Dirk Nowitzki - So weit, so gut. Jürgen Kalwa
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Wie Don Nelson mit einem Geniestreich an einem Tag gleich zwei Spieler nach Dallas holte, die später als wertvollste Spieler der Liga Geschichte machen sollten: Dirk Nowitzki und Steve Nash. Ihre großen Erfolge erlebte er jedoch nur aus der Ferne.
Kongeniale Partner: Steve Nash und Dirk Nowitzki im Dezember 2001. (imago/Zuma Press)
Drüben auf der anderen Seite des riesigen erloschenen Vulkans verströmt das tropische Milieu der Insel eine Stimmung, die den meisten Besuchern vom Festland verborgen bleibt. Die biegen nämlich fast alle mit ihren Mietwagen gleich an der Ausfahrt vom Kahului Airport nach Westen ab, fahren durch die Ebene, in der sich einst riesige Zuckerrohrplantagen ausbreiteten, und landen kurz darauf in einem dieser modernen Hotelkästen direkt am Meer. Dort, wo man Maui etwas genommen hat, was es ganz sicher mal besaß: einen ureigenen Charme.
Der Charme des Ostens auf der anderen Seite des Vulkans ist allerdings ebenfalls Geschmacksache. Der Post-Hippie-Stil aus der Dose, der die fade Nutzbauten-Architektur dekoriert, hat fast alles im hawaiianischen Archipel im Griff. So auch hier.
Die Atmosphäre allerdings wird von Leuten geprägt, die sich bewusst in dieser Gegend niedergelassen haben, weil sie ein paar vernünftige Gründe dafür haben. Zum Beispiel, dass man näher an den Zentren von Verwaltung und Politik ist und man hier, wo bis 2000 eine Zuckerraffinerie lief, ein Gefühl von Zusammenhalt kennt.
Wer hier hängen bleibt – Surfer und Künstler und eine besondere Sorte von Prominenten, die keinen Wert darauf legen, sich auf den Gossip-Seiten wiederzufinden, also Musiker wie Willie Nelson und Kris Kristofferson und der Schauspieler Woody Harrelson – müssen bei ihrem ersten Besuch jene „verrückte leichte Schwingung“ gespürt haben, die die New York Times mal ausgelotet hat. Offensichtlich wollten sie mitschwingen. Denn dies ist der Landstrich der Freigeister, zweite Heimat der etwas Abgedrehten.
Es ist exakt das Milieu, von dem sich Don Nelson angezogen fühlte. Und so hat er in Paia unweit vom Strand mit den Millionen aus seinen Einkünften als Basketballtrainer das größte Haus weit und breit gebaut. Man muss nur die hohen Schiebetüren der riesigen Glasfassade öffnen und wird von der sanftwarmen Brise des Pazifischen Ozeans umsäuselt.
Gleich nebenan stehen zwei Mietshäuser, die ihm ebenfalls gehören. Nicht weit weg befindet sich das mit mehreren Läden ausgestattete Geschäftsgebäude – Shops of Paia –, in dessen Keller der Zigarrenliebhaber sein Raucherzimmer und einen Raum für seine Pokerabende mit Freunden eingerichtet hat.
Das Kontrastprogramm dazu befindet sich oben in den Wolken, an einem der Abhänge des 3000 Meter hohen Haleakala, wo die Temperaturen niedriger sind und die Aussicht auf das Meer schlichtweg atemberaubend. Dort hat sich Nelson auf einem nicht ganz einfach zugänglichen Stück Land eine Villa bauen lassen, die Gästen und Freunden der Familie vermietet wird. Für den Entwurf gab er dem Architekten freie Hand. Weshalb der glaubt, dass er da oben etwas ganz Besonderes hinbekommen hat: „Einen Ausläufer von Dons Persönlichkeit. Er verfügt über eine sehr solide, stabile Präsenz. Aber er ist jemand, der auch außerordentlich aus sich herausgeht.“
Ein Mann, der auf einer Rinder- und Schweinefarm in Michigan im sogenannten Mittleren Westen aufwuchs und der nun auf einer abgelegenen Insel mitten im Pazifik ein bisschen Monopoly spielt. Wenn auch ganz ohne Opernplatz oder Schlossallee.
Wenn wir über Dons Persönlichkeit reden wollen, dann müssen wir allerdings ehrlicherweise ein wenig ausholen. Heute, im Alter von 78 Jahren, gilt er hauptsächlich als eigenwilliger ewiger Basketball-Geek. Ein „Lifer“, wie man in der NBA sagt, der zunächst als Profi fünfmal die Meisterschaft der National Basketball Association gewinnen konnte und der für seine Leistungen von seinem langjährigen Club, den Boston Celtics, mit einer dieser typischen amerikanischen Respektsgesten geehrt wurde. Man zog feierlich seine Trikotnummer 19 aus dem Verkehr und hisste das Stofftuch mit seinem Namen unter die Decke des Boston Gardens. Bei den Celtics, dem erfolgreichsten Team der NBA-Geschichte, hatte sich Nelson einen formidablen Ruf als „sixth man“ erarbeitet, als der Mann, der gezielt vom Trainer in der späteren Phase einer Begegnung von der Bank aus ins Spiel geschickt wird, um den Druck auf die Einwechselspieler des Gegners zu erhöhen.
Der 1,98 Meter große Basketballprofi war schon damals erfindungsreich. Er entwickelte zum Beispiel eine eigenwillige Ein-Hand-Technik für seine Freiwürfe und kam damit auf eine brauchbare Trefferquote.
Als Trainer allerdings war er noch sehr viel einfallsreicher. Und das war gut so. Als er noch selbst in kurzen Hosen über den Platz joggte, hatte die NBA ganze neun Clubs und war ziemlich übersichtlich. Im Laufe der Jahre vollzog er jene Expansionsströmung mit, die die Liga auf 30 Clubs aufblähte und den Blick der Verantwortlichen auf Spieler von anderen Kontinenten öffnete. Denn das Mutterland der Sportart, die Ende des 19. Jahrhunderts von einem kanadischen Sportlehrer namens James Naismith in Neu-England erfunden worden war, produzierte angesichts der Erweiterung einfach nicht mehr genug Erster- Klasse-Talente am Fließband.
Nelson hat in diesem System wie kaum ein anderer reüssiert. Er wurde dreimal als „Coach des Jahres“ ausgezeichnet und arbeitete sich auf den ersten Platz in der Tabelle der Trainer mit den meisten Siegen vor.
Aber seine Ideen wurden auf dem Spielfeld nie richtig belohnt. Alles, was er in der Arbeit mit seinen Spielern bei den Milwaukee Bucks, den Golden State Warriors, den New York Knicks und den Dallas Mavericks zu erreichen imstande war, war die Qualifikation für die Conference Finals. Und das auch nur ein einziges Mal. Gewöhnlich war spätestens eine Runde vorher Endstation. Man muss sich das mal vorstellen: Einer der besten Männer seines Fachs hat es nicht mal zu einer Teilnahme an der Finalserie geschafft. Und deshalb natürlich auch nicht zu einem offiziellen Besuch beim amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus.
Diese vergleichsweise bescheidene Bilanz hat ihn jedoch nicht genervt. Als Kontrastprogramm und Ausgleich zog er sich zwischendurch immer wieder auf seine Insel zurück. Er begann dort seinen Tag meistens mit einer Runde Golf und beendete ihn mit ein paar Glas Bier und zog dabei genüsslich an einer teuren Zigarre. Das Getriebe der NBA auf dem amerikanischen Festland, Minimum fünf Flugstunden entfernt, schwappte in solchen Phasen nur noch aus dem Fernsehen an ihn heran. In Gestalt von Live-Übertragungen, die wegen des Zeitunterschieds auf Maui nachmittags laufen.
Innerhalb der Liga war er zwar den meisten Entscheidungsträgern aus dem Blick entschwunden, aber nicht aus dem Sinn. Anfang 1997 zum Beispiel stöberte ihn Frank Zaccanelli auf, der kurz zuvor mit zwei weiteren Investoren die Mavericks gekauft hatte.
Das Team gehörte zu jener Zeit sportlich zum Schlechtesten, was die NBA zu bieten hatte. Man brauchte einen Mann mit einer Vision und mit der Bereitschaft, Tabula rasa zu machen.
„Wir hatten gehört, dass er in Hawaii wirklich zufrieden und nicht so richtig an einem neuen Job interessiert sei“, erzählte Zaccanelli später. „Aber als wir uns näher gekommen sind, erwies sich das als komplett falsch. Er war eben ein Lifer.“
Nelson fühlte sich mit 57 herausgefordert, doch noch