Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank Rehfeld
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Zumindest war dies früher einmal so gewesen. Das ursprüngliche Ravenhorst hatte Maziroc nie gesehen, denn vor allem in den letzten zwei, drei Jahrhunderten waren die Zwerge immer mehr von ihrer Philosophie abgewichen, zumindest äußerlich alles im ursprünglichen Zustand zu belassen. Nicht zuletzt aus Platzmangel waren sie dazu übergegangen, zunächst vereinzelte Korrekturen an den Felsformationen vorzunehmen, und mittlerweile waren zahlreiche Gebäude um weitere Stockwerke aufgestockt oder sogar soweit verändert worden, dass sie eine völlig neue Form gewonnen hatten.
Wie Maziroc wusste, wurden diese Veränderungen jedoch nicht willkürlich vorgenommen, sondern von Städteplanern entworfen und geprüft. Diese Städteplaner gingen dabei nicht nur nach ökonomischen, sondern in erster Linie nach künstlerischen Gesichtspunkten vor, und genossen beim Zwergenvolk ein hohes Ansehen. Die einzelnen Bereiche der Stadt waren nach völlig unterschiedlichen Gesichtspunkten gestaltet worden, was in der Gesamtheit ein äußerst faszinierendes Bild ergab. Auch waren die Außenseiten nahezu aller Häuser von Künstlern mit aufwendigen Reliefs verziert worden, eine Fertigkeit, die die Zwerge wie kein anderer beherrschten. Zumeist zeigten diese Reliefs und sonstigen Verzierungen bedeutsame Szenen aus der glorreichen Geschichte ihres Volkes.
Durch all diese Eingriffe war Ravenhorst im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einer Kunststadt geworden, und das in gleich mehrfacher Hinsicht. Die einstmals natürlichen Formen waren durch künstliche ersetzt worden, wodurch das gesamte Arrangement der Stadt sowohl künstlich wie auch künstlerisch geworden war, ein künstliches Kunstwerk.
Obwohl er bereits mehrfach hier gewesen war, verfehlte der Anblick seine Wirkung auch auf den Magier nicht, zumal sich der Teil der Stadt, den er sehen konnte, seit seinem letzten Besuch vor fast zwei Jahrzehnten bereits wieder beträchtlich verändert hatte.
"Bringt den da in ein Quartier und sorgt dafür, dass er dort bleibt!", befahl Kari und deutete dabei auf Pollus. Ihre Worte zerstörten die Faszination, die die beiden Männer gefangen hatte und riss sie aus ihren Gedanken. "Und was ist mit Euch?", wandte sie sich an Maziroc. "Möchtet Ihr Euch auch erst in einem Quartier ausruhen und ein wenig frisch machen, oder wollt ihr direkt zu unseren Königen sprechen?"
"Da die Angelegenheit, die mich hergeführt hat, so ungeheuer wichtig ist, möchte ich sie Euren Königen lieber so bald wie möglich vortragen", erklärte der Magier.
"Wie ihr wünscht. Dann kommt mit mir", sagte Kari. Während die drei anderen Zwerge Pollus nach links davonführten und auch die Pferde mit sich nahmen, folgte Maziroc ihr die Straße in rechter Richtung entlang, auf ein großes, kuppelförmiges Gebäude zu, den Königspalast. Auf dem Weg dorthin begegneten ihnen zahlreiche andere Zwerge. Neugierig musterten sie Maziroc, einige grüßten ihn auch, obwohl sie ihn nicht persönlich kannten, aber wohl schon von ihm gehört hatten und ihm auf diese Weise ihre Hochachtung ausdrückten wollten.
Aus der Ferne, vom östlichen Ende der Stadt her, war ein gedämpftes Brüllen zu hören, ein Laut, der Maziroc eine Gänsehaut über den Rücken trieb. Es handelte sich um den Ruf eines Drachen. Kraft und ungebändigte Wildheit klangen darin mit. Die Zwergenkrieger galten neben denen der Elben als die Besten ihrer Art, doch zu einem beträchtlichen Teil beruhte der Mythos ihrer Unbesiegbarkeit auf ihren Drachen. Kaum jemand wusste genau, ob sie wirklich einige dieser Tiere gezähmt hatten und schon gar nicht, wie viele. Dennoch rankten sich unzählige Legenden um sie, und Maziroc war einer der ganz wenigen Menschen die wussten, wie groß der Anteil an Wahrheit daran war.
Sie erreichten den Kuppelbau und traten ein. Kari musste einen ziemlich hohen Rang bekleiden, denn ohne dass sie von einer der vielen Wachen auch nur ein einziges Mal aufgehalten wurden, führte sie ihn direkt bis in den Thronsaal. Sie selbst blieb neben den beiden Wachen an der Tür stehen, während Maziroc auf den großen, halbkreisförmig nach außen gewölbten Marmortisch zutrat, hinter dem die Zwergenkönige saßen.
Anders als die meisten anderen Völker, die sich mit einem einzigen Herrscher begnügten, besaßen die Zwerge gleich fünf Könige, die die fünf wichtigsten Berufsgruppen des Zwergenvolkes repräsentierten. So gab es den religiösen Stand, die Künstler, die Jäger und Beerensammler, die die Versorgung mit Nahrungsmittel sicherten, die Minenarbeiter, die Erze und kostbare Edelsteine aus dem Ashran abbauten, und natürlich die Krieger. Jede dieser Bevölkerungsgruppen besaß einen eigenen König, der sich speziell um ihre Interessen kümmerte, und bei Entscheidungen, die das gesamte Volk betrafen, mussten sie sich untereinander einigen. Ein Herrschaftssystem, das sicherlich noch nicht perfekt war, das Maziroc jedoch für wesentlich fortschrittlicher und effektiver hielt, als die Herrschaft eines einzelnen Königs oder gar Tyrannen, dessen Macht zudem meist auf seiner Stärke beruhte, weshalb seine Armee meist einen übergroßen Einfluss besaß.
"Seid gegrüßt, Maziroc von Cavillon", richtete Borrus, der schon fast greisenhafte König der Krieger, das Wort an ihn. Er saß in der Mitte des lang gezogenen Tisches. "Wir haben gehört, dass Ihr äußerst wichtige Nachrichten bringt, deshalb haben wir Euch entgegen allen protokollarischen Gepflogenheiten diese überhastete Audienz gewährt."
"So ist es, und ich danke Euch dafür, dass ich so schnell mit Euch sprechen kann", entgegnete Maziroc und verbeugte sich. "Ich überbringe Euch die Grüße von Charalon, dem Oberhaupt des Magierordens, und zugleich auch seine Bitte um Hilfe."
Neugier blitzte in Borrus' in ein Geflecht tiefer Falten eingebetteten Augen auf. "Aufgrund der langjährigen Freundschaft zwischen dem Volk der Zwerge und dem Orden der Magier, werden wir dieser Bitte gerne nachkommen, sofern es uns möglich ist", sagte er. "Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, bei was Charalon unsere Hilfe benötigen könnte."
"Genau genommen geht es nicht direkt um Charalon oder unseren Orden", stellte Maziroc richtig. "Alle bekannten Völker benötigen diese Hilfe, und nicht nur die Eure, sondern auch die aller anderen, die in der Lage sind, Krieger für ein Heer zu stellen. Es ist eine Gefahr entstanden, die ganz Arcana bedroht, und die wir nur abwenden können, wenn alle freiheitsliebenden Völker sich zu einem Bündnis zusammenschließen und ihr mit vereinter Macht entgegentreten."
Betroffenes Schweigen folgte seinen Worten.
"Das hört sich nach sehr schlechten Nachrichten an, die Ihr überbringt", sagte Farin, die Königin der Künste, schließlich. Sie war die jüngste im Rat der Könige, und neben Shira, der religiösen Führerin, die einzige Frau. Dunkles Haar fiel ihr in Locken bis weit über die Schultern und rahmte ein etwas pausbäckiges Gesicht ein. "Bitte berichtet uns mehr über diese Gefahr, die unsere ganze Welt bedrohen soll."
Maziroc begann zu erzählen. Er berichtete von den überfallenen und niedergebrannten Höfen und Dörfern, den verschwundenen Elbenspähern und den übrigen bedrohlichen Entdeckungen, von Eibons Besuch in Cavillon und dem Aufbruch der großen Expedition. Als er zu den Ereignissen auf dem Gehöft kam, überlegte er kurz, ob er das Zusammentreffen mit Kenran'Del erwähnen sollte, verzichtete dann aber darauf. Er wusste nicht, ob die eher abgeschieden lebenden Zwerge die Sagengestalt kannten. Von ihr zu sprechen, hätte nur eine Vielzahl zusätzlicher Erklärungen nötig gemacht, und dennoch wäre seine Schilderung dadurch höchstens weniger glaubhaft geworden.
"Die Damonen, mit denen wir es zu tun hatten, waren nur eine kleine Vorhut ohne richtige Führung", berichtete er stattdessen nur. "Außerdem konnten wir sie täuschen und überraschen. Aber Berichten zufolge, die wir für völlig glaubwürdig halten, handelt es sich um Hunderttausende dieser Ungeheuer, wenn nicht Millionen, und es werden mit jedem verstreichenden Tag mehr."
"Aber gegen einen so mächtigen und zahlenmäßig so überlegenen Feind haben wir selbst vereint keine Chance", entfuhr es Farin.
"Das