechnungen nicht mehr ausdrucken, händisch kontieren und dann wieder einscannen muss, fühlt sich auch unglaublich innovativ. Sie nutzt eine Funktion, mit der sie das Gegenkonto digital aufschreiben kann, dadurch spart sie vier Arbeitsstunden pro Woche. Was für diese beiden Innovation bedeutet, ist für einen der größten Zukunftsvisionäre wie Elon Musik bei Neuralink2 ein alter Hut.
Diese unterschiedlichen Perspektiven zeigen: Innovation ist ein Spektrum. Es ist eine Perspektive und individuelle Notwendigkeit des Einzelnen, die ohne Kontext nicht bewertet werden kann. Irgendwo auf diesem Spektrum sind zwei Plätze: Der, an dem Sie JETZT GERADE stehen, und der, an dem Sie eigentlich stehen müssten, um für die Zukunft sicher aufgestellt zu sein.
Die wichtigste Frage ist also: Was ist Innovation für Sie und wieviel davon braucht Ihr Unternehmen? Welchen Platz auf diesem Spektrum sollten Unternehmen in Deutschland anstreben? Für das eine Unternehmen ist Innovation auf höchstem Niveau ein absolutes Muss, für das andere gelten Regeln der konservativen Tradition – beides hat seine Berechtigung und das Maß an Innovation vs. Tradition ist für jedes Unternehmen individuell. Ich halte es nicht nur aufgrund der Corona-Erfahrungen für zwingend notwendig, dass jedes Unternehmen innovativ sein kann, wenn es will oder dazu gezwungen wird – und zwar bestenfalls auch im Einklang mit Tradition, Herkunft und Historie. Unternehmer und Führungskräfte müssen befähigt werden, bewusste Entscheidungen zum Thema Innovation zu treffen. Diese müssen strategisch, bewusst und geplant getroffen werden, und zwar nicht erst dann, wenn es fünf vor zwölf ist. Das geht nur, wenn das Unternehmen insgesamt fähig zur Innovation ist. Ich habe erlebt, wie selbst die größten Unternehmen nach außen hin innovativ wirken und mit Innovations-Awards überhäuft werden. Innen drin sind die Strukturen aber so verkrustet, dass sie eine pragmatische und angemessene Implementierung von Innovation verhindern. Der Grund ist klar: Wollen und Können sind zwei verschiedene Sachen. Das Unternehmen war schlichtweg nicht fähig. Ich behaupte, dass schon einige, wenn nicht alle Traditionsunternehmen eine disruptive Idee hatten. Sie wurde nur nicht als solche erkannt, nicht verstanden, nicht genutzt und ist so an ihnen vorbei gezogen – und wurde im schlimmsten Fall einige Zeit später von einem Mitbewerber erfolgreich umgesetzt. Das Spektrum Innovation ist nicht immer groß und schillernd. Es beginnt im Kleinen vor der eigenen Unternehmens-Haustür und endet in der Disruption.
Es ist mir wichtig, nicht zu werten, auch wenn die eingangs genannten Beispiele von anderen Innovationstreibern sicherlich nicht mal als Innovation wahrgenommen werden würden. Sie sind schon ein großer Schritt auf der persönlichen Innovationsskala. Ich möchte damit herausstellen, dass Innovation nicht nur ein Wort oder eine Technologie ist. Innovation ist eine innere Einstellung aus einem Gemisch von Generationszugehörigkeit, Lebens- und Berufserfahrung, aus persönlicher Präferenz, Erwartungen und Haltung gegenüber Neuem und Veränderung sowie dem Grad an Bereitschaft, selbst Teil einer Veränderung zu sein.
Es ist nicht weit hergeholt, Innovation zu einer Sache Ihrer persönlichen Perspektive zu machen. Bedenken Sie all die unterschiedlichen Faktoren, die die Bedeutung und Wahrnehmung von Innovation beeinflussen. Aber natürlich möchte ich Ihnen meine persönliche Antwort auf die Frage nicht schuldig bleiben. Was für mich Innovation ist? Innovation ist Zukunftssicherung!
Jedes Unternehmen, das eine Dienstleistung oder ein Produkt anbietet, muss sich darüber Gedanken machen, welche Zukunftstechnologien und Entwicklungen sein Angebot ablösen könnten. Je früher Sie diese Überlegungen machen, desto besser können Sie darauf reagieren. Jeder Innovationsgedanke zählt – ob dieser nun nach rechts oder links vorne führt, spielt keine Rolle, Hauptsache, es geht vorwärts. Diejenigen, die für eine Innovation bereit sind, die diese nicht nur denken, sondern auch machen wollen und einfach loslegen, haben in jedem Fall mehr gewonnen als die, die blind für die Zukunft auf der Stelle treten. Stillstand macht dabei auch etwas mit den Unternehmensinhabern. Ihr Lebenswerk ist permanent in Gefahr. Das kann nicht nur auf der betriebswirtschaftlichen Ebene unangenehm sein, auch auf der emotionalen Ebene wird sich dieser Zustand einfach nur schlimm anfühlen!
Business-Sprache kann man machen – oder einfach lassen
Dies ist eine gute Stelle, um zu erklären, warum ich dieses Buch nicht in polierter Business-Sprache verfasst habe. Es ist ein erster notwendiger Schritt, meine Leser mit ihren eigenen Grenzen im Kopf zu konfrontieren. Es hat sich über Jahre eine Struktur in ihrer Wahrnehmung gebildet, die sie möglicherweise glauben lässt, dass Fachbücher besonders professionell klingen müssen. Eloquenz wird mit Kompetenz gleichgesetzt. Parkettsicherheit gilt als notwendig, um als fähig wahrgenommen zu werden. Die Sprache, in der wir uns im Business unterhalten, kann unbeabsichtigt eine Status-Maskerade werden. Wir beschäftigen uns dann mehr mit dem Verkaufen und Wirken und verschleiern den Blick auf den blanken Kern. Wir nutzen Wörter wie suboptimal, meinen aber ziemlich sicher, dass etwas bodenlos schlecht gelaufen ist. Wir sprechen lieber über Key-Performance-Indikatoren als über die Dinge, die wir bis Ende des Jahres gewuppt kriegen müssen. Ich sehe immer wieder Reportings auf 27 Seiten, die mehr aus aufgehübschter Rechtfertigung bestehen als aus brauchbaren, anwendbaren Lösungen. Die Frage, die mich auf der Suche nach dem logischen Kern der Lösung