Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов

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Mager zu nennen, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Konzept für eine umfassende Schulbildung entwirft, in dessen Rahmen dem Unterricht in Sprachen, und zwar sowohl den lebenden als auch den klassischen Sprachen, besonderer Stellenwert zukommt (Mager 1846). Die von Mager dafür entwickelte und propagierte „genetische Methode“ wurde zu seiner Zeit in einigen erfolgreichen Lehrbüchern umgesetzt (Klippel 1994: 444–447).

      Die Klassifizierung in eher linguistisch oder pädagogisch motivierte frühe fremdsprachendidaktische Forschung liegt quer zu der heute üblichen Unterscheidung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung (s. Kapitel 2). Die aktuell gültigen und allgemein üblichen Güte- und Qualitätskriterien für Forschungsarbeiten (s. Kapitel 2) waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch nicht in gleichem Maße bekannt oder selbstverständlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass weit zurückliegende Forschungsarbeiten a priori fehlerhaft oder gar wertlos sind. Man muss sie allerdings – ganz im Sinne einer inneren und äußeren Quellenkritik (dazu Kapitel 5.3.1) – im Kontext ihrer Zeit lesen und interpretieren.

      Geht man vom zeitlichen Rahmen bisheriger großer historischer Abrisse des Fremdsprachenlehrens und -lernens aus (Kelly 1969, Germain 1993, Wheeler 2013), dann lassen sich Überlegungen zum Sprachenlehren und -lernen aus 5000 bis 2500 Jahren belegen. Sicherlich sind nicht alle diese Überlegungen als Forschung im engeren Sinne einzuordnen, aber die Grenze zwischen den in den vergangenen Jahrhunderten niedergelegten Annahmen, Prinzipien und Beobachtungen engagierter Sprachenlehrer (etwa von Seidelmann 1724 oder Falkmann 1839) einerseits und theoretischen Ideen und Konzepten etwa eines Comenius (1643) andererseits ist schwer festzulegen. Ist beides, nur eines oder gar nichts davon als Forschung zu sehen? Da der Fokus dieses Handbuchs auf der deutschen Fremdsprachendidaktik liegt, werden im Folgenden die ForschungstraditionForschungstraditionen in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert skizziert, seit es eine theoretische, historische und empirische Auseinandersetzung mit dem Forschungsfeld in größerem Ausmaß gibt.

      Wer forscht?

      Heute erfolgt ein Großteil der fremdsprachendidaktischen Forschung an Universitäten und Hochschulen, oftmals im Kontext wissenschaftlicher Qualifizierungsarbeiten oder geförderter Projekte. Das war im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch völlig anders. In einer Zeit, in der sich die modernen Sprachen erst langsam an Schulen und Universitäten etablierten (dazu z.B. Finkenstaedt 1983: 27–123; Hüllen 2005: 75–91), befand sich ein Großteil derer, die sich systematisch mit dem Fremdsprachenunterricht befassten, als Lehrer an einer höheren Schule. Viele der damaligen Sprachlehrer waren leidenschaftliche Verfechter ihres Faches und kämpften für dessen Berechtigung und stärkere Berücksichtigung. Dazu veröffentlichten sie theoretische Abhandlungen in den ebenfalls ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden pädagogischen und philologischen Fachzeitschriften. Insbesondere zu Zeiten der neusprachlichen Reformbewegung ab etwa 1880 setzten sich Befürworter und Gegner der Reform intensiv auseinander. In diesem Kontext entstanden auch die ersten Forschungsarbeiten, die sich in heutiger Terminologie eventuell als empirische Unterrichtsforschung oder Handlungsforschung bezeichnen lassen, indem einzelne Lehrer (z.B. Klinghardt 1888) über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Unterricht systematisch aufzeichneten, ihre Beobachtungen notierten und diese dann mit Bezug auf die gängigen Theorien zum Sprachenlernen interpretierten (Klippel 2013). Andere Lehrer untersuchten die Geschichte des Französisch- oder Englischunterrichts (s. Kapitel 3.1 zu einschlägigen Beispielen), wiederum andere befassten sich mit theoretischen Konzepten zu einer Sprachenfolge in den höheren Schulen – etwa Julius Ostendorf (dazu Ostermeier 2012).

      Der Beginn der Forschungstradition im Bereich der Fremdsprachendidaktik ist also eng verknüpft mit der Lehrerschaft. Die zunehmende Professionalisierung dieser Lehrer und ihr starkes Engagement für die aufstrebenden modernen Sprachen sowie ihr Bemühen, den Unterricht wissenschaftlich zu fundieren und zu optimieren, führten zu einem regen fachlichen DiskursDiskurs. Und es ist festzuhalten, dass bereits damals historisch, theoretisch und empirisch geforscht wurde – wenn auch letzteres nicht in breitem Umfang.

      Bis in die 1960er Jahre ändert sich diese Situation nicht wesentlich. Zwar gibt es vereinzelt Dissertationen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen (s. Überblick in Sauer 2006), doch findet der wissenschaftliche Diskurs primär nicht auf akademischer Ebene statt, sondern vielmehr bei Fachtagungen und in fachdidaktischen Fachzeitschriften, wie z.B. Die Neueren Sprachen, Neusprachliche Mitteilungen, Praxis des neusprachlichen Unterrichts, die weiterhin für den Unterricht in den beiden Sprachen Englisch und Französisch publizieren1 und zumeist, so scheint es, von Sprachlehrern selbst herausgegeben, verfasst und gelesen werden. Der Französisch- und Englischunterricht ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Gymnasien und Mittelschulen etabliert; an den Universitäten sind fast überall Professuren für die neuphilologischen Fächer eingerichtet, deren Schwerpunkt jedoch weiterhin in der Literaturwissenschaft und der Historischen Sprachwissenschaft liegt. Erst mit dem Ausbau des Unterrichts in einer modernen Fremdsprache, meist Englisch, für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in Folge des Hamburger Abkommens von 1964 und der dadurch erforderlichen Einrichtung von fremdsprachendidaktischen Professuren an den Pädagogischen Hochschulen, an denen damals die Lehrkräfte für die nicht-gymnasialen Schulformen ausgebildet wurden, gewinnt die Fachdidaktik Englisch (vgl. dazu Doff 2008) und in Folge dessen auch die Fachdidaktik der romanischen Sprachen an wissenschaftlicher Statur und Forschungskapazität. Gleichzeitig erhöht sich die Zahl der Lehrkräfte erheblich, die für den Sprachunterricht ausgebildet werden müssen und die als potentielle Rezipienten von Forschungsergebnissen – während der Ausbildung oder im Beruf – zu sehen sind.

      Im Bereich Deutsch als Fremdsprache erfolgt die Entwicklung mit einiger Verzögerung und mit anderen Vorzeichen, denn ein wissenschaftliches Fach etabliert sich in der alten Bundesrepublik erst Ende der 1970er Jahre in unterschiedlich enger Verzahnung mit der Germanistik und mit unterschiedlichen Denominationen (vgl. Götze et al. 2010: 19–20). Für Deutsch als Fremdsprache geht die Forschungstätigkeit weniger von den praktizierenden Lehrkräften aus als von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Als „Motor der Entwicklung im Wissenschaftsbereich“ identifizieren Götze et al. (2010: 20–21) ab 1971 den „Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache“ (AKDaF; heute „Fachverband Deutsch als Fremdsprache“ FaDaF). In den 1970er Jahren entstehen die einschlägigen DaF-Publikationsorgane wie etwa die Zeitschrift „Zielsprache Deutsch“ (ab 1970) und das „Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache“ (ab 1975) (vgl. Götze et al. 2010: 21).

      Die hier geschilderte Entwicklung verlief in der DDR etwas anders. So gab es am Leipziger Herder-Institut, an dem seit 1956 Deutschunterricht für ausländische Studierende erteilt wurde, bereits ab 1968 eine Professur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Die fremdsprachendidaktische Forschung in der DDR orientierte sich weitgehend an der russischen (Psycho-) Linguistik und Pädagogik, während die westdeutsche eher in die USA blickte. Vor der Wiedervereinigung 1989 wollte oder konnte man sich in BRD und DDR gegenseitig kaum in den jeweiligen Forschungsbemühungen wahrnehmen (so Hüllen 1991), wenngleich es etwa im Bereich der fachhistorischen Forschung bereits in den 1980er Jahren auf der Basis der Initiative einzelner Forscher zu einem wissenschaftlichen Austausch kam (etwa Strauß 1985).

      Die große Steigerung der Forschungsaktivität ab den späten 1960er Jahren zeigt sich eindrücklich an der wachsenden Zahl von Dissertationen und Habilitationsschriften, die in der Fremdsprachendidaktik angefertigt werden. Während Sauer (2006) für den Zeitraum von 1900 bis 1962 lediglich 19 einschlägige Arbeiten aufführt, sind es von 1968 bis zum Jahr 2000 insgesamt 355. Ab dem Jahr 2000 erfolgen in Deutschland jährlich im Durchschnitt zwischen 15 und 25 Promotionen und Habilitationen in den fremdsprachendidaktischen Fächern.2 Selbstverständlich sind unter den Promovenden und Habilitanden auch Lehrkräfte der Sprachenfächer; genaue Zahlen dazu gibt es jedoch nicht. Dennoch hat sich somit in den letzten 50 Jahren die Forschungstätigkeit eindeutig aus den Schulen in die Universitäten und Hochschulen verlagert, zumal für Lehrkräfte im Schuldienst eine Promotion keine die Laufbahn direkt fördernde Qualifikation darstellt. Es ist heutzutage nicht in jedem Bundesland zwingend erforderlich, dass bei der Besetzung von fachdidaktischen Professuren in den Sprachenfächern Schul- oder Unterrichtspraxis nachgewiesen

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