Dirk Nowitzki - So weit, so gut. Jürgen Kalwa

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Dirk Nowitzki - So weit, so gut - Jürgen Kalwa

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das erst später seine magischen Fähigkeiten entfalten würde.

      Ich habe mich im Laufe der Zeit mit vielen Sportlern in den USA ausgiebig unterhalten. Einige hinterließen nachhaltigen Eindruck. An die Momente mit Charles Barkley in der Umkleidekabine der Phoenix Suns erinnere ich mich vor allem deshalb, weil er mit einer pausbäckigen Lust laut kontroverse Sprüche von sich gab und jeden Fragesteller aus der Reserve lockte und provozierte. Bei einer langen Unterhaltung mit Detlef Schrempf lag dieser während unseres Gesprächs in einem Fitnessstudio in Indianapolis auf einem Massagetisch und ließ sich behandeln, aber wirkte bisweilen so, als wäre er am liebsten einfach gegangen. Unvergessen, wie Carl Lewis redete – schnell und ohne Punkt und Komma. Wie Michael Phelps auf seinem Stuhl herumrutschte und ins Nichts schaute. Wie man Christian Welp regelrecht belagern musste, damit wir uns in Seattle trafen. Jackie Joyner-Kersee war smooth und bestens präpariert. Der ehemalige Radprofi Tyler Hamilton, der als wichtiger Zeuge Lance Armstrong zu Fall brachte, war offen und zugänglich. Anders wiederum John Carlos, der 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexico City auf dem Podest während der Siegerehrung die Faust im Handschuh in den nächtlichen Himmel gereckt hatte und dafür von seinem Verband bestraft worden war. Der wirkte all die Jahre später einerseits erstaunlich kapriziös, aber skeptisch und voller Vorbehalte zugleich.

      Aus so etwas besteht der Reporter-Alltag. Man trifft sich. Man stellt Fragen. Man sammelt Erinnerungen und destilliert sie im Kopf zu einem Gemisch der Deutungen.

      Es gibt Athleten, die mögen es in solchen Situation, von ihren Interviewern in Unterhaltungen in die Schlaufen ihrer Gehirnzellenketten hineingedrängt zu werden, weil sie ebenfalls Fans von serendipity sind. Weil sie diesen Teil ihres Athletendaseins nie abgeschaltet haben. Weil sie wie mit Hilfe einer Logarithmen-Tabelle die fehlenden Werte ermitteln wollen, die man braucht, um das Dreieck des eigenen Sportlerlebens zu verorten.

      Ich war mir damals nicht sicher. Heute weiß ich es: Zu denen gehörte der Absolvent des Röntgen-Gymnasiums in Würzburg nicht.

      Ich war deshalb froh, auf derselben Reise ein paar wohlmeinende Menschen kennenzulernen, die einem helfen konnten, das ziemlich weiße, leere Blatt zu füllen, das dieser Dirk Nowitzki einem in seinem ersten Profijahr entgegenhielt. Darunter: der damalige Trainer der deutschen Basketballnationalmannschaft Henrik Dettmann und Jörg Nowitzki, die beide zur selben Zeit ebenfalls in der Stadt waren. Der Vater, um seinem Sohn in dessen Junggesellen-Apartment in Oak Lawn mit ein paar Handreichungen zu helfen.

      Auch Marc Stein, damals der Beat-Reporter der Dallas Morning News, heute, nach einer längeren Zeit bei ESPN, bei der New York Times unter Vertrag, wusste ein paar Dinge.

      Ich hätte damals auch gerne mit Holger Geschwindner, seinem Förderer und Manager gesprochen, aber der hatte zu jener Zeit Masern und war in Deutschland geblieben. Wir konnten das allerdings Jahre später nachholen.

      Gegenüber Stein fremdelte Dirk Nowitzki irgendwann nicht mehr so wie gegenüber anderen. Und so deutete er ihm gegenüber schon bald offener seine Stimmung an und wie er in der Arbeit mit Geschwindner, dem Tüftler und persönlichen Trainer nach einem Weg suchte: „Ich habe ein bisschen den Spaß verloren. Wir verbringen unsere Zeit damit zu reden, wir arbeiten an meinem Wurf und versuchen, ein wenig Spaß zu haben. Ich muss den Rhythmus zurückbekommen, muss ein bisschen Vertrauen in meinen Wurf zurückgewin- nen.“

      Ich hatte vorher bereits mehrere Jahre lang die NBA verfolgt und dabei die Entwicklung von Detlef Schrempf begleitet, einem anderen Deutschen, an dem man den jungen Nowitzki irgendwie messen wollte, obwohl die Ausgangslage eine völlig andere war. Schrempf hatte 1985 in der NBA debütiert, nachdem er – im Unterschied zu Nowitzki – in den USA am College wichtige Basketball-Erfahrung gesammelt hatte. Auch er war von den Dallas Mavericks gedraftet worden (als Achter seines Jahrgangs).

      Nowitzkis Profikarriere hatte von Anfang an einen anderen Zuschnitt. Nicht nur in Dallas, sondern auch im Deutschland des Jahres 1999, in dem sich die Ansicht breitgemacht hatte, dass sein Wechsel in die NBA nur eines heißen konnte: Dieses Talent werde nun einfach zwangsläufig im Mutterland der Sportart für Aufsehen sorgen. Auch wenn alle Erkenntnisse aus der Anfangsphase eher das Gegenteil signalisierten.

      Es gab allerdings Ähnlichkeiten. Auch Schrempf war ein Typ, dessen sportliche und menschliche Qualitäten sich hinter einer Hülle verbargen. „Ich kann zwar hinausgehen und ganz entspannt sein. Aber ich spiele einfach besser, wenn ich aggressiv bin“, verriet er mir bei einem unserer Interviews. So kam er nicht wie ein strahlender Sieger herüber, sondern wie ein fleißiger Arbeiter, der nicht viel Brimborium um seine Leistungen machte. Aber er war 1999 längst über seinen Zenit hinaus, nachdem er 1996 die eine große Chance seiner Karriere auf den Meisterschaftstitel nicht nutzen konnte, als er mit den Seattle SuperSonics gegen die Chicago Bulls in der Finalserie verlor.

      Er war ein Basketballer auf dem Weg zum Aggregatzustand der Marginalie. Auf dem Weg zum Exoten in den Köpfen von Leuten, die Pop-Kultur für Komödien wie die Fernsehsendung „Parks and Recreation“ ausschlachten. Von Leuten, die suppige Balladen schreiben, wie die aus Seattle stammende Rockgruppe Band of Horses, die auf ihrem Album Cease to Begin 2007 den Song mit dem Titel Detlef Schrempf veröffentlichte.

      Von solchen Aspekten des amerikanischen Alltags wusste man in Deutschland nur wenig, obwohl die vorherrschende Maßlosigkeit im Urteil über die Verhältnisse im Sport in den Vereinigten Staaten im allgemeinen und das Milliardenunternehmen NBA im Besonderen, Stand Frühjahr 1999, ganz beachtlich war.

      Weshalb allein das damals sicher eine eigene Geschichte wert gewesen wäre. Aber wegen einer derartigen Analyse hatte mich mein Auftraggeber, das Hamburger Wochenmagazin Stern, nicht losgeschickt. Zu den vielen Grundsätzen unseres Milieus, mit denen der Wert und Unwert von Themen ausgelotet werden, gehört nämlich unter anderem dieser: Seifenblasen zersticht man nicht. Die lässt man in Ruhe. Die ignoriert man. Die platzen bekanntlich irgendwann von alleine.

      Eine Geschichte, die man über vier oder fünf Seiten aufreißen und von einem eigens angeheuerten Fotografen bebildern konnte, funktionierte im Rahmen der üblichen Medienlogik deshalb eigentlich nur mit einer Prämisse: Junges, deutsches Riesentalent holt in der besten Basketballliga der Welt Gurkentruppe aus dem Tabellenkeller.

      Es war ein Märchen, aber es sollte sich möglichst so wohlig anfühlen wie die Schurken-Soap Dallas in den achtziger Jahren, in der alles so simpel wirkte: die Gier, der Geiz, der Neid.

      Also was tun? Wie serviert man in dieser Situation, in der der Basketballclub in Dallas wegen seiner langjährigen chronischen Leistungsschwäche als das schlechteste Basketball-Team der neunziger Jahre in der Popularität weit hinter dem Football-Club Dallas Cowboys und dem Eishockey-Team Dallas Stars rangiert, einem 20-jährigen Liga-Neuling aus dem Ausland die Frage, die so simpel und so surreal zugleich ist: Wie läuft’s, Dirk Nowitzki? Sind Sie auf dem Sprung zum Super-Star? Sind Sie der Retter der Mavericks?

      Angesichts der Erwartungshaltung in Deutschland und der dicken Seifenblasen sah ich damals davon ab, über vieles zu schreiben, was ich höchst interessant fand. Zum Beispiel nichts über den ein Jahr vorher als Wunderheiler angeheuerten Chefmanager und Trainer Don Nelson, der damals in Dallas unter enormem Druck stand, weil er niemandem genauer erklären konnte, wieso er angesichts ziemlich schlechter Resultate so fest und visionär an diese zwei Spieler Steve Nash und Dirk Nowitzki glaubte.

      Dabei war dieser Don Nelson die ausschlaggebende Person, die mit ihren Entscheidungen nicht zum ersten Mal in ihrer Trainer-Laufbahn zielbewusst gegen herkömmliches konventionelles Denken verstieß. Ein Magier, den man damals ziemlich rasch zu einem der großen Verlierer des Draft-Abends von Vancouver abgestempelt hatte, bei dem er Nowitzki und Nash nach Dallas geholt hatte. Das Fachpublikum hätte sich lieber für jemanden wie Paul Pierce entschieden, der an der Universität Kansas drei Jahre lang gezeigt hatte, was in ihm steckt.

      Besonders

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