Die Begleitbeistandschaft. Daniel Rosch
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6. Erwachsenenschutzrecht als Teil der Sozialen Arbeit im Zwangskontext
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Gegenstand des Erwachsenenschutzes sind Menschen mit einem Schwächezustand und einem Schutzbedarf. Zur Klärung der Frage, wie diese Menschen in Zukunft am besten unterstützt werden können, bedarf es einer bio-psycho-sozialen Herangehensweise.[61] Dementsprechend ist das Recht auf Nachbarsdisziplinen angewiesen, wie Medizin, Psychiatrie, Treuhand, Psychologie und insbesondere die Soziale Arbeit.[62]
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In der Regel sind es Sozialarbeitende, die im Auftrag der Erwachsenenschutzbehörde Personen und deren Situation hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit abklären, aber auch die angeordneten Beistandschaften als Berufsbeistände führen. Dies insbesondere deshalb, weil Soziale Arbeit sich gerade mit der Bewältigung sozialer Probleme im Kontext des sozialen Wandels und sozialer Beziehungen beschäftigt.[63] Soziale Arbeit in diesem deutlich juristisch geprägten Umfeld wird gesetzliche Soziale Arbeit genannt. Da es sich um gesetzliche Soziale Arbeit im Rahmen angeordneter Massnahmen handelt, spricht man auch von Sozialer Arbeit im Zwangskontext.[64] Die Klienten, die nicht aus eigenem Antrieb die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sondern auf Druck des Umfeldes oder sogar gegen ihren Willen, sind Pflichtklienten.[65] Diese Ausgangslage stellt für die sozialarbeiterische Tätigkeit eine Herausforderung dar, weil zunächst in aller Regel an der Vertrauensbildung und Motivation für die Bearbeitung der sozialen Problemlagen gearbeitet werden muss, bevor das konkrete Problem angegangen werden kann.[66] Somit bedarf es in diesem Bereich neben Kenntnisse des rechtlichen Rahmens viel methodischen Wissens und Erfahrung im Umgang mit Widerstand.[67]
1. Einleitung
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Das revidierte Erwachsenenschutzrecht kann nicht ohne Bezugnahme zum vorrevidierten Recht verstanden und interpretiert werden. Es steht am vorläufigen Ende einer rechtshistorischen Entwicklung, die es zu berücksichtigen gilt. Deshalb wird im Rahmen der Grundlagen auch auf diese rechtshistorische Entwicklung eingegangen. Im Hinblick auf die Begleitbeistandschaft steht gemäss dem Gesetzestext des Art. 393 ZGB die «begleitende Unterstützung» im Vordergrund.[68] Diese Form der Hilfestellung bezieht sich weniger auf vermögensrechtliches und Vertretungshandeln, sondern auf die Personensorge.[69] Deshalb soll auch die rechtshistorische Hinführung unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge erfolgen. So wird im Folgenden nach einer kurzen (vorläufigen) Erläuterung des Begriffs der Personensorge in einem ersten Schritt ein kurzer Überblick über die rechtshistorische Entwicklung des Erwachsenenschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Personensorge dargestellt, um in einem zweiten Schritt konkret auf die Entwicklung des Erwachsenenschutzes und insbesondere der Personensorge im 20. Jahrhundert einzugehen. Schließlich werden grundlegende Schlussfolgerungen für die Personensorge im revidierten Recht gezogen.
2. Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung als grundlegende Dreiheit
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Der Begriff «Personensorge» wird im alten und im revidierten Recht unterschiedlich verwendet. Synonym zur Personensorge finden sich die Ausdrücke persönliche Fürsorge, persönliche Betreuung oder persönliche Hilfe. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Personensorge verwendet, zumal dieser auch im Kindesschutz Verwendung findet.[70]
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Die «Zweiheit» Personensorge und Vermögenssorge bzw. zum Teil die «Dreiheit» der Personensorge, Vermögenssorge und der Vertretung sind eine typologische Strukturierungshilfe für Formen der Schutzbedürftigkeit. Sie umschreiben die geschützten Rechtsgüter im Erwachsenenschutz, welche sich in Lehre und Praxis eingebürgert haben. SCHNYDER/MURER weisen in Bezug auf diese «Zwei»- bzw. «Dreiheit» zu Recht darauf hin, dass es letztlich nur ein geschütztes Rechtsgut gibt, nämlich die (schutzbedürftige) Person selbst.[71] Gleichzeitig stellen sie fest, dass Personen- und Vermögenssorge nicht trennscharf unterschieden werden können; es bestünden Wechselbeziehungen.[72] So kann der Abschluss eines Arbeitsvertrages die Personensorge betreffen (Integration in den Arbeitsmarkt), aber auch die Vermögenssorge (Lohnerwerb), und kann gleichzeitig auch Vertretungshandeln sein, soweit der Mandatsträger hier vertretungsweise unterzeichnet. Es handelt sich somit um eine typologische Unterscheidung.
3. Rechtshistorische Entwicklung
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Bereits das römische Recht kannte die Vormundschaft, die tutela. Sie bezog sich entweder auf Frauen, die unabhängig von ihrem Alter nicht unter einer Hausgewalt (patria potestas) oder unter Manus-Ehe standen, oder aber auf Minderjährige, deren männliche Vorfahren verstorben waren. Der Vormund konnte für Kinder im Alter von unter sieben Jahren selbstständig handeln. Kinder ab dem achten Altersjahr bis zur Geschlechtsreife (Mädchen ab zwölf Jahren, Knaben ab vierzehn Jahren), sog. impuberes infantia maiores, konnten hingegen selbstständig Rechtshandlungen vornehmen; die Rechtswirkungen traten aber nur ein, wenn diese zum Vorteil der Kinder gereichten. Andernfalls war die Zustimmung des Vormundes notwendig. Vormund wurde man entweder von Gesetzes wegen oder aufgrund einer testamentarischen Anordnung.[73] Der Vormund hatte über die Personen und das Vermögen eine Schutzgewalt – ähnlich der patria potestas – und somit ein Herrschaftsrecht, das aber durch den Schutzzweck zugunsten des Mündels (pupillus) eingeschränkt war.[74] Sie war treuhänderisch gedacht, und der Tutor hatte kein Recht über Leben und Tod (ius vitae necisque).[75] Die altrömische Vormundschaft gegenüber Minderjährigen war eigen- und fremdnützig zugleich.[76] Da der Tutor in seiner Funktion gleichzeitig nächster Erbe war, falls das Mündel innerhalb der Mandatszeit verstarb, verwaltete er das Vermögen zwar primär für das Mündel, sekundär aber auch für sich selbst.[77] In der Republik und der späteren Kaiserzeit verschob sich dieses Verhältnis, indem die Eigennützigkeit zurücktrat und das im öffentlichen Interesse auferlegte Amt im Sinne eines Zwangsdienstes (munus) in den Vordergrund gerückt wurde.[78] Die Herrschaft über die Person trat bald hinter die Pflicht, für Unterhalt und Erziehung besorgt zu sein, dies aber vor allem in finanzieller Hinsicht, indem vorab die hierfür erforderlichen Mittel bereitgestellt werden mussten. Die Durchführung der eigentlichen Erziehung im Sinne der Personensorge wurde weitgehend den Müttern überlassen.[79] Gegen die Handlungen des Vormundes waren zum Rechtsschutz des Mündels diverse Klagen vorgesehen und waren entsprechend den Aufgaben des Vormundes auf die Sorgfaltspflichten im Rahmen der Vermögenssorge ausgerichtet.[80]
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Diese der geltenden rechtlichen Regelung schon relativ nahekommende Normierung[81] galt ganz ähnlich auch für die sog. Pflegschaft (cura oder curatio). Sie findet sich bereits in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Zwölftafelgesetz und sieht vor, dass bei Geisteskrankheit und Verschwendungssucht eine solche eingerichtet werden musste. Im Anschluss an die Lex Laetoria (ca. 200 v. Chr.) wird sie auf alle volljährigen, aber gewaltfreien Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht beendet haben (Minores), ausgeweitet. Die Minores sind unter der cura minorum zwar bereits vollumfänglich geschäftsfähig; sofern sie aber Verpflichtungen eingehen, die sich für sie als nachteilig erweisen, können sie diese anfechten und die Rückerstattung schon erbrachter Leistungen verlangen. Rechtsgültig ist eine Verpflichtung nur, wenn der Pfleger (curator) zugestimmt hat. Der Pfleger wird eingesetzt vom Magistrat (Prätor) auf eigenen Antrag des Minor – anfänglich nur im Einzelfall mit beschränktem Aufgabenkreis, später regelmässig